Von Dr. Albert Wittwer
„Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand entscheidet.“
Es ist wahr, daß man das aktuelle Regierungshandeln in der Krise loben kann. Vielleicht mit der Ausnahme der Skitourismus-Hotspots. Es wäre auch anders gegangen. Zwei befreundete Hotelierinnen machten an weniger glamourösen Standorten im Großen Walsertal ihre Häuser vierzehn Tage früher zu, schickten die Gäste geordnet und unversehrt nach Hause. Demgegenüber ist der Impakt der Verspätungen, Verzögerungen in Tirol und auch in Vorarlberg beträchtlich.
Dennoch ist in den Medien eine Art Heldenverehrung zu beobachten. Die folgt einer klerikal angehauchten Inszenierung. Der Führer in der Mitte, links und rechts in gebührendem Abstand die Ministranten. Der Autorität zu vertrauen ist ein Grundbedürfnis. „Wem Gott ein Amt gibt, gibt er auch Verstand“. Das ist nicht neu. In einer Meta-Studie hat man die – bei allen Völkern auftretenden – fünf moral instincts, moralischen Grundhaltungen, identifiziert. Eine davon ist die Bereitschaft der Menschen, der Autorität zu vertrauen. Das hat in der langen Menschheitsgeschichte wohl das Überleben begünstigt. Die demokratische Entscheidungsfindung ist ja eine späte Erfindung der Zivilisation. Und das gemeinsame Entscheiden setzt wohl die Zivilisation voraus. Und ist dann der Einzelentscheidung – wie umfangreich bewiesen – überlegen. Das behindert offenbar nicht die Sehnsucht nach dem starken Führer, dem man vermeintlich die Verantwortung überlassen, dem man blind vertrauen kann. Jedoch: die Autoritäten diskreditieren sich vielfach durch das Fehlen ethischer Substanz, als von „Größe“ oder Nation brambarasierende Machthaber.
Die höchste Autorität, die eine säkulare Gesellschaft vergeben kann, wird durch die Wahl verliehen. Sie geht mit einer Fülle von Machtbefugnissen einher. Menschen, denen die Macht längere Zeit verliehen ward, neigen dazu, das umzudrehen, die Autorität aus der Macht abzuleiten. Das funktioniert nur, wenn wir, die Untergebenen, die Machtunterworfenen, es verinnerlichen. Also aus der bloßen, gut inszenierten Machtausübung auf die Legitimität des Machthabers, es sind ja mit der Ausnahme von Frau Bierlein immer Männer, schließen.
Gut, in Vorarlberg haben wir eine Vorgeschichte als „Unrübige“, als freie „Gemeine Männer“, von Landständen, die nur mit Bauern und Bürgern besetzt waren mit hohen politischen Befugnissen. Das hat erst der mariatheresianische Absolutismus beseitigt. Ich halte es für gut, sich daran zu erinnern. Die Macht kommt nicht von Gottes Gnaden, es sind wir – die selbstbewußten Frauen und Männer – die sie verleihen und auch bei Wahlen wieder entziehen, indem wir uns „der Machthaber unblutig entledigen“.
Es sind vor allem die staatlichen Institutionen, die sich derzeit überaus bewähren. Das Gesundheitswesen funktioniert hervorragend. Ein komplexes System von staatlicher Hilfe wird eingerichtet, das nur liefern kann, weil es sich auf eine gut ausgebildete, vorgefundene Verwaltung stützt. Die Privatwirtschaft leistet vor dem Hintergrund eines kompetenten Staates beste Versorgung mit Lebensnotwendigem. Die totgesagte Sozialpartnerschaft erlebt eine Renaissance. Die Qualitätsmedien und der öffentliche Rundfunk informieren prompt, ungeschminkt und aufrichtig. Und gesellschaftlich ist eine große Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft wahrzunehmen. Das stimmt mich zuversichtlich und dankbar.
Es wird aber nach Ende der Krise nicht mehr alles so sein, wie es war. „Krisen beschleunigen historische Prozesse“. Damit es gut wird, mögen wir als Zivilgesellschaft aufmerksam sein, uns einbringen, unsere politischen Rechte aktiv ausüben. Denn der Souverän entscheidet auch, wann Schluß ist mit dem Ausnahmezustand – „und nach welchen Regeln weitergespielt wird“. Der Souverän, das sind wir!
Zitate: Carl Schmidt, Jonathan Haidt, Karl Popper, Yuval Noa Harari. Giorgio Agamben.
„Der Souverän das sind wir“, oje das stimmt nur Teil bedingt.
Ein souverän solte permanent zusammen halten, tut er das?
Das Volk als souverän ist leider nur zum Teil möglich, leider und zum Glück.