„Ich habe in Barcelona alles gefunden, um glücklich zu sein“

© Christopher Stark

Seit nunmehr 17 Jahren wohnt der Höchster Christian Schallert in der katalanischen Metropole Barcelona, wo er seinen Traum als Hotelier verwirklichen konnte. Gesellschaft in der pulsierenden Stadt leistet ihm niemand geringeres als seine Sandkastenfreundin aus Höchst, das ehemalige Miss World-Model Veronica Blume. Im Gsi.News-Interview verrät Schallert Details aus seinem bewegten Alltag.

Bevor wir weit zurück blicken in deine Kindheitstage: Wie erging es dir die vergangenen drei Monate aufgrund von Corona?

Christian Schallert: Der Corona Shock hat mich mitten in einer beruflichen Reise in Marrakech getroffen. Plötzlich wurde mein Flug storniert und ich konnte nicht mehr zurück nach Barcelona fliegen. Nach zwei Wochen hat mich dann eine der letzten Maschinen der AUA zurück nach Österreich gebracht. In Wien nachts um 12 Uhr angekommen bin ich dann ohne Pause mit dem Mietauto nach Vorarlberg gefahren. Ich kann von Glück reden, dass ich in dieser Corona-Zeit im Ländle war und soviel Zeit mit meiner Familie und Freunden von früher verbringen konnte. Noch nie hab ich die Natur so schön empfunden. Konnte gar nicht genug bekommen von meinen vielen Ausflügen an den Rohrspitz, Rheinholz, Pfänder und Bregenzer Wald. 

Wie viele andere hat es dich, da du im Tourismussektor tätig bist, schwer getroffen?

Schallert: Ich habe von der Ferne die vorübergehende Schliessung vom Hotel Brummell in Barcelona und deren Folgen koordinieren müssen. Es war ohne Zweifel die schwierigste Zeit meines Lebens. Eine unglaubliche persönliche Herausforderung weil man auch nicht weiß, wann diese Krise endet. So viele Jahre war ich in Barcelona “verwöhnt” vom stets steigenden Tourismussektor. Genau diesen Sektor hat es jetzt aber am allerschlimmsten getroffen. Da muss man durch. Mein Motto: «Im Jetzt leben!» Jeder Tag ist ein neuer Tag. Es macht nicht viel Sinn, sich in diesem Jahr große Ziele zu setzen. Ich freue mich auf 2021, denn ich bin überzeugt, es kann beruflich nur besser sein als dieses Jahr. Das Hotel bleibt noch zu bis 1. September. Aber ich bin jetzt mit einem Teil von meinem Team in einem Landhotel zwei Stunden weg von Barcelona. Ein Schmuckstück namens www.santmarc.es in den Pyrenäen, welches wir seit zwei Jahren professionell managen. Die Freude ist groß, denn es läuft hervorragend. Wir haben eine tolle Auslastung – hauptsächlich von Leuten aus Barcelona, die endlich mal Landluft nach der schlimmen Lockdown-Zeit schnuppern wollen. Fünf Tage in der Woche bin ich jetzt auch an der Rezeption, mache Gartenarbeiten, Pool reinigen und habe gerade eine wirklich schöne Zeit. 

Du bist als jüngstes Kind deiner Familie nach der Pflichtschule an die Fachhochschule gewechselt. Was hast du dort studiert und wie sah damals dein Berufswunsch aus?

Schallert: Nach der HAK-Matura hab ich Betriebliches Prozess- und Projektmanagement an der Fachhochschule Dornbirn studiert. In meinem Freundeskreis kannte ich nicht wirklich Leute im kreativen Bereich. Damals fehlte es mir wirklich an Vorstellungskraft, welche Berufe man später ausüben kann. Darüber hinaus fand ich es zumindest damals nicht optimal, wie man junge Leute im Ländle in die Selbstständigkeit motiviert. Wenn ich nicht mit Eltern aufgewachsen wäre, die selbst das Café Schallert auf die Beine gestellt haben, wäre es mir schwer gefallen, mich so zu entfalten, wie ich das dann auch gemacht habe. Für mich war deshalb klar: Ich mache mal mein eigenes Ding. Mein Ziel zu jener Zeit war es, eine Franchise-Coffeeshop-Kette zu gründen. 

