Von Albert Wittwer
Der Bundeskanzler könnte die Regierungskrise souverän beenden – das Amt an jemand in seiner Partei übergeben – und sich der Wiederherstellung seines Rufes widmen. Der ist ja auf dem nationalen oder europäischen Parkett nicht unwesentlich. So kann das nichts mehr werden. Er ist nicht der Medientycoon Berlusconi. Die ö. Justiz ist nicht die italienische. Unsere Leidensfähigkeit ist weniger etabliert, unsere Erwartungen an Mandatsträger gehen über eine glänzende Oberfläche und ihren Unterhaltungswert hinaus. Mit seinen Talenten und seiner Jugend könnte er – wenn dieser Alptraum vorbei sein wird – wieder durchstarten. Das hohe Staatsamt hat ihn vor Strafverfolgung nicht geschützt und wird ihn in der Verteidigung behindern.
Wäre diese Untersuchung auch bei einer Justizministerin aus dem Kreis der „Familie“ eingeleitet worden? Hätte sie nicht das prestigeträchtige, in Zeiten der EU weitgehend sinnentleerte Außenministerium den Grünen überlassen und die Justiz behalten können?
Seit Jahrzehnten beschäftigt sich die Strafjustiz gründlich mit sogenannten Mißbräuchen aller Arten, besonders von Menschen außerhalb des Establishments. Wie selten wird ein amtsführender und zugleich hoher politischer Funktionär belangt? Man kann es an einer Hand abzählen. Da ist die Hausdurchsuchung im Kanzleramt schon solitär.
Für die Steigbügelhalter ist es peinlich, auf das falsche Pferd zu setzen. In Trumps USA kann man die verspäteten Absetzbewegungen der engeren Vertrauten zum Gaudium des Publikums fast täglich nachlesen und –hören. Es wird sie nicht rehabilitieren.
Niemand außerhalb der „Familie“ glaubt, daß die österreichischen Staatsanwälte und Untersuchungsrichter einen Staatsstreich ausführen. Sie haben sich das gründlich überlegt, mehrmals überschlafen. Und lange darüber nachgedacht, wofür sie in der dank Gewaltenteilung freien, demokratischen Republik Österreich stehen wollen. Ich denke, die österreichischen Richter und Staatsanwälte wollen auch morgen noch in den Spiegel sehen können. Und die oft noch vielen Jahre aktiven Berufslebens in Würde abschließen.
Anmerkung: § 27 Angestelltengesetz
Als ein wichtiger Grund, der den Dienstgeber zur vorzeitigen Entlassung berechtigt, ist insbesondere anzusehen: … wenn der Angestellte im Dienste untreu ist, sich in seiner Tätigkeit ohne Wissen oder Willen des Dienstgebers von dritten Personen unberechtigte Vorteile zuwenden läßt, insbesondere entgegen der Bestimmung des § 13 eine Provision oder eine sonstige Belohnung annimmt, oder wenn er sich einer Handlung schuldig macht, die ihn des Vertrauens des Dienstgebers unwürdig erscheinen läßt;