Jeder Deutschsprechende hat sicher schon vom Käpt’n Blaubär gehört, dem blauen Seebären, der seine Enkel mit seinem Seemannsgarn quält. Die Figur aber stammt von Walter Moers, die er in seinem Buch „Die 13 ½ Leben des Käpt’n Blaubär“ erfand, und danach an den Westdeutschen Rundfunk verkaufte. Ein weiteres seiner Bücher, das man kennt ist „Die Stadt der träumenden Bücher“. Doch Walter Moers hat wesentlich mehr zu bieten als nur das.
Von Daniel Andres
Ich habe mittlerweile doch schon Einiges an Fantasy-Literatur gelesen, und ich kann nicht vier Bücher nennen, die an das Niveau von Moers herankommen. Mit einem fantastischen Einfallsreichtum und einer geschickten Feder hat er jetzt mittlerweile zwölf Romane aus seiner Fantasiewelt „Zamonien“ verfasst, zwei sind noch in Arbeit, wobei das Erste dieses oder nächstes Jahr erscheinen soll, das Zweite jedoch für erst 2024/25 geplant ist, das aber auch sehr unsicher.
Eines der wichtigsten Merkmale seiner Bücher ist sein ausgefuchster Schreibstil. Neben zahllosen Wortspielen und Wortkreationen, die irgendwie sehr viel Sinn ergeben, verwendet er auch für wenig wichtige Seitcharaktere Anagramme der Namen berühmter Personen als eigenen Namen. Dabei achtet er darauf, die Persönlichkeit etwas abzustimmen. So heißt ein wichtiger Autor „Ohjann Golgo van Fontheweg“. Formt man die Buchstaben, so erhält man „Johann Wolfgang von Goethe“. Weiters schreibt er sehr bizarr und komisch, aber auch sehr emotional und stürmisch passagenweise. In seinen besten Büchern wird man schier hin und hergerissen, einmal eine spannende Stelle, zwei Seiten später ist es so ruhig, dass man schon ahnt, dass was passiert. Doch dann kommt eine traurige Stelle, und sofort ist der Schreibstil wieder hoffnungserfüllt.
Was für ihn wichtig ist, zumindest was man ihm anmerkt, denn er ist der Öffentlichkeit sehr verschlossen, sind die Charakterentwicklungen. Der „Käpt’n Blaubär“ handelt zum Beispiel ausschließlich davon, was Blaubär in den einzelnen „Leben“ lernt. Zudem sind alle Bücher verbunden, durch immer wieder auftauchende Charaktere als Neben-, Haupt- oder Antagonistenrolle, oder gemeinsame Schauplätze. Auch geschichtliche Ereignisse werden fortwährend erwähnt, man kann also die einzelnen Bücher gut geschichtlich einordnen.
Die Bücher (nach Erscheinungsdatum):
Als erstes herausgegebenes Buch eignet es sich außerdem hervorragend als Einstieg in die Welt. Die Geschichte – Der Käpt’n Blaubär reist durch Zamonien ab seiner Geburt, und die einzelnen Stationen werden als „Leben“ betitelt. Zum Beispiel ist er in einem der ersten Leben auf einer Insel, die sehr viel Essen hat, und auf der er die Geschmäcker kennenlernt, und weiß, was man kombinieren kann. In diesem Schema lernt er also in jedem Leben etwas, manche dauern länger, manche kürzer, und mit jedem Abschnitt ist ein dramatisches Ereignis verbunden, das mit höherer Zahl auch immer gravierender wird.
Das eher kürzere Buch ist wesentlich mehr als nur eine Parodie auf das altbekannte Märchen, auch wenn es einige Referenzen vorzeigt. In zwei Teile ist es aufgespalten, einen Märchenteil und einen Biografischen. Im Märchen geht es um zwei Geschwister – Fhernhachen, von Moers erfundene Geschöpfe, die vom Weg abkommen, und in den gefährlichen Teil des Waldes kommen. Dort wurde einst die Waldspinnenhexe verbrannt, und aus ihrer Brandleiche traten gefährliche Dämpfe aus, de jetzt für Halluzinationen sorgen. Die zwei Geschwister werden jetzt also von Halluzinationen und Waldkreaturen heimgesucht.
Der zweite Teil erläutert das halbe Leben von Hildegunst von Mythenmetz, dem fiktiven Autoren des Märchens, der in späteren Büchern noch eine zentrale Rolle spielen wird.
