Von Melina Heidecker
Am 2. November wird Wien von einem Terroranschlag erschüttert, am 3. November beginnt das politische Erdbeben in Washington. Eine turbulente, herausfordernde Zeit. Auch hier schienen die meisten (an)gespannt auf das Ergebnis der Präsidentschaftswahl zu warten. Da stellt sich die Frage: Wie erlebten die US-AmerikanerInnen die vielleicht spannendste Wahl bis dato? Die nächsten Tage werden verschiedene Interviews erscheinen, in denen verschiedene Perspektiven vorgestellt werden.
Kent, Ridgefield, Connecticut:
- Wie hast du den Wahltag oder die Wahl erlebt?
Am Morgen des Wahltages habe ich zuerst gearbeitet und bin danach joggen gegangen, was ich normalerweise nicht tue, aber ich war so angespannt und musste meinen Kopf freikriegen. Danach sind meine Mutter und ich in der Middle School, die ungefähr eine Meile von unserem Haus entfernt ist, wählen gegangen. Es war nicht allzu viel los als wir ankamen, wir haben ungefähr 15 Minuten gewartet. Ich habe meinen Wahlzettel in die Urne geworfen und zuhause sofort mit dem Trinken angefangen und im Hintergrund die Nachrichten verfolgt. Abends haben ein paar Freunde und ich eine Tupperwareparty veranstaltet, „Borat 2“ angeschaut, was wirklich dämlich ist, aber wir brauchten etwas, das uns vom Geschehen ablenkt. Im Hintergrund haben wir natürlich die Stimmenauszählung verfolgt. Viele meiner Freunde und ich haben uns Nachrichten geschrieben und wirklich alle meinten: „Oh Gott, ich habe gleich einen Herzinfarkt“.
2. Würdest du du diese Wahl als spannender als die anderen bezeichnen? Wenn ja, weshalb?
Ja, auf jeden Fall, es fühlt sich an als wären wir in einem Film, weil so ein großer Hype um diese Wahl war. Die letzten zwei Jahre hat jeder gesagt „Du musst wählen!“ Und es hat sich aufgebaut. Leute die Trump nicht mögen, hassen ihn, mich selbst miteinbezogen, also ist es wie eine Mission, bei der wir alle darauf aus sind, ihn aus dem Amt hinauszukriegen.
3. Hast du ein Ritual für den Wahltag?
Naja, ich habe zwei verschiedenen Nachrichtensender eingeschaltet um die Abstimmung zu verfolgen. Ich habe „Fox News“ geschaut, was absolut republikanisch ist, dann „MSNBC“, was liberal ist. Es war wirklich interessant beide Seiten im Wettrennen zu sehen. Und am morgen bin ich eben joggen gegangen und habe ein Gebet zum Himmel geschickt.
4. War der Wahltag dieses Jahr eine andere Erfahrung aufgrund von Corona? Was hat sich verändert?
Absolut, ich meine, schau dir nur an, was gerade mit den ganzen Briefwählerstimmen passiert. Als ich persönlich abgestimmt habe, trugen alle eine Maske, wie vorgeschrieben, überall standen Desinfektionsmittel und man musste seinen eigenen Stift mitbringen, wegen Social Distancing waren die Schlangen um einiges länger. Ich kann nicht für die Briefwahlstimmen sprechen aber sie bringen offensichtlich einige Probleme, zeitweise wussten wir garnicht, ob sie schlussendlich gezählt werden.
5. Wie ist die Atmosphäre in deiner Gegend? Haben Leute Vorsichtsmaßnahmen getroffen? Haben deine Nachbarn Schilder oder Flaggen angebracht?
Ich würde sagen die Atmosphäre ist unheimlich, aber meine Gegend ist ziemlich ruhig, ich meine Ridgefield (Anm.d.V.: eine typische, amerikanische Vorstadt)… . Ich denke die meisten sind eher Demokraten, Liberale oder nicht Trump-Unterstützer, aber ich kann nur für meinen Bekanntenkreis sprechen. Es gibt reichlich Tump-Fans in Ridgefield, wir haben Trump-Flaggen gesehen, viele hatten Trump-Sticker hinten am Auto aufgeklebt. Vorsichtsmaßnahmen hat hier niemand getroffen, aber ich habe gehört, dass das viele in NYC so machen.
6. Gibt es noch etwas anderes, was du gerne erwähnen möchtest?
Diese ganze Wahl hat sich sehr inklusiv angefühlt, ich meine, wenn ich jemanden mit einer „MAGA“-Mütze sehe, denke ich mir zwar, dass das wirklich ekelhaft ist, aber ich werde diese Person nicht darauf ansprechen, auch wenn ich die Meinung nicht mag. Jeder ist dazu berechtigt seine eigene Meinung zu haben. Kennst du Steven Colbert? Er ist ein super Comedian, der sich auf Politik spezialisiert hat und die Themen intelligent und lustig verpackt. Aber am Abend vor der Wahl war seine Show nicht lustig, sogar er meinte „Ich weiß nicht was passiert, das ist wirklich furchterregend“. Anscheinend hat eine neue Umfrage belegt, dass 85% der Republikaner glauben, dass Trump bei einer Wahlniederlage in der Politik bleiben und 2024 erneut kandidieren wird. Wenn das der Fall ist, würde er bereits 2022 wieder mit dem Wahlkampf beginnen…