Adi Untermarzoner, einer von weltweit ca. 80 000 katholischen Priester seiner Generation, die ihr Amt niederlegten, erlebte wie die meisten seiner Mitbrüder die Trennung von Priesteramt und Kirche als Befreiung, obwohl ihnen von der Kirche lebenslange Gewissensplagen und ewige Höllenstrafen in Aussicht gestellt wurden.
Am Tag nach seiner Geburt 1931 in Klausen wurde er auf die Namen Adolfo Francesco getauft. Die italienischen Faschisten wollten Südtirol italienisieren und alles Deutsche ausmerzen. Daher wurde seine Familie 1934 nach Cremona versetzt und 1937 nach Limone am Gardasee. Dort lehrte ihn der ebenfalls nach Limone versetzte Lehrer aus Sexten verbotenerweise die deutsche Sprache und österreichisches Liedgut. Lehrbuch war des Vaters Gebetbuch, in dem sich unter anderem die Kaiserhymne und das faschistoide Herz-Jesu-Lied „Auf zum Schwur, Tiroler Land…“ befanden. Die auf Befreiung aus der italienischen Unterdrückung hoffenden Südtiroler wurden 1939 abermals durch das Hitler-Mussolini-Abkommen unterjocht. Sie mussten deutsch oder italienisch wählen und Deutsch wählen bedeutete, abermals die Heimat zu verlieren und ins Nazi-Reich umgesiedelt zu werden. Unter dem weitaus perverseren deutschen Faschismus litten die Südtiroler schließlich noch mehr. Die Familie Untermarzoner erlebte in Innsbruck den ersten Fliegeralarm, verbrachte dann den Winter in der Nähe von Rosenheim in einem Erholungsheim. Im März 1941 war ein Zimmer im Höchster Armenhaus die nächste Station. Im September des gleichen Jahres konnte die fünfköpfige Familie in der Bregenzer Südtiroler Siedlung eine 55 m2 Wohnung beziehen. Während des Krieges war Hunger alltäglich. Die drei Kinder waren 1946 schwer unterernährt.
Die frommen Südtiroler Katholiken schickten ihren Sohn zum Ministrieren und zur katholischen Jugend, bei der Adi Gruppenführer wurde. Nach der absolvierten Tischlerlehre arbeitete er ein Jahr in diesem Beruf. Die katholische Erziehung durch Eltern und Kaplan war entsprechend kirchlicher Moral leibfeindlich. Sexualität wurde total tabuisiert. Ein Schockerlebnis war daher die Glaubensstunde, in der vom Kaplan erklärt wurde, dass Masturbation eine Todsünde sei, durch die man Rückgraterweichung und Hirnzerfall erleide, zu einem unmoralischen Menschen werde und in der Hölle lande. Daher mied der Ministrant den Kontakt mit Mädchen, um Versuchungen zu entgehen. Auf Grund seines Engagements in der Kirche motivierte ihn sein damaliger Kaplan, Priester zu werden. Daraufhin absolvierte er in Stams die Maturaschule. Nach der Matura studierte er fünf Jahre Theologie in Innsbruck bei den progressiven Konzilstheologen Karl und Hugo Rahner. Dieses Theologiestudium war für den frommen Theologiestudenten nach seiner bisherigen konservativen Erziehung wiederum schockierend. Karl Rahner vertrat die für damalige Zeiten revolutionäre These, gegen verantworteten vorehelichen Geschlechtsverkehr sei moralisch nichts einzuwenden. Von solch progressiver Theologie geprägt und entsprechenden liberalen Moralvorstellungen wurden die jungen Priester nun in den Pfarreien mit einem erzkonservativen Klerus aus der Brixner Theologie konfrontiert. Der erste Posten des neuen Priesters war Riefensberg. Er wurde ein Jahr lang Kaplan bei einem 85 Jahre alten konservativen Pfarrer. Der arme Pfarrer erlebte seinen Kaplan wie einen Modernisten, resignierte nach einem Jahr und gab sein Amt ab. Der Kaplan wurde nach Dornbirn versetzt. Dort hatte er gleichzeitig die Pfarre Ebnit zu betreuen. Während dieser sechs Jahre in der Pfarre Hatlerdorf hatten immer mehr junge Priester mit der zu vertretenden Glaubenslehre und mit dem alten Klerus Probleme und damit einhergehend auch mit dem Zölibat. Es wurde freilich schon im Priesterseminar