Von Albert Wittwer
Verwässern? Das wäre doch gelacht, wenn man das nicht hinkriegt. Dabei ist die Suppe schon dünn genug. Aber immerhin soll es wenigstens Suppe geben. Das wäre wirklich neu.
Zur Erinnerung:
Österreich hat einen Körperschaftssteuersatz von fünfundzwanzig Prozent. Irland von 12,5 Prozent. Auch Luxemburg und die Niederlande haben niedrigere Steuern. Die G7-Staaten haben sich auf einen Satz von fünfzehn Prozent geeinigt. Die Steuer fällt bisher dort an, wo das Unternehmen, im Gegenstandsfall der Konzern, seinen Hauptsitz hat. Dort, sagen wir auf den Caymans oder den Kanalinseln (brit.), auf Zypern (EU) oder in Delaware (USA), muß der Konzern nicht einmal ein Büro haben, es reicht eine Firmentafel beim Treuhänder. Die Arbeiter und die Konsumenten wohnen anderswo, in den USA oder Europa. Dort wo der Konzern das Geld verdient. Der bloß virtuelle Hauptsitz hält die Patente, die Markenrechte oder gibt der Tochter in Österreich, obwohl hochprofitabel, teure Kredite, die nicht getilgt werden. Also hat die Tochter sehr hohe Aufwendungen, die sie an die Konzernmutter zahlt und erzielt in Österreich einen mickrigen Gewinn, den sie brav im Inland versteuert. Er soll bei Unilever 2016 geringer gewesen sein wie für ein durchschnittliches Tabakkiosk.
Was vielleicht kommt:
Voraussetzung der neuen Mindestbesteuerung soll sein, daß der Gewinn vor Steuern mindestens zehn Prozent vom Umsatz beträgt. Das schafft in Österreich kaum jemand – außerhalb der Internet-Branchen. Dem Meister eines mittlerein österreichischen Gewerbebetriebes bleiben sicher nicht zehn Prozent des Umsatzes als Gewinn im Sinne seines persönlichen Gehaltes. Er verdient dann im Vergleich doch erheblich schlechter als etwa einer der zahlreichen Mitarbeiter des persönlichen Kabinettes des ehemaligen Bundesministers des Inneren und bald Vorsitzenden einer bedeutenden österreichischen Partei, der uns Steuerzahlern unwidersprochen € 13.000 im Monat wert gewesen sein soll. Allerdings zahlt der Sekretär dann von seinen, sagen wir jährlich nach SV-Abzügen ca. € 150.000 Gehalt rd. 40 Prozent an Steuern. Auch die großen Automobilkonzerne erzielen bei weitem kleinere Gewinne als zehn Prozent des Umsatzes. Sogar Amazon liegt unterhalb dieser Gewinngrenze. Also werden sie alle die neue Konzernsteuer nicht spüren. Es mag „historisch“ (ORF) sein, daß sich wenigstens die G7-Staaten soweit geeinigt haben. Erledigt ist damit technisch noch nichts.
Warum lassen wir uns das gefallen?
Die meisten politischen Funktionäre sind sicher nicht bestechlich, obwohl den „Überreichen“ ein reiches Repertoire an Incentives zur Verfügung steht, sie wohlwollend zu stimmen. Oft genügt es ja schon, mit den Marsaleks & Co auf Du und Du zu stehen. Und nach Ende der Politik kann man immer noch auf ein Aufsichtsratsmandat hoffen, das noch viel besser bezahlt wird, als der oben erwähnte Privatsekretär.
Gravierender ist es, daß wir, die wir uns zum Mittelstand zählen, wohl dazu neigen, den Reichtum als Verdienst anzuerkennen, weil wir fürchten, daß egalitäre Prinzipien unsere Position bedrohen könnten. „Die Menschen, die im Wohlstand leben, der von Überfluß so weit entfernt ist wie vom Elend, legen auf ihren Besitz gewaltigen Wert. Da sie der Armut noch recht benachbart sind, sehen sie deren Härte aus der Nähe und sie fürchten sie. Zwischen ihnen und ihr liegt nichts als ein kleines Erbe, auf das sie ihre Ängste und Hoffnungen alsbald richten“ (Alexis de Toqueville, Über die Demokratie in Amerika, 1835).
Wir sollten als Stimmvolk aufhören, die Laschheit der sich so dynamisch gebärdenden politischen Führung zu tolerieren.
Anmerkungen:
Durchschnittsgehalt Arbeiter und Angestellte in Österreich ca. 30.000 p.a., dh. 2.143 p.m. Steuerlast € 5.600,- daher rd. 19 Prozent.
https://www.finanz.at/steuern/einkommensteuer/#ergebnis
Jan Marsalek, Österreicher, flüchtig, CEO von Wirecard.
Martin Schürz, Überreichtum, Campus Verlag.