Seit Jahren verfolgt das Haus Klosterreben in Rankweil das Konzept, den Bewohner einen möglichst vertrauten Alltag zu bieten, den sie von früher her kennen. Bemühungen, die vor rund sieben Wochen durch Corona zunichtegemacht wurden. Seither ist in der Rankweiler Vorzeige-Einrichtung nichts mehr so wie es einmal war. Zwei Pflegerinnen, eine FH Praktikantin und der Heimleiter erzählen vom herausfordernden Alltag in Corona-Zeiten.
„Wir sind belastende Situationen gewohnt, aber die Schwere, welche seit der Kontaktsperre in der Luft liegt, geht auch uns unter die Haut“, erzählt Fabienne Vogt, Bereichsleiterin im Haus Klosterreben. Viele BewohnerInnen sind unendlich traurig, haben Angst und fühlen sich einsam. „Die psychischen Veränderungen wirken sich auch körperlich aus“, ergänzt Bianca Sonderegger, FH Studentin im Praktikum. Auch sie berichtet von einem zunehmenden gesundheitlichen und körperlichen Abbau vieler Bewohner und vermutet den Grund dafür in den stark reduzierten Kontakten sowie der körperlichen Distanz.
Arbeiten unter großem Druck
Derzeit arbeiten die rund 60 Pflege- und Betreuungskräfte im Haus Klosterreben am körperlichen und emotionalen Limit. „Durch die bestehenden Ausgangsbeschränkungen in der Freizeit gerät die Work-Life-Balance zunehmend aus dem Gleichgewicht. Es wird immer schwieriger, eine positive Grundstimmung aufrecht zu erhalten. Jeder Tag länger kostet mehr Kraft: Sei es durch die erschwerte Zusammenarbeit mit den Hausärzten, oder den Mehraufwand, den wir für Aktivitäten innerhalb unserer Wohngruppen aufbringen müssen. Zudem ist das Arbeiten mit Nasen-Mundschutz für alle MitarbeiterInnen sowohl psychisch als auch physisch eine hohe Belastung. Insbesondere bei den steigenden Temperaturen wird die Pflege hinter einer Maske zu einer schweißtreibenden körperlichen Belastung“, berichtet Pflegeassistentin Tanja Breuß.
Auch Mario Gonner, Leiter des Haus Klosterreben, macht sich Sorgen um seine Mitarbeiter: „Wir stehen alle unter großem Druck. Jeder hat trotz strenger Hygienevorgaben Angst, die Krankheit mit ins Haus zu bringen. Das geht sogar so weit, dass sich PflegerInnen zu Hause vom Rest der Familie isolieren, um nur ja kein Risiko einzugehen.“
„Corona raubt Lebensfreude“
Trotz all dieser eigenen Belastungen gilt die größte Sorge dem Wohl der Bewohner: „Miterleben zu müssen, wie die Vereinsamung der Menschen ihnen ihre restliche Lebensfreude raubt, ist kaum zu ertragen, sagt Fabienne Vogt. Viele BewohnerInnen erinnern sich in dieser Situation an ihre Kriegserlebnisse und sprechen von einem „Gefängnis“. Dabei unternehmen die Pflegekräfte alles, um mit den BewohnerInnen in Kontakt zu bleiben. „In der Schutzkleidung haben uns viele gar nicht mehr erkannt. Vor allem der Nasen-Mundschutz ist für viele nach wie vor irritierend. Damit die BewohnerInnen wissen, mit wem sie gerade sprechen, tragen wir nun alle ein Portraitfoto von uns auf der Kleidung.“
Wie auch vor der Corona-Krise finden zahlreiche Aktivitäten statt, um die Stimmung im Haus anzuheben und den Tag sinnvoll zu gestalten. „Wir backen Brot, grillen, stricken, bewegen uns im Garten und musizieren gemeinsam unter Einhaltung des Sicherheitsabstands. „Wir haben nicht nur die Verpflichtung zur körperlichen Pflege – es geht auch um das psychische Wohlbefinden unserer Bewohner“, so Mario Gonner.
Großer Zusammenhalt
Der Einsatz der Belegschaft geht sogar so weit, dass sie einen eigenen kleinen Markt im Haus auf die Beine gestellt haben. „Wir tun alles dafür, um eine Tagesstruktur aufrecht zu erhalten, sagt Leiter Mario Gonner. Man merkt ihm an, wie stolz er auf sein Team ist: „Jeder tut sein Möglichstes, um gut durch diese Zeit zu kommen. Ohne diesen Zusammenhalt wäre es kaum möglich, diese belastende Situation über Tage und Wochen durchzustehen.“ Denn es gibt immer wieder Situationen, welche emotional sehr belastend sind: Mario Gonner erzählt von einer Bewohnerin, um die es gesundheitlich sehr schlecht steht und deren Tochter sie eigentlich nicht mehr hätte besuchen dürfen. Gemeinsam wurde daraufhin eigens ein Raum reserviert, in welchem ein Zusammentreffen zwischen Mutter und Tochter zumindest aus Distanz möglich ist. „Das ist sicherlich ein Ausnahmefall. Ich bin sehr froh, dass die beiden zumindest auf diesem Weg zweimal pro Woche miteinander sprechen können und dass die Bewohnerin so zumindest noch einen Funken Leben spüren kann.“ Die Tochter darf den Raum nur mit Schutzkleidung betreten, eine Umarmung oder Hände halten sind jedoch nicht möglich. Vor und und nach dem Besuch muss das Zimmer jeweils gründlich desinfiziert werden.
Zaungäste geplant
Besuche wurden im Haus Klosterreben schon vor dem Erlass der Bundesregierung eingestellt. Das Betreten des Hauses für externe Personen ist nach wie vor nicht erlaubt. Dennoch versucht die Belegschaft durch regelmäßig per Post versendete Zeichnungen, Fotos und Briefe den Kontakt zu den Angehörigen aufrecht zu erhalten. „Auf unserer Website können sich Angehörige für einen Videochat anmelden. So gut diese Möglichkeit auch ist, viele unserer BewohnerInnen sind mit dieser Technologie überfordert. Sie verstehen nicht, dass das ihre Angehörigen sind, die im Videochat sprechen.“ Mario Gonner ist daher sehr froh über die angekündigten Lockerungen bei den Besuchskontakten ab Anfang Mai. „Wir arbeiten derzeit an einem Konzept für ‚Zaungespräche‘ – das bedeutet, dass es zumindest einen direkten Sicht- und Sprechkontakt zwischen Angehörigen und Bewohnern aus sicherer Entfernung geben wird.“
Der Heimleiter betont, dass man weiterhin alles erdenklich Mögliche unternehmen werde, um den Menschen im Haus Klosterreben Normalität zu vermitteln. Auf die Frage, was er sich derzeit am meisten wünscht, antwortet er: „Es wäre schön, bald wieder das Lächeln unserer Pfleger ohne Nasen-Mundschutz zu sehen.“ Er zeigt sich optimistisch, dass dieser Wunsch irgendwann in Erfüllung gehen wird. „Am Ende wird alles gut – und wenn es noch nicht gut ist, ist es noch nicht zu Ende“, ergänzt er augenzwinkernd.