vor der Gefahr für den Zölibat, nämlich dem Presbyterial-Fetischismus der Frauen, gewarnt. Mit dem waren nun vor allem die jungen Priester konfrontiert, weil sie den Menschen nicht klerikal abgehoben, sondern offen begegneten und keine restriktive, leibfeindliche und sexualfeindliche Moral vertraten. Gläubigen Frauen, die noch mit schweren Schuldgefühlen Interruptio beichteten, obwohl sie schon mehrere Kinder hatten, wurde versucht, die Gewissensbisse zu nehmen. Für die Geburtenkontrolle verwies man sie an die Mediziner. Damit gerieten die Priester freilich mit der sexualdiffamierenden Enzyklika „Humane Vitae“ des Pillenpapstes Paul VI. in Gegensatz und natürlich auch mit der offiziellen Lehre, die sie zu vertreten hatten. Es verließen daher immer mehr junge Priester den Klerus. Der tolerante Papst Johannes XXIII. hat damals Priester laisiert und so konnten diese sogar kirchlich heiraten. Untermarzoner hat das aus Rücksicht auf seine Eltern, die unter seinem „Glaubensabfall“ sehr litten, ohne jede Zeremonie formal erledigt. Von den Vorarlbergern, die mit ihm im Priesterseminar waren, haben 16 den Beruf aufgegeben. Damals waren von der Diözese Tirol-Vorarlberg 100 Theologiestudenten im Priesterseminar. Heute sind dort nur noch neun, obwohl nun auch jene der Diözese Linz im Innsbrucker Seminar sind. Davon sind einige hierher in den Wohlstand geflüchtete Inder, Rumänen, Afrikaner usw.
Der erste Theologieprofessor, der die Kirche verlassen hat, Hubertus Mynarek, Ordinarius der theologische Fakultät Wiens, schreibt in einem seiner 36 kirchenkritischen Bücher, die Kirche sei nicht tot, sondern mausetot und existiere nur weiter, weil sie jährlich vom säkularen Staat mit drei Milliarden Euro finanziert werde. Das geschieht in Österreich, wo zwar noch 64 % katholisch sind, aber nur etwa 10 % davon an die zentralen Lehren der Kirche, wie z.B. das Dogma glauben, dass Maria vor, während und nach der Geburt Jungfrau war. Wer das nicht glaube, sei verdammt. Der führende österreichische Theologe Zulehner schreibt in seinem Buch „Wie geht’s Herr Pfarrer?“, dass heute 12 % des Klerus praktisch eine heimliche Ehe führen. Die bekannte bayrische Schriftstellerin Luise Rinser hat bereits vor 30 Jahren geschrieben, dass 25 % des Klerus homosexuell seien, wenn auch manchmal nur latent. Die Dame hatte eine Liaison mit Karl Rahner und hat ihre Liebesbriefe in einem umfangreichen Buch veröffentlicht. Die vielen Liebesbriefe Rahners werden von den Jesuiten unter Verschluss gehalten. Eine Statistik jener Kleriker, die regelmäßig Partnerinnen wechseln, wird natürlich nicht veröffentlicht. Unter diesen unwürdigen heimlichen Verhältnissen leiden die Priesterfreundinnen und ihre Kinder. Die unzähligen Skandale des Missbrauchs von Kindern durch Kleriker lassen darauf schließen, dass es viele pädophile Priester gibt. Pädophile Geistliche werden systematisch unter verschiedenen Vorwänden versetzt, wo sie weiterhin sich an Kindern vergehen. Die Verbrechen werden von der Institution geheim gehalten und nicht angezeigt.
Untermarzoner hat in der Vorarlberger Zeitschrift „Kultur“ 67 kirchenkritische Artikel geschrieben. Dort werden Aussagen belegt, wie es seriöser Journalismus erfordert. Wer Nachweise für die hier angeführten Behauptungen erwartet, kann sie unter www.kulturzeitschrift.at/Download, finden. Mit 40 Jahren gab Adi sein Priesteramt auf, verließ die Kirche und begann das Lehramtsstudium Leibeserziehung und Philosophischer Einführungsunterricht. Er schloss sein zweites Studium 1976 ab und unterrichtete bis 1996 am BORG Schoren. Dort wurde ihm wegen seines religionskritischen Philosophieunterrichts wiederholt der Verlust des Lehramts angedroht und er musste sich mit Rechtsbeistand wehren.
