Bei der Generalversammlung des Roten Kreuzes im Landesverband Vorarlberg in Feldkirch wurde über das abgelaufene Berichtsjahr 2019 Bilanz gezogen.
Rotkreuz-Mitarbeiter sind „Zeitspende-Millionäre“
Das Rote Kreuz ist rund um die Uhr im Einsatz, um Menschen zu helfen. „So waren die rund 1.500 freiwilligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im letzten Jahr 534.000 Stunden im Dienst. Ohne Entgelt. Ohne die Freiwilligkeit wäre unser System nicht mehr finanzierbar“, so Dr. Summer in seinen Ausführungen. Aus diesem Grund hat das Rote Kreuz mit der Freiwilligenkampagne „Wir haben die passende Jacke für dich!“ einen Schwerpunkt gesetzt, um Menschen zu motivieren, sich für das Rote Kreuz zu engagieren. Dieser Schwerpunkt wird beibehalten. „Es ist sehr wichtig, dass wir Menschen finden, die sich ehrenamtlich für die Gesellschaft einsetzen“, so der Präsident.
Digitalisierung: zur Verbesserung der Leistung
Als Dienstleistungsorganisation im öffentlichen Interesse kann das Rotes Kreuz nicht wie ein normaler Betrieb agieren und neue Produkte entwickeln, internationale Märkte erschließen oder wirtschaftlich unrentable Teilbereiche stilllegen. Die Potentiale liegen in der Verschlankung der Verwaltungsabläufe, in der Steigerung der Effizienz und in einem ressourcenschonenden Personal- und Materialeinsatz.
Deshalb startete in der Administration im Landesverband das Projekt der digitalen Dokumentenverwaltung. Im Bildungs-Center wurde die Umstellung auf ein modernes Personalmanagement im Bereich Ausbildung mit Hilfe der Software HR360 eingeläutet und in der Rettungs- und Feuerwehrleitstelle wurden die Einsatzabwicklung, die Dokumentation und die Verrechnung für die ärztlichen Bereitschaftsdienste durchgängig digitalisiert. Ein neuer einheitlicher elektronischer Dienstplan bringt zukünftig allen freiwilligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erhebliche Vorteile bei einem Diensttausch. Im beruflichen Bereich liegt der Vorteil in der direkten Integration der Lohnverrechnung.
In den Bereichen Rettungsdienst, Blutspendedienst und der Rufhilfe ist das Rote Kreuz sehr weit im Einsatz von digitaler Technik. Die gesamte Alarmierung, die Dokumentation aller Daten sowie deren Übergabe zur Verrechnung sind im Rettungsdienst realisiert. Was noch fehlt, ist ein automatischer Datentransfer der Patientendaten in die Krankenhäuser. Im Bereich Blutspendedienst sind alle Abläufe bereits durchgehend digitalisiert. Dort ist mit dem Einsatz von Barcode- und Scantechnologien der höchste Sicherheitsstandard gegeben.
Katastrophenübung „Zug 19“
Im September fand die vom Land Vorarlberg organisierte Großübung „Zug 19“ am Güterbahnhof in Wolfurt statt. Übungsannahme: Frontalkollision zwischen einem Personenzug und einem Güterzug, welcher Gefahrengut geladen hat. Das Rote Kreuz war mit insgesamt 118 Mitarbeitern und 30 Fahrzeugen im Einsatz.
Das Land Vorarlberg blieb in den letzten Jahren vor großen Zugunfällen verschont. Das Zugsunglück im bayrischen Bad Aibling im Februar 2016 mit zwölf Toten zeigte den Blaulichtorganisationen auf, welche logistischen und technischen Herausforderungen ein solcher Einsatz mit sich bringen kann. Deshalb wurde für diese Großübung ein ähnliches Szenario gewählt – mit dem Ziel, Erfahrungen in der Bewältigung von Zugunfällen zu sammeln, das Krisen-Management der verschiedenen Einsatzorganisationen zu überprüfen sowie die organisationsübergreifende Zusammenarbeit zu fördern. Neben dem Roten Kreuz waren bei der „Zug 19“ die Feuerwehr, ÖBB, Wasserrettung, das Krisen-Interventions-Team und die Polizei mit insgesamt rund 500 Personen beteiligt. Zudem rund 100 Personen, welche die verletzten und unverletzten Fahrgäste mimten.
Auch die Wasserrettung nahm daran teil. Bereits in Bad Aibling gab es das Problem, die Verletzten aus dem Schienenbereich nicht rasch abtransportieren zu können. In weiterer Folge wurden dafür Hochwasserboote auf den Schienen eingesetzt und auf diesem Weg zu den Rettungsfahrzeugen gebracht. Der Patiententransport auf Schienen wurde bei der „Zug 19“ erstmals in Vorarlberg gemeinsam getestet. Dabei stellte sich heraus, dass die Boote bei den Weichen zu niedrig und auf jeden Fall technische Nachbesserungen nötig sind.
Das Rote Kreuz zählte 106 Verletzte, sechs Verstorbene und eine Geburt. Alle Patienten haben die Behandlungsstelle durchlaufen und wurden in die fiktiven umliegenden Krankenhäuser abtransportiert. Insgesamt waren 118 Rotkreuzler bei der „Zug 19“ vertreten. Neben den Einsatzkräften zählten dazu auch das Team der realistischen Unfalldarstellung und das Feldküchen-Team der Rotkreuz-Abteilung Hard.
