Knives out – Mord ist Familiensache

Von Thomas Bertram

Was für ein Beginn! Zu schräger Musik wird ein Kaffeebecher mit der Aufschrift: „MY HOUSE MY RULES MY COFFEE!!“ (MEIN HAUS MEINE REGELN MEIN KAFFEE!!) in Großaufnahme auf ein Tablett gestellt. Damit geht die Hausangestellte Fran (Edi Patterson) los, um dem Hausherrn (Christopher Plummer als Harlan Thromby) am Tag nach seiner 85. Geburtstagsfeier im Familienkreis sein Frühstück zu bringen. Doch der liegt mit aufgeschlitzter Kehle tot in einer Blutlache, das Messer noch in der Hand. Selbstmord?

Eine Woche später ist Lieutenant Elliott (LaKeith Stanfield) im Landhaus, wo dieser schreckliche (Selbst?-)Mord stattgefunden hat und befragt die Familie. Zunächst im Hintergrund und höchstens mal eine laute Note auf dem Klavier anschlagend sitzt der Privatdetektiv Benoit Blanc (Daniel Craig – mal ohne jede „bondische“ Attitüde) und hört sich das alles mit an. Ein/e Unbekannte/r hat ihm einen dicken Umschlag voller Geld geschickt, um die Ermittlungen zu unterstützen. Tatsächlich kommen der Polizist und der Detektiv einem ganz raffinierten Verbrechen auf die Schliche, das aber so ganz anders ist, als man denkt. Die Blickwinkel ändern sich ständig, es ist wie in einem Agatha Christie Mordfall: wer war es, wer hatte ein Motiv -hier spoilere ich einmal: ALLE!! in der Familie-, wer hatte die Gelegenheit und wer wusste davon? Es geht turbulent hin und her und ganz am Schluss ist die oben angesprochene Tasse wieder groß im Bild und zeigt der buckligen Verwandtschaft, wer der/die neue Herr/in im Thromby-Anwesen ist.

Soviel zum Inhalt, jetzt zum Film an sich. Was macht ihn so sehenswert? Neben der Grundstory ist es diese Eingangsbefragung, wer hat den Hausherrn wann zuletzt gesehen, wer hat was gehört und worum ging es in den vielen Vier-Augen-Gesprächen, die dieser an seinem 85 Geburtstag, dem letzten Tag in seinem Leben, geführt hat. Und hier ist der Film hervorragend: die Familienmitglieder erzählen eine Geschichte voller Harmonie, aber wenig später sieht der Filmzuschauer, was wirklich gewesen ist, da wird gedroht, Geld und Posten werden gestrichen, da wird sogar enterbt. Dank der präzisen Nachfragen des Privatdetektivs und dank der aufrichtigen Pflegerin Martha kommt immer mehr Licht ins Dunkel, die angebliche Familienharmonie gab es gar nicht, nur bleibt das „Wer – Wie – Wann – Warum? weiterhin tief verborgen.

In einem weiteren Punkt ist der Film hervorragend: in seiner Besetzungliste. Hier finden sich neben Chris Evans und Don Johnson auf noch Jamie-Lee Curtis, allesamt Schauspieler für Hauptrollen, doch hier geben sie sich mit Nebenrollen zufrieden. Ana de Armas wird auch 2021 in einem weiteren Film mit Daniel Craig, dem neuen James Bond, zu sehen sein. Die tollste Rolle hat K Callan erhalten. Als schlaflose Großmama hat sie zwar jeden ungebetenen Gast kommen und gehen gesehen, wenn diese nicht gesehen werden wollten, aber sie spricht nicht mit jedem und hat sowieso ihren eigenen Kopf. Fantastisch, das so überzeugend zu verkörpern. Absolut genial: Elliot fragt nach den Teilnehmern der Geburtstagsparty und es wird eben die Großmama erwähnt, Harlans Mutter, der wie gesagt 85 wurde! Erstaunt fragt er: „Seine Mutter? -Wie alt ist sie?“ Antwort: „Wir haben keine Ahnung!“. Fun-Fact am Rande: sie spielt die Mutter von Christopher Plummer, der 2019 immerhin schon 90 Jahre alt war. Sie selbst ist auch nicht mehr die Jüngste, aber trotzdem „erst“ 84. Da hatte die Maske gut zu tun.

Noch ein paar Fakten: USA 2019, 2020 während der Corona-Beschränkungen war es ein Film für’s Autokino, Dauer: etwas mehr als 2 Stunden, FSK 12 und Drehbuch Regie und Produktion lagen in einer Hand – das erledigte Rian Johnson und so entstand ein Film aus einem Guss.

Den Film gibt es derzeit auf Amazon Prime für alle Mitglieder kostenlos anszusehen und es lohnt sich wirklich. Wer sich an die englische Originalfassung traut, wird nicht enttäuscht, absolut klasse, mit der kleinen Einschränkung, dass Lakeith Stanfield doch für deutsche Ohren etwas undeutlich spricht. Im zweiten Versuch ist es kein Problem mehr.

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