Sportstudium
Mit 40 Jahren ging Adi Untermarzoner schließlich nach Innsbruck bei keinem geringeren als Prof. Fetz studieren. Mit dessen Neffen hatte er bereits in Dornbirn Fußball gespielt. „Die Limits am Sportinstitut waren sehr anspruchsvoll. Dort war ich unter den Studenten der Pfarrer“ lacht er sichtlich stolz. Im dritten Studienjahr durfte der Ex-Pfarrer aufgrund von Lehrermangel bereits Philosophie in Dornbirn-Schoren unterrichten. Das Paar zog nach Meschach, wo Untermarzoner heute noch lebt. 1976 absolvierte der Sportbegeisterte schließlich die Lehramtsprüfung und geriet sofort mit den Schulbehörden in Konflikt: „Drexel war ein ehemaliger Nazi, ein richtiger Opportunist, der mich gleich wieder kündigen wollte.“ Schließlich unterrichtete der strenge Lehrer Untermarzoner bis 1996. Er war bekannt dafür, sich kein Blatt vor den Mund zu nehmen. Da sich viele Eltern ob ihrer religiösen Gefühle verletzt fühlten, gab es auch schon mal eine Morddrohung gegen den Herrn Lehrer. Da er auch zum Kirchenaustritt aufforderte, wurde seine Pragmatisierung ausgeschlossen. Untermarzoner prozessierte und verlor. Seit 1996 ist Untermarzoner in Pension. Wäre es nach ihm gegangen, dann hätte er bis 70 gearbeitet, doch Norbert Häfele, der Direktor von Dornbirn-Schoren, war froh, als er ging.
Gottlos glücklich
Auf die Frage nach dem Auslöser, weshalb sich der ehemalige Priester gegen Gott und dessen Existenz entschied, sagt er, dass dies eng mit der Konfrontation in der Seelsorge und dem damit verbundenen Elend der katholischen Moral zusammen hinge. „Ich kannte die Theologie und die Bibel. Die ganze Frauenfeindlichkeit und Leibfeindlichkeit ist biblisch begründbar“ sagt er unverblümt. Ein Idealbild des Jesus von Nazareth sei schlichtweg nicht haltbar, sofern man die Bibel in Betracht ziehen würde. „Ich glaube keine Spur an die Existenz Gottes.“ Die Befreiung von der Kirche sei für Untermarzoner wie eine einzige Erlösung gewesen: „Obwohl die Kirche und der Klerus vorausgesagt hat, ich würde schwer darunter leiden und nie davon loskommen.“ So habe er nicht das geringste Problem mit dieser Loslösung gehabt, auch wenn es einige Mitbrüder gebe, die es nicht geschafft hätten und innerlich bis heute nicht losgekommen seien. „Sie leiden darunter, dass sie nicht Pfarrer sein können und verließen den Schoß der Kirche nur, um eine Partnerschaft mit einer Frau haben zu können.“ Beim Wahl-Meschacher sei dies nicht der einzige Grund gewesen. Auf die Frage, wie er über religiösen Fundamentalismus denkt, sagt er, dass Religion prinzipiell fundamentalistisch sei, denn ihr Fundament sei vom absolut perfekten, vollkommenen Gott, der sich geoffenbart habe: „Und was er geoffenbart hat, ist nichts als die absolute Wahrheit.“ Daher sei Religion und Fundamentalismus untrennbar. Den Islam sieht Untermarzoner nur als eine Sekte des Christentums, welche wiederum eine Sekte des Judentums sei. Was der charismatische Ungläubige möchte, ist eine wirkliche Trennung von Religion und Staat zu erreichen. „Die Kirche ist mausetot. Vom Staatwird sie jährlich mit drei Milliarden Euro finanziert. Von mir aus kann jeder glauben was er will, aber dass so etwas staatlich finanziert wird, va. dass Kinder im vorrationalen Alter in der Schule indoktriniert werden, das ist an sich ein Verbrechen.“
Zur Person: Mag. Adi Untermarzoner Geboren am 22. 9. 1931 in Klausen/Südtirol Beruf: Ex-Priester und Gymnasiallehrer i. R. Hobbys: früher: Klettern, Schifahren, Fußball, Volleyball; heute: lesen philosophischer und theologischer Literatur, Schreiben, Radfahren, Engagement für Umwelt- und Tierschutz. An Vorarlberg schätze ich: Das wunderschöne Land Lebensmotto: Mit möglichst geringem ökologischen Fußabdruck zu leben! |