Von Dr. Albert Wittwer
Seit Friday-for-future, Covid 19 und den bis in den hinteren Bregenzerwald allgegenwärtigen Twitter-Tiraden des GröPfaZ, des größten Präsidenten aller Zeiten, sollten wir gelernt haben, daß wir in einer gemeinsamen Welt leben. Daß es auch für Zentraleuropa eine Rolle spielt, wie die Menschen im nahen Osten, im Kongo oder in Südamerika leben. Die Flüchtlingsströme nach Europa beweisen es. Niemand verläßt aus Jux und Tollerei seine Heimat.
Die Migrationsbewegungen werden von politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ausgelöst, von Armut und Rechtlosigkeit der Bevölkerung. *) Derweil die oft korrupten lokalen politischen Eliten mit einzelnen international tätigen Konzernen, die vor allem an ihrem ungestörten Geschäftsfeld interessiert sind, gemeinsame Sache machen.
Besonders im Rohstoffsektor finden sich skandalöse Mißstände. Es gibt Unternehmen mit Konzernsitz in Billig-Steuer-Kantonen der Schweiz, die die Menschenrechte grob verletzen, indem sie die Kinderarbeit zulassen, die Gesundheit der Arbeitenden gefährden und außerdem die Umwelt vergiften. Dabei verstoßen sie durchaus auch gegen lokales, aber auch internationales Recht. Die Arbeiterinnen und Arbeiter und schon gar die Kinder haben aber keine Möglichkeit, sich dagegen zu wehren, sie stehen ohnehin am Rande ihrer Existenz.
Das Schweizer Stimmvolk entscheidet am nächsten Sonntag über die Konzernverantwortungsinitiative. Sie verlangt, daß Schweizer Konzerne dafür haften, wenn Tochterfirmen im Ausland grobe Menschenrechtsverletzungen begehen oder Umweltschäden verursachen. Wenn diese Sachverhalte nach den durchaus strengen Schweizer Beweisregeln bewiesen sind, könnten sie sich nur dadurch entlasten, daß sie nachweisen, daß sie geeignete Maßnahmen ergriffen haben, um solche Verstöße zu verhindern.
Die Schweizer Gesetzesinitiative, sie möge Erfolg haben, wird die Rahmenbedingungen für säumige Industriekonzerne, es geht vor allem um die Rohstoffgewinnung, um Zink, Blei, Silber, Erdöl, Schiefergas, seltene Erden, drastisch beeinflussen. Im Ergebnis werden Wohlstand und Lebensbedingungen weit über die Förderländer hinaus, bis Europa, verbessert. Wohlgemerkt handelt es sich nicht um neue Verhaltensregeln, sondern vielmehr um die Möglichkeit der Durchsetzung bestehender Rechtsvorschriften.
Auch die EU-Kommission hat gerade einen ähnlichen Gesetzesvorschlag zur Vernehmlassung unterbreitet.
Gegen die Initiative wird von den Konzernen und von den Schweizer Wirtschaftsverbänden mit harten Bandagen, aber skurrilen Argumenten opponiert: Die Initiative schade den Schweizer kleinen und mittleren Unternehmen, sie sei geeignet, die künftigen Pensionen in der Schweiz zu verkleinern. Das originellste Argument scheint mir zu sein, es handle sich um „Neokolonialismus“. Es überrascht nicht, daß der Schweizer Bundesrat die Initiative nicht unterstützt oder überarbeitet sich zu eigen macht. Er hat im Gegenzug einen frömmlichen, sanktionslosen Verhaltenskodex vorgeschlagen, der wie ein Brief an den Weihnachtsmann anmutet.
Die Schweizerinnen und Schweizer sind an der Konzerninitiative hoch interessiert. Etwa dreißig Prozent haben schon mit Briefwahl abgestimmt. Es besteht die Chance, daß sie nicht nur die Tradition der Schweiz als Hort des Humanismus bestärken. Sie schreiben damit Verfassungsgeschichte. Sie geben ein lebhaftes, leuchtendes Zeichen, daß wir alle in einer gemeinsamen Welt leben, in Schwesterlichkeit und Brüderlichkeit. Und daß wir diese Erde wie einen Garten pflegen sollten.
Anmerkungen:
Website Konzernverantwortungsinitaitive: https://konzern-initiative.ch/argumente/
*) Karim El-Gahwary: Auf der Flucht; Rebellion und Repression
Wir in Österreich müssen jedenfalls auf die Europäische Union warten. Der Verfassungsgerichtshof hat vor kurzem aus Anlaß der Versagung der Widmung von Landwirtschaftsflächen in Betriebsgebiet durch das Ludescher Stimmvolk den Vorarlberger Souverän, das Landesvolk, darüber belehrt, daß wir dann nur auf Ebene allgemeiner Normen abstimmen dürfen, wenn es uns die Repräsentanten, also „vermeintlich unsere“ Abgeordenten erlauben. Das käme natürlich auch dem Schweizer Bundesrat nicht in den Sinn, seinem Stimmvolk diese Erlaubnis zu geben, sh.o. Aber es braucht sie nicht.
https://www.republik.ch/2020/11/19/voellig-losgeloest-und-komplett-entgleist https://www.easyvote.ch/de/abstimmungen/29-november-2020/verantwortungsvolle-unternehmen |
Dieser Artikel könnte sie auch interessieren:
Volksabstimmung in Ludesch aufgehoben. Ist das Volk noch der Souverän? | gsi news (gsi-news.at)
Ich hoffe die Initiative wird angenommen. Gerade Schweizer Unternehmen wie Nestle haben recht viel Dreck am Stecken und kümmern sich null um Menschenrechte.
Eine Mehrheit der Bevölkerung, 50,7 % hat der Initiative zugestimmt. Das Ergebnis wird kleingeredet: Weil es im Ständerat, in dem die kleinen Kantone überrepräsentiert sind, keine Mehrheit bekommen hat, berichten die Schweizer Medien, es sei gescheitert. Ohnedies wird es stets als „linkslastig“, in der vermeintlich so moderaten und ausgewogenen Schweiz ein schwerwiegender Vorwurf, diskriminiert. Ist es rechts oder links, wenn – schon normierte – Menschenrechte und Umweltschutzvorschriften eingehalten werden? Ist es rechts oder links, wenn in der Schweiz eine Klagsmöglichkeit gegen säumige Konzerne zugelassen wird? Das ist in Deutschland und Frankreich schon heute der Fall.
Der öffentliche Schweizer Rundfunk brachte wenige Tage vor der Abstimmung ausführlich Stimmungsbilder zum Thema, wie sozial und gesellschaftlich verantwortlich sich die Schweizer Milliardäre verhalten. Und zum Drüberstreuen: Wie viele Arbeitsplätze in KMUs außerhalb der Konzerne selbst in der Schweiz von den Konzernen abhängig seien. Als gingen diese Arbeitsplätze verloren, hielten die Konzerne die genannten Schutzvorschriften ein. Als könne die Schweiz ihren Lebensstandard nur aufrecht halten, wenn anderswo diese Rechte nicht gelten.
Diese Nachrichten korrelierten mit der offiziellen Angstmache der deklarierten Initiativ-Gegner, der Wirtschaftsverbände und des Bundesrates.
Aber damit ist die Katze nicht wieder im Sack. Die EU arbeitet an einer Richtlinie. Da werden die Schweizer Offiziellen, die die eigenen Richter mit so Bélanglosem nicht befassen wollten, dann wohl zuhören. Denn es geht ums Geschäft.