Nach Helmut Marent und Hilde Wachter, die beim Einmarsch der Franzosen noch sehr jung waren und deren Kindheitserinnerungen an die französische Besatzungszeit in den vergangenen zwei Wochen veröffentlicht wurden, erinnert sich nun ein Zeitzeuge, der im Mai 1945 bereits 10 Jahre alt war, an diese Zeit zurück.
Von Claudia Wachter
Einmarsch der Franzosen
„Als wir gehört haben, dass die Franzosen einmarschiert sind, haben wir an unserem Haus eine weiße Fahne gehisst“, berichtet Reinold Koch, welcher am 7. November 1934 in Tosters geboren wurde. Da die SS, welche die Macht nicht freiwillig abgeben wollte, die Felsenaubrücke gesprengt hatte, mussten die französischen Panzer vor Feldkirch stehenbleiben und konnten erst nach längerer Zeit über Umwege in die Stadt einfahren: Über die Letze, wo sie durch einen Panzergraben durchmussten, indem der erste Panzer hineinfuhr und alle weiteren über diesen fuhren, gelangten sie nach Frastanz und schlussendlich in die Bezirkshauptstadt, erzählt Koch. Vor Ort war auch der damals Zehnjährige, der die Panzer bestaunte und sogar auf einen solchen klettern durfte.
Schmuggelei zur Existenzsicherung
Anders als Stadtmenschen konnten sich Bauern und Menschen auf dem Land bis zu einem gewissen Grad selbstversorgen, wodurch sie Hunger nicht im selben Ausmaß wie diese erleiden mussten: „Uns fehlte nichts, muss ich sagen – Wir hatten eine kleine Landwirtschaft: Wir hatten eigene Milch, eigene Kartoffeln, eigenen Weizen, eine eigene Mühle, bei welcher wir selber mahlen konnten und ansonsten hat man vielleicht einmal eine Sau schwarz geschlachtet“, so der Tostner. Grundsätzlich aber war die Besatzungszeit eine Zeit des Hungers für die Vorarlberger Bevölkerung, weshalb der Schwarzmarkt boomte. „Ein bisschen Schwarzhandel musste man ja betreiben“, meint Koch. „Mit Lebensmitteln und Getränken konnte man so einiges erreichen – es gab ja genügend [Leute], die nicht zu viel hatten.“ Er erinnert sich daran zurück, wie er die Taschen seiner Knickerbockerhose mit Eiern füllte und so über die Grenze nach Liechtenstein ging, wo er für seine Ware Geld oder Schokolade erhielt. Über der Grenze baute seine Familie auf einem gepachteten Acker auch Kartoffeln an, welche sie entweder vor Ort verkauften oder zurück nach Vorarlberg brachten: Bei der Rückkehr konnten noch weitere Dinge unter der Ernte versteckt und so ins Land gebracht werden – dies seien aber nur kleine Schmuggeleien gewesen, so Koch. Schmuggel zu betreiben war allerdings nicht ungefährlich: Koch berichtet von seinem Onkel, welcher im Vollrausch Spitzeln von einem anstehenden Tauschgeschäft erzählte. Als dieses dann stattfinden sollte, wurde er geschnappt und landete für längere Zeit hinter Gittern.
Arbeitserfahrungen als Jugendlicher
Neben den Arbeiten, welche in einer Landwirtschaft anfallen, die Koch als Heranwachsender verrichten musste, erinnert er sich an einen weiteren Job zurück: Einem Bäcker aus Nofels, der täglich mit seinem Brotwagen in die umliegenden Dörfer zog, half Koch manchmal beim Ziehen des Anhängers und war dafür mehrere Stunden unterwegs. Wenn er Glück hatte, erhielt der Junge zum Dank für seine Arbeit eine Semmel; dies sei allerdings nicht immer der Fall gewesen.
Erfahrungen mit den Besatzern
Die Mutter von Reinold Koch wurde von den Besatzungssoldaten dazu eingeteilt, Essen für die französischen Soldaten vorzubereiten. Aus diesem Grund befand sich in seinem Haus ein Lebensmittellager der Franzosen, in welchem Weißbrot, Fleischbüchsen und Zigaretten für diese aufbewahrt wurden. Diese wurden vor dem Verstauen genau abgezählt, weshalb die Familie Schwierigkeiten bekommen habe, nachdem sie einmal eine Fleischbüchse aus dem Lager für sich genommen hätten. Des Öfteren hätte der Junge aber unbemerkt Zigaretten entwendet.