Dies ist ein klassischer Heldenroman. Die Abenteuer eines kleinen Wolpertinger (die süß als Babys sind, aber furchteinflößend als erwachsene Tiere), der gefangen genommen wird, lesen und schreiben lernt – im Gegensatz zu seinen Artgenossen, und anschließend seine Gefangenenhalter besiegt und Zelleninsassen befreit. Er freundet sich auch mit Volzotan Smeik an, mit dem er zuerst gemeinsam reist, dann aber allein nach Wolperting geht. Dort wird er seine große Liebe finden.
Die muss er aber retten, und im zweiten Teil steigt er dafür in die Unterwelt. Dort muss er seine Fähigkeiten nun beweisen.
Das wohl bekannteste und am weitesten verbreitete Moers-Buch spielt wie erwähnt aus der Sicht des Dichter-Lindwurms Hildegunst von Mythenmetz. Dieser folgt nach dem Tod seines Dichterpaten einer Spur, die er einem seiner Briefe nimmt, und die ihn nach Buchheim führt. Buchheim ist eine Stadt, erbaut auf einem riesigen Untergrundlabyrinth, und die Heimat (fast) aller Bücher in Zamonien. Der Großteil der Bevölkerung sind Archivare und Bibliothekare. Mythenmetz will den Adressaten des Briefs finden, und stößt auf den Buchhändler Phistomefel Smeik, der ihn über die korrupten Machenschaften seinerseits aufklärt, danach vergiftet und ins Labyrinth schickt. Dort will Mythenmetz den sagenumwobenen „Schattenkönig“ finden und um Hilfe bitten.
-> dieses Buch erschien auch als 2-teiliger Comic.
Der Schrecksenmeister ist eine Aufarbeitung von Kellers „Spiegel, das Kätzchen“ und gibt die Geschichte nahezu identisch wieder. Nur halt übertragen auf Zamonien. Diese Geschichte ist die mit Abstand Gruseligste, auch wenn sie sonst lustig ist. Protagonist Echo (eine Kratze; sprechende Katze) kommt zum Hexenmeister Succubius Eißpin, der Echo Essen bereitstellt, und ihm alles über Hexerei erzählt, um ihn zu töten und Kratzenfett aus ihm zu machen. Echo lernt neben einigen neuen Speisen auch neue Verbündete kennen, die ihm helfen freizukommen.
Als die Fortsetzung der „Stadt der träumenden Bücher“ musste das „Labyrinth“ nun ein hochgestecktes Niveau erreichen, was auch für einen Autor von Moers‘ Kaliber eine Herausforderung ist. Viele Leser waren schwer enttäuscht, und betitelten es mit „Zeitverschwendung“, „Verarschung“ oder gar „bereit für den Ofen“. Dabei ist es gar nicht so schlecht. Nun, natürlich hat es (fast) keine Spannung bis zum Schluss. Das aber liegt daran, dass ursprünglich die Fortsetzung, die 2024 erscheinen soll hinten angehängt werden sollte. Der Inhalt: Mythenmetz kehrt zurück nach Buchheim, und hat sein schriftstellerisches Talent verloren. Buchheim ist neu errichtet, und nun findet dort der „Puppetismus“ seine Heimat. Etwa 80 Prozent des Buchs drehen sich um Puppetismus-Theorie, und ironischerweise findet kein einziges Kapitel im Labyrinth statt. Das Buch endet mit dem Cliffhanger-Satz „Hier fängt die Geschichte an. Empfehlenswert erst dann, wenn das „Schloss der träumenden Bücher“ erscheint.
Zu diesen zwei Büchern kann ich leider nichts sagen, da ich sie bis dato noch nicht gelesen habe.
Im „Bücherdrache“ findet sich Hildegunst in einem Traum wieder. Dort begegnet er seinem gleichnamigen Freund, Hildegunst 2“, einem Buchling (kleine bücherliebende Zyklopen), welcher ihm eine Geschichte erzählt, die er selbst erlebt hat, und in der er Nathaviel dem Bücherdrachen begegnet. Als junger Buchling wurde Hildegunst 2 von ein paar anderen ebenfalls jugendlichen Buchlingen auf eine Mission geschickt. Er solle dem legendären Bücherdrachen Nathaviel eine seiner wertvollen Schuppen aus der Haut reißen, um ihrem Club beizutreten. Hildegunst 2 macht sich auf die Reise und entdeckt, dass Nathaviel gar nicht so böse ist, wie viele sagen. Er unterhält sich lange mit dem Drachen, doch gerät dann in Schwierigkeiten.
Interessant hierbei ist, dass der Anfang als Comic geschrieben ist, bis Hildegunst 2 anfängt zu erzählen.