Schwedische Serien sind oft sehr unterhaltsam (Tipp der Redaktion für alle Leser, die in einer Patchworkfamilie zuhause sind: „Bonusfamilien“), können aber im Falle unserer heutigen Serienrezension „Kalifat“ auch schwereren Tobak beinhalten, auch wenn sie dem „Cine Sverige“ durchaus die Stange halten.
Der Plot: Eine junge Mutter namens Pervin (überzeugend dargstellt von der türkischen Schauspielerin Gizem Erdogan) steht vor einem großen Dilemma. Zusammen mit ihrem Mann Hasum (Amed Bozan) ging sie nach Syrien, um dem Islamischen Staat zu dienen. Doch dort ist es alles andere als in ihren schönen Fantasien in Europa ausgemalt. Sie möchte nur mehr eines, weg und das am liebsten zusammen mit ihrem Mann und dem Baby. Das Problem stellt ihr Mann, der eigentlich die Familie schützen sollte, dar. Er ist Mitglied von ISIS und kämpft an vorderster Front. Das erklärte Ziel ist es, die Ungläubigen dem Erdboden gleichzumachen. Neben der einen weiblichen Portagonistin gibt es eine weitere, eine muslimischstämmige Polizistin namens Fatima (Aliette Opheim), welche einen von der IS in Syrien geplanten Bombenangriff gegen Schweden verhindern möchte. Jetzt kommt der sog. „mysteriöse Reisende“ (Lancelot Ncube) ins Spiel, der als gut integrierter, Vorzeigemuslim als Assistent in einer schwedischen Schule schwachen Schülern hilft. Doch er hat mehrere Gesichter und ein ganz besonderes Tattoo. Zudem hat er es auf seine Schülerinnen Sulle (Nora Rios) udn Kerima (Amanda Sohrabi) abgesehen, die ihm regelrecht aus der Hand fressen und seinen Zielen dienlich sind.
In nur acht fünfzigminütigen Folgen schafft es die eine Staffel die Zuschauer in den Bann zu reißen. In gekonnt dargstellten Szenenwechsel zwischen Schweden und Raqqa, der westlichen Kultur und der islamistischen, bekommt der Zuschauer tiefe Einblicke in die Welt des Islamischen Staates, in das Kalifat und erkennt, wie verdammt schmal der Grat ist, auf dem eine sekuläre und gut integrierte Schülerin mit Migrationshintergrund zu einer strenggläubigen Muslima und Selbstmordattentäterin verwandelt respektive gebrainwashed werden kann.
Wir alle kennen die schrecklichen Bilder und Szenarien des Syrienkrieges oder aus Afghanistan von unzähligen Medienberichten. In Kalifat sind wir mitten drin in diesen Geschehnissen, im Alltag und auch in der Gedanken- und Gefühlswelt der Protagonisten. Ohne zu werten zeigt die Serie auf, wie gut organisiert die Terroristen international sind, wie leichtgläubig gewisse Mädchen der sog. YouTube-Generation und wie unbeholfen die Polizei, weil ihnen von gesetzeswegen die Hände gebunden sind.
- Kalifat, Netflix 2020, 1 Staffel mit 8 Folgen à 50 Min
- Mit: Aliette Opheim, Gizem Erdogan, Amed Bozan
- Von:Wilhelm Behrman, Niklas Rockström
- Prädikat: Sehenswert, am besten in einem Serienmarathon an einem nasskalten Wochenende