Mit unerwartetem Umweg: Zwischentöne präsentieren „Umwege nehmen“

© Victor Marin

Landtagsabgeordnete am Küchentisch, Konzertspaziergänge durch die Stadt und eine Uni auf Zeit: Vom 26. Juni bis 1. September 2020 eröffnen die Montforter Zwischentöne kulturelle Möglichkeiten, die bis vor kurzem noch unvorstellbar waren. Den Sommerschwerpunkt „Umwege nehmen“ – als Thema schon lange vor dem Shutdown gesetzt – präsentiert das Festival mit inhaltlichem Update als „Corona Edition“.

Welchen Unterschied macht es, ob wir einen Umweg freiwillig wählen oder gezwungenermaßen? Wer sagt, dass Stadtluft frei macht – und warum? Und wieso lässt sich Kultur nicht hamstern?

Neue Formate, neue Sichtweisen

Viele Fragen, die beim Erstentwurf für den Sommerschwerpunkt 2020 der Montforter Zwischentöne als relevant erschienen, gerieten kurz darauf in völlig neue Blickwinkel. Nach der umfassenden Erfahrung eines kulturellen Stillstands war klar, dass nicht nur neue Formate, sondern auch neue Sichtweisen gefragt sind. Aus ursprünglich sieben geplanten Salon Paula-Abenden mit Musikerinnen und Umwege-Experten werden nun 35 – mit fast allen Abgeordneten zum Vorarlberger Landtag. Zudem erlaubt die Kombination philosophischer Videostreams mit improvisierter Musik eine neue, raumübergreifende digitale Präsenz und Zugänglichkeit.

Geht es noch toter? Corona-Updates der Totenreden auf Gewissheiten, Privatsphäre und Muße

Den Höhepunkt der Montforter Zwischentöne im vergangenen Februar bildeten die drei Performances in Form von Begräbnisreden auf „die Gewissheiten“, „die Privatsphäre“ und „die Muße“. Namhafte Denker waren mit Nachrufen zu diesen Themen beauftragt worden. Die drei ausverkauften Abende mit ihren erhellenden Reflexionen über die Ursachen des Verschwindens der drei „Verstorbenen“ setzten sich jedoch auf unheimliche Weise fort: In den Monaten zwischen Stillstand und Wiedereröffnung wurden scheinbar unverrückbare Gewissheiten innerhalb von Stunden über den Haufen geworfen, der Begriff der Privatsphäre erfuhr eine Neudefinierung und die verloren geglaubte Muße feierte als wiederauferstandener Kurzarbeits-Zombie ein bedrückendes Comeback. 

Anlass genug, um Peter Schaar und Thomas Macho sowie Alice Lagaay um ein Corona-Update ihrer Totenreden zu bitten. Diese Reden sind digital und mit Trauermusik von Juan Carlos Díaz an der Querflöte und Raphael Brunner am Akkordeon – gemeinsam „Das Kollektiv“ genannt – zu hören. Als Stream am 26., 27. und 28. Juni jeweils um 20 Uhr unter www.montforter-zwischentoene.at.

Marktgasse Feldkirch. © Magdalena Türtscher

Home office. Home politics?

Salon Paula bietet Landtagsabgeordnete, Musikerinnen und Experten zum Ausleihen

Seit Beginn der Montforter Zwischentöne bietet das Format „Salon Paula“ die Möglichkeit, Musiker und Expertinnen als Dialogpartner in die eigenen vier Wände einzuladen. Zum aktuellen Schwerpunkt wird nun erstmals auch ein umfassender politischer Diskurs gestartet. Vom 7. Juli bis zum 30. August 2020 werden nicht nur Musiker und Expertinnen, sondern auch der gesamte Vorarlberger Landtag in verschiedene Haushalte eingeladen. Ob Wohnung, Wohngemeinschaft oder Haus mit Garten – Bewerbungen sind bis 30. Juni 2020 online möglich.

„Wir möchten zur Diskussion jener Kernfragen der Gesellschaft beitragen, die insbesondere in der Corona-Krise aufgeworfen wurden: von der Abstimmung zwischen individueller Sicherheit und wirtschaftlicher Not über den Schutz der Privatsphäre bis zum Umgang mit ordnungspolitischen Maßnahmen und mehr“ erklärt Edgar Eller, Geschäftsführer der Stadtkultur Feldkirch. „Wir haben gelernt, dass die Gesellschaft zu sehr viel bereit ist, wenn die Hütte brennt. Kunst und Kultur sind in den letzten Monaten weder wie Lebensmittel gehandelt noch gehamstert worden. Sie werden aber unsere Wegweiser sein, wenn wir nach den Umwegen der Krise auf einer Lichtung stehen – und uns als Gesellschaft fragen, wohin die Reise nun gehen soll.“

Salon Paula. © Victor Marin

Endlich wieder Live-Musik!

