Von Thomas Bertram
Guy Ritchie hat erneut zugeschlagen. Mit „Bube, Dame, König, Gras“ hat er schon 1998 einen nicht ganz ernst gemeinten Marihuana-Film vorgelegt und 2019 legt er mit The Gentlemen noch eine Schippe drauf. Auch das Drehbuch stammt aus seiner Feder.
Die Geschichte dieser Action-Komödie ist im Prinzip eine doppelte: die Hauptgeschichte ist die des reich gewordenen Marihuana-Herstellers und -Händlers Mickey Pearson (Matthew McCouaughy), der versuchen möchte, sein Imperium zu verkaufen, um ein ehrliches Leben mit seiner Frau (Michelle Dockery als Rosalind) zu führen. Er selbst möchte an den amerikanischen Juden Matthew Berger (Jeremy Strong) verkaufen, doch eine mächtige chinesische Gang (Henry Golding als Dry Eye) ist auch begehrlich. Keine Seite schreckt vor einer „gewissen Gewalt“ zurück, wobei Mickey seinen Gegenspielern so gut wie immer einen ganzen Schritt voraus ist, auch wenn das nicht immer gleich erkannt wird.
Doch das ist wie oben erwähnt nur ein Teil der Geschichte, denn der schmierige Detektiv Fletcher (Hugh Grant mit dem Mut zur Hässlichkeit) wird bei der rechten Hand von Mickey (Charlie Hunnam als Ray) vorstellig, um diesem ein „Drehbuch“ über eben genau diese soeben beschriebenen Vorgänge für stolze 20 Millionen zu verkaufen. So wechselt der Film ständig die Perspektiven, einmal sitzen Flechter und Ray zusammen und Fletcher erzählt, und dann sieht man diese Erzählung als Film.
Szenen, die hängenbleiben: Ray verfolgt in London einen Jugendlichen, der etwas gefilmt hat, was er nicht hätte filmen sollen. Der Junge rettet sich in eine kleine Gang anderer Halbstarker, die gleich einen auf ganz dicke Hose machen. Ray erklärt ruhig und freundlich, dass er nie die Absicht hatte, dem Jungen das Handy wegzunehmen, sondern er wolle es ihm für 1000 Pfund abkaufen und wedelt mit den Scheinen. Doch jetzt sind die Nachwuchsgangster erst richtig auf den Geschmack gekommen und nach ein paar weiteren Wortwechseln kommt der Anführer mit einer dicken Machete auf Ray zu. Mit einem Seufzen schlägt Ray seinen Mantel zurück und zieht eine Maschinenpistole hervor Er ballert eine Salve in die Luft, alles spritzt auseinander und das Handy wechselt seinen Besitzer.
Die nächste tolle Szene spielt im Kampfsportzentrum des „Coaches“ (Colin Farrell): Gerade macht er verbal ein paar seiner Nachwuchskämpfer zur Schnecke, weil sie Marihuana von Mickey in großer Menge geklaut und sich dabei gefilmt haben, als einer aus dem Ring den anderen mit „schwarze Arschgeige“ tituliert. Der beschwert sich beim Coach, weil das doch wohl übelster Rassismus ist. Der Coach erklärt es ihm: „Erstens: du BIST schwarz und außerdem eine Arschgeige; also war das bestimmt keine Beleidigung, sondern nur seine Art, dich liebevoll in den Ring zu bitten“ Irritierte Antwort: „Er ist ein Zigeuner, darf ich ihn dann Zigeunerarsch nennen?“ „Wenn du das aus Zuneigung tust, selbstverständlich!“ Auch so kann man Probleme lösen!
Ein kleiner Spoileralarm für die dritte von so vielen hervorragenden Szenen: Zu Beginn des Filmes sieht man Mickey eine leere Bar betreten, um in Ruhe ein Glas Bier zu trinken. Er telefoniert mit seiner Frau, will mit ihr abends ausgehen, da nähert sich von hinten eine Gestalt mit einer schallgedämpften Waffe. Schnitt, gedämpfter Schuss, Blut spritzt auf das Bierglas. Diese Szene wird dann gegen Ende des Filmes noch einmal aufgenommen, aber jetzt sieht man, dass Ray den Killer gerade noch rechtzeitig erschießen konnte. Doch der Film geht dann noch weiter, viel weiter.
Summa summarum: Ein Film mit einer tollen Idee, mit tollen Figuren / Schauspielern, der „Coach“ ist einfach der Knaller, Hugh Grant wird hinter einem so schrecklich falschen Bart versteckt, dass das optisch schon wehtut, „Ray“ ergeht es ebenso, Jeremy Strong spielt den Geschäftsmann so schmierig wie es nur geht. Man sieht den Leuten an, dass sie richtig viel Spaß an der ganzen Sache hatten. Coronabedingt hat dieser Film den Kinostart in 2020 zwar gerade noch geschafft, aber dann war alles dicht. Auf der großen Leinwand wäre er bestimmt noch besser. Vielleicht packt ihn Miramax ja noch einmal aus, zumindest für die Programmkinos. Aber er lohnt sich auch auf der Mattscheibe.
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