Trotz einer starken Sicherheitspräsenz auf den Straßen Teherans kam es am Sonntag an mehreren Universitäten in Teheran zu Protesten gegen das Regime. Die Leugnung des Regimes in den Tagen nach dem Abschuss des ukrainischen Flugzeugs erzürnt die iranische Bevölkerung.
Bei dem versehentlichen Abschuss kamen 176 Menschen ums Leben. 82 Iraner, 63 Kanadier, 11 Ukrainer, 10 Schweden, vier Afghanen, drei Deutsche und drei Briten. „Sie lügen uns, dass es Amerika ist, aber unser Feind ist genau hier“, rief eine Menge an der Shahid Beheshti-Universität in Teheran und verglich die Revolutionsgarden und ihre paramilitärischen Verbündeten mit dem islamischen Staat. „Du bist unsere Isis“, skandierte die Menge. Mehrere hundert Demonstranten marschierten durch U-Bahn-Stationen und durch Straßen Teherans, sangen revolutionäre Hymnen und „Tod dem Diktator“. Die Sicherheitskräfte reagierten mit Tränengas und Schüssen in die Menge. Nachdem am 3. Januar General Qassem Suleimani von US Drohnen getötet wurde schien sich die öffentliche Stimmung im Iran günstig für das Regime zu entwickeln. Irans Angriff auf US Stützpunkte im Irak sollte dazu Stärke demonstrieren. Stattdessen hat der Abschuss eines mit iranischen Bürgern beladenen Passagierflugzeugs das Militär gedemütigt und einige seiner führenden Politiker als Lügner entlarvt. Tagelang leugnete das Regime verantwortlich für den Abschuss zu sein. Die Beweislast mit Videos wurde aber zu erdrückend und am Samstagmorgen gab das Regime publik dass eine iranische Rakete für den Absturz verantwortlich war. Es folgten Proteste in den Medien. Zwei staatliche Fernsehmoderatoren traten aus Protest zurück, weil sie über den Vorfall falsch berichtet hatten, und iranische Medien machten Titelseiten mit den Überschriften „Beschämt“ und „Unglaublich“. Donald Trump nutzte die Unruhen, um den Druck auf die Islamische Republik zu verstärken und den Demonstranten seine Unterstützung zu erklären. „Töten sie ihre Demonstranten nicht“, sagte Trump in einem Tweet direkt an die iranische Regierung. „Die Welt schaut zu. Noch wichtiger ist, dass die USA zuschauen.
Am Sonntag sagte Trump dann, sein Nationaler Sicherheitsberater gehe davon aus, dass die Sanktionen und Proteste Iran zu Verhandlungen zwingen würden. „Tatsächlich könnte es mir egaler nicht sein, ob sie verhandeln. Es wird völlig ihnen überlassen sein, aber: keine Atomwaffen und ‚tötet eure Demonstranten nicht'“, twitterte er.
US-Sanktionen haben den Iran in eine tiefe Rezession getrieben, und eine Erhöhung der offiziellen Treibstoffpreise im November führte zu den größten Protesten in der 40-jährigen Geschichte des Regimes, auf die die Regierung reagierte, indem sie das Internet für mehrere Tage abstellte und Hunderte Demonstranten tötete. Die Staats- und Regierungschefs von Großbritannien, Frankreich und Deutschland haben am Sonntag eine gemeinsame Erklärung abgegeben, in der sie den Iran auffordern, das Atomabkommen von 2015 vollständig einzuhalten und weitere Gewalt zu unterlassen. „Kehren Sie zur uneingeschränkten Einhaltung zurück“, hieß es in der Erklärung des Büros des französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Definitiv ist die gemeinsame Stellungnahme ein Dokument der Machtlosigkeit. Dass das Abkommen nun definitiv tot sei, machte der iranische Aussenminister Javad Zarif deutlich. Teheran werde keine Beschränkung der Anzahl seiner Zentrifugen mehr vornehmen, twitterte Zarif. „Es war von Anfang ein Fehler, allein auf das Atomabkommen zu setzen“, sagt Jan Techau vom „German Marschall Fund“, einer unabhängigen Denkfabrik für transatlantische Angelegenheiten. Die europäischen Spitzenpolitiker haben das Verhalten Irans in der Region mit der Beteiligung an den Kriegen in Syrien und Jemen ausgeblendet. Jetzt blenden sie die Proteste der Bevölkerung gegen das Regime aus. Genau diese Bevölkerung verdient aber unsere Solidarität und Unterstützung.