Eindrücklich. Elf junge Liechtensteiner im Alter von 14 bis 19 Jahren beeindrucken dieser Tage mit dem zeitlosen Theaterstück „Wehret den Anfängen!“, das den Alltag in einem totalitären Staat schildert.
1937 schrieb der österreichisch-ungarische Diplomatensohn Ödön von Horvath ein Werk, das als Antikriegsroman in die Geschichte einging: „Jugend ohne Gott“. Das Buch erschien in einem Amsterdamer Exilverlag. Die Hauptfigur darin ist ein junger Geschichtslehrer, der als namenloser Ich-Erzähler seinen Alltag im Dritten Reich schildert. Obwohl er gegen die Nationalsozialisten ist, verhält er sich aus Angst systemkonform. Er stellt seinen Beruf immer mehr in Frage. Erst als in seiner Klasse ein Mord geschieht, zwingt ihn sein Gewissen zur Stellungnahme. Dieser Stoff dient der U21 des Jungen Theaters Liechtenstein als Grundlage. Die Jugendlichen setzen sich mit dem Konflikt jedes Einzelnen in einer menschenverachtenden Gesellschaft auseinander und konnten bei der Premiere mit ihrem Interesse am Schauspiel ihre Klassenkameraden, Eltern und Verwandte überzeugen.
Die liechtensteinische Inszenierung, für welche Peter Paul Beck, Schauspieler und Schauspielpädagogik aus Kärnten, Regie führte, beginnt mit lauter Hardrockmusik. Das schlicht gehaltene Bühnenbild, bestehend aus 22 weissen Würfeln, erfüllt mehr als seinen Zweck. Sogleich strömt eine Gruppe von Schülern – allesamt in weissen Hemden und schwarzen Hosen gekleidet – auf diese zu. Sie unterhalten sich, jemand schreibt Tagebuch. Eine Typische Szene aus dem Schulalltag. Plötzlich betreten zwei andere Mädchen die Szene und erzwingen sich die Aufmerksamkeit der anderen. Es entsteht eine Situation, die von Gruppenzwang dominiert wird. „Entweder du unterschreibst, oder wir schneiden dir die Haare ab“ wird einem Mädchen gedroht. Die Gruppe fordert, dass sie fortan von einer anderen Lehrperson unterrichtet werde, weil sie kein Vertrauen mehr in die Lehrkraft habe. Bespitzelung und Verachtung nehmen Überhand. Die nächste Szene spielt in einem Zeltlager, das damals als vormilitärische Ausbildung durchgeführt der körperlichen Ertüchtigung diente. Die Jugendlichen werden zum Kriegsspiel angehalten, laute Maschinengewehrsalven zerfetzen die Stimmung.
Drei Monate lang haben die Jugendlichen zusammen mit Regisseur Peter Paul Beck fleissig geprobt. Die Mühen haben sich gelohnt, denn die Inszenierung von „Wehret den Anfängen!“ ist gelungen und die Freude der Darsteller am Spiel selbst bringen sie überzeugend zum Ausdruck. Manchen Jugendlichen ist ihre zugeteilte Rolle wie auf den Leib geschrieben. Die Ich-Perspektive des Romans wird über ein Schattenspiel dargestellt, was das Ganze in eine andere Perspektive rückt.
Höhepunkte im Stück gibt es einige. Zum einen die Szene mit dem Kuss oder etwas später im Gerichtssaal. Auch starke Verbalisierungen bleiben beim Zuschauer hängen: „Der Fisch muss geködert und gefangen werden.“ Oder: „Die Ausländerin fährt zu den Ausländern – nach Afrika.“ Bei der Premierenfeier gab es für jeden Darsteller als schönes Andenken eine Schatulle, auf der wie bei jener im Stück zu lesen stand: „Wer dies öffnet, der stirbt.“ 1938 setzten die Nationalsozialisten Horvaths Roman auf ihre „Liste des schädlichen und unerwünschten Schrifttums“. Heute gilt er als moderner Klassiker. Angesichts heutiger rechtsextremer Haltungen sowie zunehmender Fremdenfeindlichkeit sowie rassistischer Angriffe auf Flüchtlingsheime besitzt der Inhalt bedrückende Bezüge zur Gegenwart, welche aktueller nicht sein könnten.
Weitere Aufführungen im jungen THEATER liechtenstein, Zollstrasse 52 in Schaan/Liechtenstein:
- Mittwoch, 5. Februar um 19 Uhr (öffentlich)
- Donnerstag, 6. Februar um 10 Uhr (für Schulen)
- Freitag, 7. Februar um 10 Uhr (für Schulen)
- Sonntag, 9. Februar um 19 Uhr (öffentlich)
- Montag, 10. Februar um 14 Uhr (Zusatzvorstellung für Schulen).
Reservation: Tel. +423 232 1444 oder online: www.jungestheater.li