Nach dem Abschluss an der FH bist du als Fotograf tätig geworden und hast heute Aufträge für Konzerne wie VW und jettest in der Welt herum. Wie war die Anfangszeit, was fasziniert dich an der Fotografie und was würdest du als dein Spezialgebiet bezeichnen?

Schallert: Ich habe in meinen ersten zehn Jahren in Barcelona als Fotograf gearbeitet und von technischen Stillleben im Studio, Innenarchitektur-Aufnahmen, über Mode bis hin zu Fotojournalismus alles Mögliche gemacht. Letzteres war mein Spezialgebiet. Quasi raus auf die Straße und das Außergewöhnliche im normalen Alltag in Fotos festhalten. Faszinierend an der Fotografie ist, eine ganze Geschichte mit nur einem Bild erzählen zu können. Nach meinem letzten Job für den deutschen Verlag TASCHEN (ein Coffeetable-Book mit dem Gesamtwerk des Architekten Antoni Gaudí, das jetzt gerade weltweit erschienen ist, Anm.) mache ich eine Pause von der Fotografie, da ich mich auf den Ausbau meiner Hotelmarke «Brummell» konzentrieren möchte. 

Deine fotografischen Motive sind als Ansichtskarten an vielen Kiosken in Spanien erhältlich. Was fotografierst du am liebsten? Und wie kam es dazu? 

Schallert: Ich war immer schon ein Wirtschaftsdenkender und wollte nicht unter der Kunstarmut leiden (lacht). Sprich, ich habe ganz schnell meine Fotos auf Postkarten gedruckt. Da gab es damals eine Marktlücke, die es heute nicht mehr gibt, denn seit ich mit den andersartigen Postkarten auf dem Markt bin, haben fünf andere kleine Unternehmen das ziemlich Gleiche gemacht wie ich. Darin geht es um Streetlife, authentische Augenblicke, viel Humor, Motive, die meine Augen glücklich machen. In meinen besten Monaten habe ich bis zu 15.000 Postkarten im Monat verkauft. Wie kam es dazu? Ich wollte mich immer schon selbstständig machen und fand die Idee damals super. Und ich hab an das Postkartenprojekt geglaubt und dann mit 100 % drauf los. 

Barcelona: Seit 17 Jahren wohnst du nun in der katalanischen Metropole. Was hat dich dahin gezogen, was bedeutet dir die Stadt und wie war das erste Jahr dort?

Schallert: Nach dem Studium verspürte ich den Drang, unbedingt raus in die Welt zu gehen und eine neue Sprache zu lernen. Barcelona war wohl die naheliegendste Wahl: Mittelmeer, Sonne, international, kreativ. Ich habe hier wirklich alles gefunden, um glücklich zu sein. Mit sehr viel Fleiß und Engagement hatte ich immer mit all meinen Projekten hier sehr viel Erfolg. Ich liebe diese Stadt. Weil sie so gut gelegen ist, bin ich auf jeden Fall einmal im Monat irgendwo am Reisen, sodass ich ein bißchen raus aus der Stadt komme. Die Pyrenäen, die Costa Brava, die Balearen (Mallorca) und Marrakesch sind die Zielorte, die ich öfter im Jahr anpeile. 

In Barcelona hast du eine Bruchbude gekauft und dort das sog. LEGO-Apartment (über 30 Millionen Views auf YouTube) errichtet und dieses später wieder verkauft. Wie kam es zu dieser Idee?

