Von Albert Wittwer
Ich kenne ein schönes, kleineres, sympathisches Land. Dort leben einige meiner besten, liebenswürdigen Freundinnen und Freunde. Außerhalb der Städte hängt an gefühlt jedem dritten Haus die offizielle, staatliche Fahne, Dieses Logo ziert auch unübersehbar jedes noch so bescheidene, im Inland erzeugte Lebensmittel.
Die Steuern sind niedrig. Die Arbeitsmoral ist hoch. Der jährliche Pflichturlaub für Arbeiter beträgt sogar vier Wochen. Der gesetzliche Mutterschutz-Urlaub beträgt vierzehn Tage, dann gibt es noch sechs Wochen ein Beschäftigungsverbot.
Der in mehrjährigen Verhandlungen ausgearbeitete Rahmenvertrag mit der Europäischen Union hätte eine Annährung bringen und mehr als ein Dutzend statischer Einzelverträge ersetzen sollen. Der Ex-Bundespräsident Leuenberger (SP) bezeichnete es im öffentlichrechtlichen Rundfunk als notwendig, den Vertrag nunmehr abzuschließen. Mit den in der EU vertretenen Nachbarländern bilde sein Land über die umfangreichen sozialen und wirtschaftlichen Beziehungen hinaus eine Wertegemeinschaft.
Ich bin ja des Lesens von Bürokratendeutsch kundig. Dennoch blieb mir ein Rätsel, weshalb der Lohnschutz, den etwa Österreich und Deutschland gegenüber dem deutlich niedrigeren Lohnniveau einzelner Nachbarländer durchaus hinkriegen, für dieses mit einer hocheffizienten Verwaltung gesegnete Land nicht durchsetzbar sei. Hingegen ist mir klar, wenn auch nicht verständlich, daß es EU-Bürgern, die zwei Jahre dort wohnhaft und vollbeschäftigt sind, erforderlichenfalls keine Sozialleistungen gewähren will. Das sehen in Österreich manche bedeutenden Parteien ähnlich.
Am letzten Sonntag ist das vom Bundesrat empfohlene CO2-Gesetz, mit dem das Pariser Klimaabkommen erfüllt werden sollte, vom Stimmvolk knapp aber doch verworfen worden. Die einheimischen Politologen meinten, das Thema sei für eine Volksabstimmung zu komplex und bestätigten damit den Vorwurf der Anhänger mehr repräsentativer staatlicher Organisation wie etwa in Deutschland oder Österreich, daß ohne Fachkenntnisse, wie sie sich Parlamentarier als Spezialisten aneignen können, vielfach Überforderung eintrete.
Mit großer Mehrheit wurde die Pestizid-Initiative „bachab geschickt“ (Originalton). Die inländischen Landwirte dürfen weiterhin ihr Gemüse mit synthetischen Pestiziden behandeln. Das schadet zwar nicht nur den Insekten, auch dem Grundwasser, das etwa sechzig Prozent der Landesbevölkerung trinkt. Sie bekommen trotzdem weiterhin staatliche Subventionen.
Auch der prophylaktische Antibiotika-Einsatz in der Tierhaltung ist weiterhin gestattet. Man mag sich gar nicht vorstellen, was das für die Schweine, Rinder und Hühner – und später das Kotelett – bedeutet.
Hingegen ist die Ausweitung der Polizeibefugnisse außerhalb des Strafrechtes zur Bekämpfung des Terrorismus mit großer Mehrheit vom Stimmvolk angenommen worden. Verdächtigte Personen können ohne richterlichen Befehl in ihrer Bewegung und ihren Kontakten eingeschränkt werden. In Österreich und Deutschland hat man bisher, trotz des Anschlages von Wien, darauf verzichtet, weil die bestehenden Kontrollrechte ausreichen.
Auflösung des Rätsels:
Offizielle Bundeshymne, „Schweizerpsalm“, Vers 1:
„Trittst im Morgenrot daher,
Seh’ ich dich im Strahlenmeer,
Dich, du Hocherhabener, Herrlicher!
Wenn der Alpenfirn sich rötet,
Betet, freie Schweizer, betet!
Eure fromme Seele ahnt
Eure fromme Seele ahnt
Gott im hehren Vaterland,
Gott, den Herrn, im hehren Vaterland.“
Anmerkungen: