Von Thomas Bertram
Mit der 8-teiligen ersten Staffel von Utopia wagt sich Amazon Prime auf ein vermintes Gebiet. Wie das sein kann, es ist doch schließlich nur die Neuinterpretation einer BBC-Serie von 2013? Nun, sagen wir mal so: ist es mutig oder dumm, ist es verwegen oder geradezu fahrlässig, heute, zu Covid-19 Zeiten eine Staffel herauszubringen, in der es um eine Pandemie geht, die Teil einer Verschwörung ist? Werden da nicht etwa die falschen Leute applaudieren und sich bestätigt fühlen? Doch so eine Sichtweise ist nur auf den allerersten Blick und auch nur ohne jedes Einsteigen in diese Serie nachvollziehbar. Gut und wichtig ist der Hinweis vor jeder Folge, dass diese Serie keineswegs auf die aktuelle Pandemie oder andere reale Ereignisse hinweist.
Die Grundidee dieser Serie: In einem Comic („Dystopia“) wird die Geschichte eines Mädchens erzählt, dessen Vater gezwungen wurde, tödliche Viren zu entwickeln. Sie flieht und will ihn retten. Die wichtigsten Hinweise dafür gibt es aber nur in einem weiteren Comic („Utopia“), der verschollen ist. Und dieser Comic taucht als Erbmasse in einem Messi-Haushalt wieder auf. Die neuen Eigentümer wollen ihn verhökern, ohne zu wissen, was sie da in den Händen haben. Eine Gruppe von Nerds, die an Dystopia glauben, kriegt ihn tatsächlich in die Finger, allerdings werden vorher reihenweise Leute gemeuchelt, denn die Häscher des kleinen Mädchens sind real. Auch sie („Jessica Hyde“) ist real und stößt zu der Gruppe. Und diese 5, dann 4, dann 5, später 6/7 haben alle Hände voll zu tun, um zu überleben und um die große Verschwörung, die ein neues Virus in die Welt setzen will, zu verhindern, während Jessicas Prioritäten eindeutig auf die Suche nach dem Vater liegt. Und sie ist nicht zimperlich. Das Ende der Staffel wartet dann noch mit neuen Twists (Mehrzahl!) auf.
Kritik: Lässt man sich auf diese krude Geschichte ein, ist sie in sich doch ziemlich stimmig. Dass dann Jessica, gespielt von Saha Lane skrupellos über Leichen geht, ist eindeutig unerwartet, sie soll doch das gejagte Wesen sein. Die anderen Protagonisten können sehr gut mithalten, an erster Stelle Desmin Borges, der Wilson Wilson spielt. Auch die Kinder Grant und Alice (Javon Walton und Farah Mackenzie) wissen zu überzeugen. Eine Klasse für sich ist John Cusack als Oberschurke Dr. Christie. Ebenfalls eindringlich spielt Christopher Denham den „Arby“ -eigentlich R.B.- zunächst als Killermaschine für Dr. Christie, dann als Beschützer von Alice. Bevor ich alle weiteren aufzähle, kurz gesagt: keine/r spielt seine/ihre Rolle schlecht.
Die FSK 16 muss sein, es ist doch sehr gewalttätig. Das ist dann auch ein echter Kritikpunkt: muss da so viel Blut fließen? Und am Ende wissen alle, dass es mindestens noch eine weitere Staffel geben wird.