Von Dr. Albert Wittwer
Der Entwurf des neuen Corona-Gesetzes definiert, soweit ich sehe erstmals, den öffentlichen Raum. Öffentliche Straßen, Einrichtungen, Gebäude kannten wir schon. Neu ist es sinngemäß jeder Ort, der von allen Menschen betreten werden, auf dem man sich aufhalten darf. Also auch Waldwege, Forststraßen, die begangen werden dürfen, teilweise auch befahren, Uferabschnitte öffentlicher Gewässer, landwirtschaftliche Flächen während der Vegetationsruhe, die Berge.
Die Regierungskoalition, sonst sicher ein Hort der Freiheit und der Verteidigung unserer Interessen, holt wieder dazu aus, uns mit Verordnung das Betreten und Verweilen „im Freien“ zu verbieten. Nämlich dann, wenn es ihr zur Verhinderung der Weiterverbreitung von Covid 19 geboten erscheint. Davon gibt es zwar Ausnahmen. Aber wir werden demnächst wohl auf der Straße angehalten von den bewährten, bewaffneten Beamten des durchgriffsfähigen Ministeriums des Inneren und uns rechtfertigen müssen. Selbstverständlich auch gleich ausweisen, beweisen, wohin wir unterwegs waren. Beweisen, daß unsere Begleiterinnen sowieso mit uns in Hausgemeinschaft leben usw.
Ich halte das für unerträglich. Der öffentliche Raum gehört nicht der Regierung. Er gehört dem Souverän, also uns. Jede Generalklausel, die seine Nutzung einschränkt, ist verfehlt. Wir selbst gehören auch nicht der Regierung. Sie will eine Ermächtigung, uns Zimmer-Arrest zu verordnen. Wir mögen, wie die Regierungsmitglieder übrigens auch selbst, fehlerhaft sein in unseren Handlungen. Dann kann dann verfolgt werden. Bis dahin ist unsere Autonomie zu wahren. Sie einzuschränken erfordert ein hohes Maß an Legitimation. Unsere Interessen an selbstbestimmtem Aufenthalt sind mit den Interessen der Gesundheit anderer, Erfordernissen der Ansteckungsvermeidung, abzuwägen.
Inzwischen reichen die Erfahrungen mit Corona aus, um die Maßnahmen, Einschränkungen zielgenau zu definieren. Abstände, Masken, Tracking-Apps, Gesundheitstests für bestimmte Aktivitäten oder Vorhaben. Die Regierungskoalition sollte davon absehen, uns unbestimmte Gesetzesbegriffe um die Ohren zu hauen, wie „unbedingte Notwendigkeit“. Volksgesundheit hatten wir schon. Was kommt als Nächstes, die allgemeine Fußfessel?
Anmerkung:
Giorgio Agamben sieht in der „Politik des Ausnahmezustands eine gängige undemokratische Praxis“. Soweit sollte es nicht kommen.