Schallert: Das war mein Lebensveränderer und der Anfang von meiner vollkommen neuen Karriere als Hospitality-Manager. Ich war begeistert von der Tatsache, aus einem Taubennest eine James-Bond-Style-Wohnung zu machen. Die Idee entstand, weil ich mit 30 Jahren unbedingt meine eigene Wohnung haben wollte. Und zwar mit Aussicht und Terrasse. Weil sonst alles so teuer war, konnte ich mir nur etwas Kleines leisten. Mit dem Legoapartment lernte ich nicht nur über Architektur und Industriedesign, sondern es machte mich süchtig, mehr in diesem Bereich zu machen. Das kleine Apartment lag schwer im Trend. Nach dem viralen Video auf YouTube hatte ich jede Woche eine Fernsehstation in der Wohnung, die über Microliving in Großstädten berichten wollte. Danach konnte ich mich vor Mietanfragen gar nicht mehr retten und habe dann mit Airbnb angefangen. 

Später fandest du an einem guten Standort ein leerstehendes, heruntergekommenes Gebäude, hast einen Investor gesucht, den du in deinem Familienkreis gefunden hast und dort das heutige Hotel Brummell errichtet. Wie würdest du das Brummell bezeichnen? Was macht es zu etwas Besonderem?

Schallert: Das Besondere ist, dass ich es mit Freunden zusammen kreiert habe. Und ich glaube, man sieht das Herzblut und die Liebe im Detail in jeder Ecke des Hotels. Es darf die Bezeichnung “Boutique” mit Stolz tragen. Mein Brummel hat nur 20 Zimmer im casual luxury style, ist 15 Gehminuten vom Zentrum (den Ramblas) entfernt und liegt direkt am Fuße des Hausbergs Montjuïc. Mir ist wichtig, dass alles per „du“ geschieht und ohne Uniformen. Yoga, Crossfit und Boxklassen sind im täglichen Programm im Zimmerpreis inbegriffen. Brummell ist eine authentische grüne Stadtoase mit toller Sonnenterrasse und kleinem aber feinem Pool. Sogar einen Dachterrassen-Gemüse/Kräutergarten haben wir. 

Auf booking.com ist dein Hotel mit über 9 gerankt. Was schätzen deine Besucher besonders?

Schallert: Das nette Personal, das heimelige, die großzügigen Terrassen, die grüne Lage, die Gratis Sport- und Yogaklassen, das feine Frühstück, die komfortablen Betten.

Deine Sandkastenfreundin Veronica Blume, die mit 16 Jahren den Ford Supermodel of the world Wettbewerb gewann, arbeitet heute im direkt ans Hotel angrenzenden LOFT als Yoga Master. Wie ist diese Konstellation entstanden?

Schallert: Veronica war und ist meine beste Freundin seid wir beide drei Jahre alt sind. Als ich damals das Hotelgebäude entdeckt habe, war auch die große Garage direkt nebenan noch frei. Veronica hat sich sofort in den Raum verliebt und hat von dort aus ihre Yoga-Marke gegründet. Seit über 15 Jahren praktiziert sie täglich Yoga. Es ist genial, an ihren Klassen teilzunehmen. Ich bin auf jeden Fall einmal in der Woche dabei. Ich zahle dann für jeden Hotelgast, der teilnimmt, die Gebühr an sie und so entsteht eine Win-Win-Situation, mit der ich mein Hotel wirklich abheben kann.

Dass das Brummell und das LOFT auch für Filmaufnahmen ein beliebter Ort sind, kannst du sicher bestätigen?

Schallert: Ja, es wurden Clips für Adidas mit Neymar im LOFT aufgenommen oder auch verschiedene Werbeaufnahmen mit H&M, Bang & Olufsen etc. Wenn ich ehrlich bin, sind das einfach nur interessante Mieteinnahmen. Spannend sind solche Dreharbeiten oder Fotoshootings nicht wirklich.  



Wer sind deine Stammkunden und aus welchen Schichten kommen sie?

Schallert: Das Zielpublikum ist wirklich ein Traum. Kulturbegeisterte gut gereiste 35+ Altersgruppe. Wir haben wirklich viele, die immer wieder kommen. Hauptsächlich aus den USA, Deutschland, Schweden oder England. Aber auch immer wieder Österreicher sind dabei. Speziell, wenn das Brummell irgendwo in den Medien in Österreich erschienen ist (lacht). 