Ein Konzertabend mit mehreren Auftritten an den schönsten Plätzen der Stadt

Am 8. August laden die Zwischentöne zum Flanieren durch die schönste Altstadt des Landes ein. Erlesene Ensembles des Symphonieorchesters Vorarlberg und die legendäre Wiener Band »Café Drechsler« spielen an malerischen, verborgenen und originellen Plätzen der Stadt. Ein kühles Glas Wein und ein kurzer Spaziergang machen die Zeit zwischen den Konzerten zum Genuss. 

Kooperation Montforter Zwischentöne und poolbar Festival  

Das poolbar Festival bespielt im Rahmen seines „Raumfahrtprogramms“ eine Spielstätte des Konzertspaziergangs. Von der Waldbühne beim Alten Hallenbad aus bringt „Café Drechsler“ das Reichenfeld zum Erklingen. Das legendäre Wiener Trio, bestehend aus Alex Deutsch am Schlagzeug, Oliver Steger am Kontrabass und Ulrich Drechsler am Saxophon, war eine der ersten und wichtigsten Bands der akustischen Clubmusik in Österreich.

TU Feldkirch – Eine temporäre Universität für den Dialog zur Zukunft der Stadt

International tätige Wissenschaftler mit Feldkircher Wurzeln stellen im Rahmen der Montforter Zwischentöne alljährlich ihre Arbeit vor und führen einen Dialog zur Zukunft der Stadt. Sie lassen ihr Publikum einen Blick in ihre außergewöhnlichen Kompetenzfelder werfen und diskutieren die Wahrnehmung ihrer Heimatstadt heute – aus ihrer teils langjährigen Außenperspektive. „Die TU Feldkirch bietet nicht nur die Möglichkeit, einen persönlichen Einblick in aktuelle technologische und gesellschaftliche Trends zu erhalten, sondern auch inspirierende Gespräche für alle, die sich für Gemeinwohl in der Stadt engagieren,“ ist Hans-Joachim Gögl, künstlerischer Leiter der Zwischentöne, überzeugt. 

In diesem Jahr haben die Zwischentöne den Computerwissenschaftler und „Oscarpreisträger“ Bernd Bickel und den Ökonomen Maximilian Hirn, tätig für die Weltbank in Washington, zurück nach Feldkirch eingeladen. Bernd Bickels Forschung ist u. a. verantwortlich für die Mimik des Schurken Thanos im letzten Avengers-Film und Maximilian Hirn ist verantwortlich für Infrastrukturinvestitionen sowie Studien für Länder wie Liberia, Kongo, Afghanistan, Pakistan und Indien. Am 1. September halten sie zwei Kurzvorträge und eine Podiumsdiskussion. Moderiert wird der Abend im Montforthaus von Wolfgang Burtscher.

Café Drexler. © Max Parovski

Programm zu „Umwege nehmen“

26. Juni bis 01. September 2020

Corona Update 1

Das Begräbnis der Gewissheiten. Ein Nachruf der Philosophin Alice Lagaay. Musik: „Das Kollektiv“. Freitag, 26. Juni 2020, 20 Uhr Stream und nachzuhören unter www.montforterzwischentoene.at 

Corona Update 2

Das Begräbnis der Privatsphäre. Eine Rede von Peter Schaar, ehem. Bundesdatenschutzbeauftragter Deutschlands. Musik: „Das Kollektiv“. Samstag, 27.Juni 2020, 20 Uhr Stream und nachzuhören unter www.montforterzwischentoene.at

Corona Update 3

Das Begräbnis der Muße. Trauerrede des Philosophen Thomas Macho. Musik: „Das Kollektiv“. Sonntag, 28. Juni 2020, 20 Uhr Stream und nachzuhören unter www.montforterzwischentoene.at

Salon Paula 

Landtagsabgeordnete, Musikerinnen und Experten zum Ausleihen. 7. Juli – 30. August 2020 in Haushalten in ganz Vorarlberg. Bewerbungen an salon@montforterzwischentoene.at bis 30. Juni 2020.

Konzertspaziergang

Ensembles des SOV und eine Band des poolbar Festivals spielen an den schönsten Plätzen der Stadt. 8. August 2020, 17 Uhr, Altstadt Feldkirch. Tickets: 24 Euro inkl. einem Getränk pro Spielort.

TU Feldkirch – Temporäre Universität

Zwei Kurzvorträge und Podiumsdiskussion mit Technik-Oscarpreisträger Bernd Bickel und Maximilian Hirn, Weltbank Washington. Dienstag, 1. September 2020, 19-21 Uhr im Montforthaus Feldkirch. Tickets: 18 Euro.

  
  
  


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