Freiheitsberaubung in Kuchl

Von Dr. Albert Wittwer

Die Gemeinde Kuchl im Tennengau ist unter Quarantäne gestellt worden. Zusätzlich zur Maskenpflicht auch im Freien und Hygienemaßnahmen gelten Reiseverbote, Bewegungseinschränkungen, die zum völligen Erliegen vieler Geschäftstätigkeiten führen. Kultur, Vereine? Da war doch mal was. Und es brechen über Nacht die Einnahmen weg, die Existenz von Geschäften steht auf dem Spiel. Die Freiheit steht in Kuchl auf Stand-by. Und in einigen Tagen gibt es österreichweit neue Corona-Beschränkungen.

In einer früheren Glosse habe ich die Verfassungswidrigkeit von Corona-Verordnungen vermutet. Ob die neuen Einschränkungen vor Gericht landen? Die Hunde bellen, die Karawane zieht weiter.

Gesundheit ist das höchste Gut. Oder ist es die Freiheit?

In einer ausführlichen Studie hat man festgestellt, daß im Zoo gehaltene Säugetiere deutlich länger leben als ihre Artgenossen in Freiheit. Davon gibt es Ausnahmen. Delphine halten den Atem an, um zu sterben, wenn sie zur Erkenntnis gelangen, daß sie nicht mehr freigelassen werden. Die Ureinwohner auf den Kanaren sollen – nach Eroberung durch die Spanier, in Unfreiheit – an gebrochenem Herzen gestorben sein.

„Mehr noch sterben an gebrochenem Herzen“. Die Erfahrungen, das Leid und die hohe Todesrate in den Altersheimen während und nach dem Lock-Down  sprechen Bände.

Es ist unbestritten, daß meine Freiheit nur so weit reichen darf, als ich bei Ausübung meiner Freiheit meine Mitmenschen nicht schädige, nicht verletze. Das betrifft auch die Unternehmen. Gut, das politische Lob für unsere   Leistungsbereitschaft und das Credo der angeblichen  Leistungsgerechtigkeit, die uns allen diene, mag trotz Arbeitsmedizin zu manchem Burn-Out führen, zu ziemlichem Lärm, CO2 in der Atemluft, zu in harmlosen Nahrungsmitteln verstecktem Zucker und Palmölfett.  

Was zählt mehr, der Schutz unseres (dennoch immer endlichen) Lebens oder unsere (ohnehin immer beschränkte) Freiheit?

Wir sehen daraus: Man muß die Rechtsgüter abwägen. Das können die besseren Juristen – wenn man sie läßt. Die Ministeralbürokratie hat dazugelernt. Die Verordnungen, soweit sie in den Medien kolportiert werden, erscheinen mir treffsicherer. Abwägungsfragen sind schwierig, sie sind auch hoch politisch. Damit sind wir wieder beim Spannungsfeld von Recht einerseits und Politik andererseits. Wir sollten uns nicht so sehr auf die nachprüfenden Gerichte verlassen müssen.

In Großbritannien oder eher England wollen die Brexiteers den Einfluß der Europäischen Höchstgerichte abwürgen. Sie haben selber, ähnlich wie die Schweiz, kein Verfassungsgericht und fühlen sich in ihrer politischen Souveränität durch „fremde Richter“ bedroht. Zur Schweiz gibt es Parallelen. Das Recht soll der Politik folgen, konsequenterweise gibt es für die Schweizer Richter beim Bundesgerichtshof sogar eine Amtszeitbeschränkung. Immerhin wurde ein nach Meinung der SVP unbotmäßiger Richter vor zwei Wochen doch wieder bestellt. Die populistischen Nationalisten auch innerhalb der EU möchten grundrechtsärmer durchregieren, akzeptieren aber die Urteile dann doch. Ein Zeichen hoher Zivilisation ist, daß derlei in Österreich  – post BMfI Kickl – für die politischen Parteien nicht (mehr) zur Diskussion steht.

Anmerkungen:

Ich denke, es ist bewiesen: konsequentes Maskentragen, Abstände zwischen Personen, Beschränkung der Personenzahl in Innenräumen, Desinfektion von Händen und Gebrauchsgegenständen halten die Pandemie in Schach.  

„More Die Of Heartbreak“, schöner Roman von Saul Bellow;

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