In Marrakesch bist du dabei, deine Hotelvisionen zu erweitern. Worin liegt der Unterschied zum Brummel Barcelona und wieso ausgerechnet in Marokko?

Schallert: Im Moment gibt es in Marrakech erst zwei Brummell-Apartments zu mieten. Ich bin mitten im Neubau einer grossen Acht-Zimmer-Villa mit Garten und Pool direkt neben dem Yves-Saint-Laurent-Museum und dem berühmten Garten «Jardin Majorelle». Ich liebe Marrakesch, weil ich in zweieinhalb Stunden in eine vollkommen andere Welt eintauchen kann. Marrakesch ist eine Hammerstadt mit super schönem Licht und ewig blauem Himmel. Es ist ein bißchen schroff, unkonventionell, überraschend. Genau mein Ding. Die Sonnenuntergänge sind ein Wahnsinn und ich hab jetzt eine richtig tolle Liste mit super Restaurants und Pools zum Relaxen zusammengestellt. 

Du bist homosexuell. Hast du dich dazu geoutet und wie groß sind die Unterschiede für jemand Homosexuellen in Vorarlberg und in Barcelona?

Schallert: Ich hoffe, dass diese Frage in den nächsten Generationen kein Thema mehr ist. Muss man sich wirklich outen welche sexuellen Vorlieben man hat? Ich musste mich damals noch rumwürgen und bitten: «Setzt euch mal hin. Ich muss euch was sagen.» Heute ist diese Tatsache einfach nur das Beste, was mir überhaupt passieren konnte. Ich mach genau das, was ich will. Hab keine Familienverpflichtungen, gebe das Geld für tolle Reisen und super Hotels (“PINK DOLLAR”) aus, statt für Schulausflüge und Nachhilfestunden für die Kids und hab einen voll interessanten internationalen Freundeskreis, der auch keine Kinderverpflichtungen hat. Ich glaube, der neuen Generation ist das wirklich wurst, wer mit wem. Netflix-Serien sind voll mit dem Thema: Sex Education, Euphoria. Hauptsache man ist ehrlich zu sich selbst und geht den Weg entlang, der einem am Glücklichsten macht. Unterschied Vorarlberg und Barcelona: Ich glaub das Ländle hinkt mit der Toleranz und dem Verständnis, dass wir so geboren sind und dass man daran nichts ändern kann/soll, noch etwas hinterher. In Barcelona ist das für meinen Geschmack ein bisschen zu extrem: Im Sommer hören die Gay-Events gar nicht mehr auf. Gay Tennis, Gay Football, Gay Parades, Gay Water Park Events… „Gay Ghettos“ zu bilden ist meines Erachtens genau gleich intolerant wie homophob zu sein. Ich hoffe, es wird der Tag kommen, wo es einfach nur auf den Mensch drauf ankommt, egal welche Hautfarbe oder sexuelle Orientierung jemand hat. Don´t worry be happy. Und sei wer du bist. 

Welche Zukunftspläne hegst du? Wann bist du wieder im Ländle und was verbindet dich bis heute mit Vorarlberg respektive dem Unterland?

Schallert: Im Moment liegt mein Fokus auf dem Neubau in Marrakesch und das Brummell in Barcelona ist mein großes Baby, mit dem ich immer vernetzt bin. Da ist auch meine Mitarbeiterfamilie, die wirklich wie eine Familie für mich ist. Ich möchte auch noch mehr meine Brummell-Marke pflegen und auch in Zukunft gesund und ohne Druck in anderen Städten weiter wachsen. Das Ländle ist super. Ich komme voll gerne an Weihnachten und lass mich total von meinen Eltern und mit den Köstlichkeiten vom Café Schallert verwöhnen. Mich verbindet am allermeisten meine Familie und eine Handvoll Freunde aus meinen Kinder- und Jugendjahren. 

Zur Person:

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