Katrin Nesensohn aus Rankweil erzählt im Interview, wie es dazu kam, dass sie als Teil des Ibiza Untersuchungsausschusses Dinge aufklärt, welche die Türkis-Blaue Regierung in ihren Machenschaften zu vertuschen versucht und wie es mit den Verweigerungen der ÖVP unter Sebastian Kurz so weit gekommen ist, dass bereits Bundespräsident Van der Bellen einschreiten muss.
Von Bandi Koeck
Gsi.News: Nachdem Sie am BORG Götzis maturiert hatten, zogen Sie nach Wien, um Lehramt zu studieren. Wie kam es dazu, dass Sie diesen Beruf bis dato nie ausgeübt haben?
Katrin Nesensohn: Durch Zufall! Ich schloss das Studium im Spätherbst 2019 ab, begab mich dann auf Jobsuche. Dabei hat sich dieses Angebot ergeben.
Gsi.News: Durch welche Umstände gelangten Sie zum Ibiza Untersuchungsausschuss und wieso haben Sie einer Mitarbeit zugesagt?
Nesensohn: Ich bin ein politisch interessierter Mensch, weshalb das Angebot im Ibiza U-Ausschuss zu arbeiten für mich überaus attraktiv war. Einen Beitrag zur Aufklärung von Korruption leisten zu dürfen, war und ist mir ein Anliegen.
Gsi.News: Als Sie noch in Vorarlberg wohnten, waren Sie Grünwahlerin. Heute wählen Sie anders. Wie kam es zu diesem Sinneswandel?
Nesensohn: Als Studentin wurde ich im Verband Sozialistischer Studentinnen und Studenten (VSStÖ) aktiv. Auf der Universität, wie auch im gesamtgesellschaftlichen Raum herrschen große Ungleichheiten, daher braucht es eine starke Vertretung, die die Interessen aller Studierenden vertritt. Nach meinem Dafürhalten kämpft der VSStÖ am klarsten für Bildungsgerechtigkeit und einen offenen Hochschulzugang.
Gsi.News: Wie sieht Ihr üblicher Tagesablauf aus?
Nesensohn: Man muss unterscheiden zwischen Tagen ohne Ausschusssitzung und solchen mit Sitzung: Die sitzungsfreien Tage verbringe ich mit Aktenstudium sowie dem Schreiben von Zusammenfassungen und Dossiers über Auskunftspersonen. An Sitzungstagen unterstütze ich die Abgeordneten bei den Befragungen der Auskunftspersonen.
Gsi.News: Welches sind die größten Hürden beim Fall Ibiza? Sind dies Strache und Gudenus?
Nesensohn: Meines Erachtens haben Strache und Co. lediglich versucht, der Kurz-Truppe nachzueifern. Dieser Verdacht hat sich mehr und mehr bestätigt. Das größte Problem stellt das Nichtliefern von angeforderten Akten dar. Die Vertrauten um Kurz versuchen, die Ermittlungen und die Aufklärungsarbeit im U-Ausschuss zu torpedieren. Das fing mit der ÖVP-Schredderaffäre an, ging weiter über das Blockieren freier Ermittlungstätigkeit der WKStA, das Nicht-Liefern von Akten an den U-Auschuss (u.a. seitens des BKA und des BMF, und dem Einschreiten des U-Ausschuss-Vorsitzenden Sobotka während wichtiger Befragungen). Nach wiederholten Aufforderungen über mehrere Monate hinweg hat beispielsweise Blümels Ministerium immer noch keine Unterlagen geliefert. Diese Verweigerung geht so weit, dass mittlerweile sogar der Bundespräsident einschreiten muss.
Gsi.News: Welche Erkenntnisse aus Ihrer Arbeit waren für Sie persönlich am schockierendsten?
Nesensohn: Das Schockierendste war ganz klar, dass in Österreich offensichtlich Gesetzeskauf möglich ist. Von Beginn an hatten wir den Verdacht, dass das, was Strache im Video unbedacht ausplauderte, weitaus größere Kreise zog. Mittlerweile ist bekannt, dass die Kurz-Truppe bereits sehr früh vorhatte, die Wahlkampf-Spenden deutlich zu überschreiten und sich von Großspendern und Spenderinnen abhängig zu machen. Die Großspender und deren Umfeld durften sich dann über gut bezahlte Posten in staatsnahen Unternehmen freuen. Zudem gab es Gesetzesnovellen zugunsten der Kurz-Unterstützer, am bekanntesten davon ist die geplante Novelle zum Glücksspielgesetz zugunsten der Novomatic.
Gsi.News: Wie verläuft die Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern der anderen Parteien, etwa mit den NEOS?
Nesensohn: Die Kooperation mit den anderen Parteien auf MitarbeiterInnenebene funktioniert problemlos, man unterstützt sich gegenseitig. NEOS und SPÖ haben gemeinsam diesen Ausschuss beantragt und gegen Widerstände durchgesetzt, weshalb die Zusammenarbeit mit den Pinken recht eng abläuft.
Gsi.News: Welche persönlichen Erwartungen haben Sie an diese wichtige Arbeit?
Nesensohn: Wünschenswert wäre die restlose Aufklärung aller mutmaßlichen Korruptionsfälle der türkis-blauen Bundesregierung.
Gsi.News: Wie verbringen Sie Ihre Freizeit?
Nesensohn: Während der jetzigen Pandemie gibts da nicht allzu viel Spannendes zu sagen: Spaziergänge, Lesen, Filme schauen dienen dem Ausgleich zur Arbeit.
Gsi.News: Welche beruflichen wie privaten Ziele haben Sie für dieses Jahr?
Nesensohn: Die Work-Life-Balance einzuhalten.
Gsi.News: Vielen Dank für das offene Gespräch und viele gute Nerven!
Zur Person:
- Katrin Nesensohn
- Geboren 1992 in Feldkirch
- Beruf: Referentin im Ibiza-Ausschuss
- Familie: in Partnerschaft
- Hobbys: Lesen, Musik, Filme
- An Vorarlberg schätze ich: Familie, FreundInnen und Natur, den Ausgleich zur Großstadt
- Wenn ich an „Ibiza“ denke: bringt ein erschreckendes Bild unserer Republik ans Licht
- An Wien gefällt mir: die vielen Möglichkeiten, die eine Großstadt bietet; die Errungenschaften des „Roten Wien
- Kontakt: 0664/88461944