Und er rollt noch immer, der Fels

© Bandi Koeck

FOTOGRAFIEREN AM FUSSE DER SCHATTENBURG

In der Feldkircher Schmiedgasse gibt es einen unscheinbaren Ort, der schon fälschlicherweise als „Museum“ bezeichnet wurde und eigentlich ein Fotostudio ist, in dem jemand arbeitet, der das vielleicht letzte Original der Montfortstadt ist: Friedrich Fels.

Fotos & Text: Bandi Koeck

Der stets schwarz gekleidete Mann mit dunkler Hornbrille sitzt inmitten seines mit einem weinroten Vorhang verdunkelten Ateliers gegenüber des geschichtsträchtigen Feldkircher Rathauses. Es wird zum gerade zu Ende gegangenen 800-Jahr-Jubiläum gerade saniert. Mit ernster Mine blättert er eine Seite nach der anderen durch. Es ist seine Biografie, welche er vergangenes Jahr, als ihn eine längere Krankheit ans Bett fesselte, auf seiner alten Schreibmaschine getippt hatte. „Ich bin der Sohn eines Lehrers und einer nicht ganz ausgebildeten Opernsängerin“ blickt Friedrich Fels, Jahrgang 1948, kurz auf und widmet sich dann wieder dem Blätterwerk. Seine Kindheit in der Felsenau sei glücklich verlaufen, außer einigen Schönheitsfehlern schulisch bedingter Natur. „Ich ging nämlich noch in die letzte Klasse der Handelsschule, die mit zwei Jahren abgeschlossen werden konnte“ so Fels, der immer schon ein Lausbub war. „Wäre ich durchgefallen, hätte ich vier Jahre müssen.“ Da sein Großvater vor dem Krieg mit „Heinbach & Schneider“ eine der größten Baufirmen des Landes besessen habe, hätte er die Gewerbeschule besuchen müssen. Stolz berichtet der korpulente Mann von diesem Großvater, der die erste Betonspannbrücke Europas baute: „Er war ein Genie.“ Auf der Schule blieb Friedrich Fels nicht lange, da er eine Schlägerei nach der anderen hatte und bald aus dem Heim flog, in das ihn seine Eltern gesteckt hatten. Das „Enfant Terrible“ war in Feldkirch stadtbekannt. Zusammen mit Dr. Schauer wollte Fels in Frastanz in der Alten Schmiede ein Kulturzentrum gründen, aber in allen Ecken mangelte es an Geld, obwohl ihnen die Firma Ganahl (heutige Vorarlberger Museumswelt) das Areal kostenlos zur Verfügung gestellt hätte. „Zur wahren Freude von Altbürgermeister Harald Ludescher habe ich über Kies Nachbaur einen LKW mit Kies in die alte Schmiede kippen lassen, den er später herausschaufeln musste“ lacht er spitzbübisch. „Wir waren zu viele Individualisten ohne Geld, so verlief die Sache im Sande.

Der Mann, der sich nicht traut

So wurde Fels von heute auf morgen Kunstmaler. Man schrieb das Jahr 1971, das Gedankengut der Hippies faszinierte auch ihn. Wie ein junger Picasso malte er in der Nacht in seinem Kelleratelier. „Um drei Uhr morgens kamen meine Freunde und dann war Ramba-Zamba, denn meine Stereoanlage hörte man bis zur Kirche in Tosters“ lacht er schallend. Er werde bis zum heutigen Tag noch darauf angesprochen. Damals habe er mit einer Schauspielerin zusammen gelebt, die ihn heiraten wollte. „Daraufhin ergriff ich sofort die Flucht. Auch die täglich durch die Dame bereitgestellten zwei Flaschen Whiskey halfen da nichts“ grinst er über beide Ohren. Doch ohne diese Frau, die seinen Grundstein für die spätere Fotografenkarriere gelegt habe, hätte er wohl einen ganz anderen Weg eingeschlagen. Kurz darauf fuhr Fels mit seiner berühmten Baskenmütze im Bahnwaggon nach Dornbirn: „Es war wie ein Abtransport zur Schlachtung, denn ich musste ins Labor von Foto Winsauer“ verfinstert sich sein Blick. Einen Monat lang hätte der Problemjunge, wie er sich selbst bezeichnet, dort nur zuschauen und seine revolutionären Sprüche klopfen dürfen. „Schließlich musste ich re-sozialisiert werden, weil ich so asozial war“ sagt Fels und gibt offen zu: „Durch meinen übermäßigen Alkohol- und Drogenkonsum mit Marihuana und LSD war ich richtig abgestürzt und psychisch geschädigt.“ Der junge Freidenker habe psychische Engpässe erlebt. Es folgten zwei Nervenzusammenbrüche im Labor, wo er für das Vermessen von Bildern am Hauptvergrößerer zuständig war. Seinen letzten Nervenzusammenbruch führt Fels auf die Tatsache zurück, dass er keine Sonne mehr gesehen habe: „Ich habe jeden Straßenkehrer beneidet, der Tageslicht hatte.“ Die Arbeit in der Dunkelheit, der Stress, die Hitze durch Lampen und Gebläse gipfelten in einem Burnout. Fels kündigte nach zwei Jahren und konnte dann ein ganzes Jahr nichts mehr tun.

Doppelt hält besser

Nach der Meisterprüfung im Sommer 1974 machte sich der junge Fotograf im Februar 1975 selbstständig. Durch Grafiker Silvio Raos oder Dr. Bildstein geriet er in die Werbebranche. Seitdem ist Fels am selben Standort in Feldkirch: Das Studio ist im Stil der 1970er Jahre eingerichtet. Weil er der Platzhirsch war, wollte er nie weg. Es folgten Tausende Familienfotos, Kinderserien, Hochzeiten und Portraits – die Lage in der Nähe der Bezirkshauptmannschaft sei sein Trumpf. 1978 folgte die eigene Hochzeit mit Margit. „Sie brachte etwas Ordnung in meinen Sauhaufen rein, denn ich war bekannt für meine lockere Art.“ Margit gebar ihm zwei Söhne. Nach dreizehn Ehejahren kam die Scheidung. Nur fünf Jahre später beschlossen die beiden erneut „Ja“ zueinander zu sagen und heirateten in Las Vegas. „Wir beide sind nicht nur Zwilling im Sternzeichen sondern dieselben Chaoten“. Heute sieht es anders aus: Sein Studio wurde um die Hälfte verkleinert, eine Wand und eine zusätzliche Türe eingezogen. So arbeiten Herr und Frau Fels nun Tür an Tür. Er im Fotostudio und sie in ihrer Boutique. Beide sind bereits in Pension, gehen aber weiterhin arbeiten, denn der Apfel fällt bekanntlich nicht weit vom Stamm: „Mein Vater hat bis 70 unterrichtet und hätte das auch noch mit 80 gemacht“ so Fels, der sich nicht vorstellen kann, „seinen Arsch im Gasthaus wund zu sitzen.“ „All schö“, sei schließlich „nia schö“ und er habe lieber Urlaub und Freizeit wie ein Arbeiter, nicht dauernd frei wie ein Pensionist.

Für die Zukunft hegt Friedrich Fels noch den einen oder anderen Plan: Zuhause das Atelier am Blasenberg aufzubauen und wieder zu malen. „Halt mit etwas mehr Kontinuität.“ Er glaubt zudem an ein Comeback der analogen Fotografie, auch wenn dies nur im kreativen Bereich geschehen möge. Seine Hasselblad steht – zwar etwas verstaubt – auf einem Stativ allzeit bereit zur Verfügung.

Zur Person

© Friedrich Fels
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