Was war im Nachhinein so besonders an der Übung? Neben dieser öffentlichkeitswirksamen Großübung wurden „Infektionsübungen“ durchgeführt. Darunter versteht man den richtigen Umgang mit einem hochinfektiösen Patienten. Damals konnte niemand ahnen, dass Monate später das Land mit der ersten Epidemie konfrontiert wurde. Die Erkenntnisse aus der Übung waren das Rückgrat vieler erfolgreicher Einsätze.
Corona Krise – Frühjahr 2020
Es fällt zwar nicht in den Berichtszeitraum, dennoch waren die Herausforderungen des Frühjahres 2020 – die Corona-Krise – erheblich. Zu vielseitig waren die Anforderungen an das Rote Kreuz. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter waren in der Bewältigung der vielen Aufgaben schlagkräftig und einsatzbereit. Dazu einige Fakten:
- Sämtliche Testungen mobil und Drive In in Summe rund 22.000.
- Landesweit drei Stützpunkte für Infektionstransporte eingerichtet und betrieben.
- Die Telefonhotline 1450 mit deutlicher personeller Verstärkung und ein Backup-System für Mails betrieben.
- Organisation und Betrieb eines kurativen Ärztebereitschaftsdienstes, welcher für die Visite bei Corona-Verdachtsfällen und für die Unterstützung der Infektionstransporte eingerichtet wurde.
- Unterstützung der Einrichtung der Infektionsambulanzen mit EDV.
- Der Einsatzstab begleitet von Beginn an die Bereiche Personal, Material, strategische Ausrichtung, Beratung der behördlichen Landeseinsatzleitung, interne Strategie. Diese Aufgabe wird von freiwilligen und beruflichen Mitarbeitern ehrenamtlich und unbezahlt geleistet.
- Im Auftrag des ÖRK´s haben wir die SORA Prävelenzstudie, die Statistik Austria Validitätsstudie und die Statistik Austria Prävelenzstudie operativ abgewickelt.
- Im Bereich des Blutspendewesens mussten bei den Abnahmeaktionen Anpassungen vorgenommen werden. Verlangt deutlich mehr Zeit und Toleranz bei den Spendern.
- Die Blutbank führt Plasmaspenden von nachgewiesen COVID-19 infizierten und ausgeheilten Patienten durch. Erste damit hergestellte Plasmen konnten schon erfolgreich bei Patienten eingesetzt werden.
- Die Krise hat auch positive Seiten. So wurden in der Not sehr rasch diverse Web-Applikationen entwickelt, die Schulung der Theorie komplett auf E-Learning umgestellt, viel Erfahrung mit Home-Office gewonnen und Zeiten für Reisetätigkeiten und Meetings mit Videokonferenzen eingespart.
- Sämtliches RKT-Personal wurde nochmals intensiv auf Eigenschutz, richtigen Umgang mit der Schutzausrüstung und taktisch richtigem Patientenzugang trainiert.
- Die Abreise Lech – Gesundheitscheck – wurde eine Woche ohne Verrechnung von Freiwilligen der Rotkreuz-Abteilung Hard geleistet.
„In diesem Zusammenhang möchte ich klarstellen, dass wir nicht wie z.B. in der VN und NEUE vom 18.6. geschrieben Geld bekommen, sondern dass das Land vom Rotkreuz getätigte Ausgaben für Ärzte, zusätzlich angestelltes Personal und vorfinanzierten Sachaufwand refundiert“, erklärt Summer. „Immerhin haben wir allein in den Monaten März und April 4.546 Einsatzstunden ohne Verrechnung und zusätzlich zu unserem Normalbetrieb eingebracht. Ebenfalls nicht verrechnet werden sämtliche Organisationstätigkeiten, die dieser riesige Einsatz erfordert.“
„Diese Leistungen waren nur möglich, weil alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stets gut vorbereitet und im täglichen Rettungsdienst eigenständiges Handeln gewöhnt sind. In Sonderlagen akzeptieren sie das Umschalten auf „Einsatz“, nehmen „Befehle“ an und führen diese konsequent aus. Für diese vorbildliche Einstellung, für das unglaubliche Engagement und jede menschliche Zuwendung möchte ich meine Hochachtung und meinen Dank zum Ausdruck bringen“, so Präsident Summer.
Dank
„Ich danke allen politischen Vertretern des Landes und der 96 Vorarlberger Gemeinden, den Beamten vom Amt der Vorarlberger Landesregierung, die den Anliegen des Roten Kreuzes immer großes Verständnis entgegenbringen. Danke auch an die Verantwortlichen der Vorarlberger GKK für die gute Zusammenarbeit. Verbinden möchte ich diesen Dank ebenfalls mit der inständigen Bitte, dem Roten Kreuz und seiner humanitären Idee auch weiterhin Ihre Unterstützung zu gewähren“, so Präsident Dr. Ludwig Summer. Ebenfalls einen herzlichen Dank an die rund 36.500 unterstützenden Mitglieder und Spender des Roten Kreuzes.
Verabschiedungen
Die Generalversammlung wurde auch als feierlicher Rahmen für die Verabschiedung des Kommandanten Hans-Peter Schwendinger von der Rotkreuz-Abteilung Dornbirn genutzt.
Ein besonders seltener und schöner Abschluss der Generalversammlung war die Verleihung von vier Ehrenmitgliedschaften, nämlich an Alt-Präsident Siegi Gasser, Alt-Kommandant Heiner Klettl, Rotkreuz-Abteilung Bregenz, Alt-Kommandant Norbert Rücker, Rotkreuz-Abteilung Hohenems und Hubert Ess, Rotkreuz-Abteilung Feldkirch.