Von Albert Wittwer
Antikorruptionsbegehren unterschreiben!
Noch nie ist von einer Gruppe von – sie mögen mir den Ausdruck verzeihen – konservativen – Juristinnen und Juristen, Intellektuellen und Kulturschaffenden ein ähnliches Flehen veröffentlicht worden. Was ist denn ein Volksbegehren anderes, als die untertänigste Bitte an die Nomenklatura, sie möge zuhören und sich in ihrer Arroganz zum Besseren bekehren? Sich freiwillig in ihrer Macht und Willkür beschränken? Das Instrument ist zahnlos, es erinnert an Du möchtest zwar, aber „Du sollst nicht begehren…“. Nachdem der Bundeskanzler zuerst sagte, er unterstütze es, nimmt er das im übernächsten Satz zurück: Es wird gnädig im Parlament „seriös und ernsthaft diskutiert“.
Was für ein Kabarett. Als hätte er nicht mit seiner Koalition die Parlamentsmehrheit, die es braucht, das Volksbegehren schlicht umzusetzen, als erfüllte er damit nicht veröffentlichtes Parteiprogramm + Wahlversprechen.
Aber wozu? Die Aufmerksamkeit des Publikums ist flüchtig. Man kann es ablenken. Welche Trikotfarbe trägt das Nationalteam im Achtelfinale? Tragen wir jetzt weiter Masken im Supermarkt? Bekommen wir im Juli wieder die Erlaubnis, „…zum Tanzen, Feiern und Heiraten…“? Immer nützlich: Flüchtlinge und Balkanroute. Oder nochmals Sputnik V. Leider hat Putin keine Zeit, wieder zu telefonieren.
Wer ist verantwortlich, daß Österreich im Korruptionsranking international weiter abrutscht? Die Staatsanwälte, die versuchen, die Symptome zu diagnostizieren und der Heilung zuzuführen, womit sie überhaupt erst bekannt werden? Leider liest niemand Regierungsinserate, eine österreichische Spezialität, für die es in Nachbarländern kein Budget gibt. Sie sollen ja auch nicht gelesen werden, sondern die Redaktion regierungsfreundlich stimmen. Nur die lästigen Qualitätsmedien fasten und berichten trotzdem.
Der Text des Volksbegehrens ist so elegant formuliert, daß ich nur verkürzt und verstümmelt zitieren könnte. Bitte im Original nachlesen, fröhlich und trotzig unterschreiben. Die Prinzen von Serendip, Schirmherren des glücklichen Zufalls, mögen uns gewogen sein.
Anmerkungen: