Dr. Harald Walser, Mitbegründer und Vorstansmitglied der Johann-August-Malin-Gesellschaft, begann bereits in den 1980er Jahren mit der Geschichtsforschung zu dem Thema NS-Verbrechen in Vorarlberg. Groß war das Interesse der Bevölkerung im Alten Kino in Rankweil, als er einen interessanten sowie recht schockierenden Blick in die Vergangenheit und der Art und Weise, wie der Umgang damals war. Der Altacher Historiker, Lehrer, Direktor i.R. und Politiker gab reichlich Denkanstösse und Impulse und schaffte auch den Blick in die Gegenwart.
Von Bandi Koeck
Die Besucher lernten anhand konkreter Beispiele, wie verdrängt, vergessen und vergeben wurde. Dabei nahm sich Walser bekanntlich kein Blatt vor dem Mund, auch wenn den Veranstalter des Alten Kinos mehrere Mails erreichten, warum man das Thema denn nicht einfach sein lassen könne. Kann und darf man nicht, der Weg zu Auschwitz sei oft nicht weit: Die großen Industriellen wie Hämmerle, Ganahl, Rhomberg und die Illwerke waren sehr verstrickt. Sie waren auch diejenigen, welche am meisten vom Natinalsozialismus profitiert haben. Dabei gab es viele Arisierungen.
Walsers These lautet (und wurde bis dato nicht widerlegt!), dass Vorarlberg das Bundesland ist, das va. wirtschaftlich am meisten vom Natinalsozialismus profitiert hat und dass das bis heute spürbar ist, denn die gebauten Straßen gibt es heute noch. Im Vortrag genannt wurden: Die Gemeine Koblach und das Kriegerdenkmal, bei dem ein Desserteur als Vermisster deklariert worden ist. „Die Wejrmachtsdesserteure haben objektiv das Richtige getan“ so der Germanist. Walser sprach Tabuthemen wie Euthanasie, Zwangsterilisation oder Massenvergewaltigungen durch die Wehrmacht in der Sowjetunion konkret an. „Historiker rechnen mit mindestens 100.000 Fällen, die nicht aufgearbeitet worden sind. Auch Zwangsprostitution in Wehrmachtsbordellen und Konzentrationslagern.
Täter wurden nach 1945 auch verdrängt und vergessen
Der Leiter der Tötungsanstalt Brandenburg Dr. Irmfried Eberl, gebürtiger Bregenzer (1910 – 1948), wurde zum ersten Kommandanten des Vernichtungslager Treblinka ernannt. Eberl wurde abgesetzt, weil er zu viele Inhaftierte zu schnell ermordet hatte: Leichenberge und übervoller Krematorien stellten ein logistisches Problem dar. Nach 1945 wurde nicht mal nach ihm gefahndet. Der Kriegsverbrecher und Massenmörder Eberl wurde zufällig von einem Häftling erkannt und daraufhin ein kurzes Verfahren eingeleitet ohne herauszufinden, dass er der Kommandant war. Nach seiner zweiter Ehe verübte er 1948 suizid.
Dr. Josef Vonbun (1902 – 1984) aus Rankweil, war Leiter der Valduna (heute LKH Rankweil). Mit seinem Privatauto isst Vonbun in den Bregenzerwald gefahren, um Menschen einzusammeln, die von Rankweil über Hall bis Hartheim transportiert wurden. 1941 tötete er seine behinderte Tochter. Vonbun wollte sogar seine Frau vergasen, da er Eheprobleme hatte. Dies wurde kurz vor 1945 gestoppt. Erst 1961 konnte der Kriegsverbrecher und Mörder durch die deutsche Staatsanwaltschaft belangt werden. „Er hatte einen riesigen Akt, aber das Verfahren wurde ohne Anklage eingestellt – etwas, das heute undenkbar ist“ so Walser konkret. Vonbun blieb unbehelligt und starb 1981 eines natürlichen Todes.
Josef Vallaster arbeitete in Schloss Hartheim (OÖ) als sog. „Brenner“. Dort überschritt er seine Kompetenz mehrmals und betätigte selbstständig und ungefragt den Gashahn und leitete zu wenig Gas ein, sodass die Gefangenen länger leiden mussten, bis sie starben. Vallaster dann nach Sobibor ins Vernichtungslager versetzt und fiel durch seine Grausamkeit besonders auf!
Es gab einen riesen Skandal auf dem Kriegerdenkmal im Montafon, bei dem Vallaster als Gefallener ausgezeichnet wurde. Zudem war er auch in der Krypta am Heldenplatz in Wien namentlich verewigt. „Massenmörder scheinen in einer offiziellen Gedenkstätte der Republik auf zu der Staatsmänner aus aller Welt (u.a. Israel) geführt werden. Der ehem. Verteidigungsminister Darabos strich den Namen durch, die Krypta war ein Jahr geschlossen und ist jetzt wieder auf. Es geht heute weiter bisher“ sagte Walser.
Dr. Elmar Grabher (1911 – 1987) (man sagt über ihn, dass er zuerst ein ordentlicher Vorarlberger und dann Nationalsozialist gewesen sei!) war ein fanatischer Nazi und ab 1945 Mitglied der Widerstandsbewegung und führte mit Landeshauptmann Ilg die Verhandlungen mit der frz. Besatzungsmacht. „Kein Akademiker war damals in unserer Landesregierung und Grabherr der einzige, mit perfekten Französischkenntnissen und für die Entnazifizierung zuständig. Mehr Widersprüche gibt es nicht!“
Auch Dr. Franz Ortner, ehem. Chefredakteur der Vorarlberger Nachrichten (VN) war ein großer Nazi-Sympathisant.
Hermann Rhomberg aus Dornbirn leitete seinen „NS-Musterbetrieb“ und war wirtschaftlich für einen so großen Raum zuständig, der das heutige Gesamtösterreich umfasst.
Alte Nazis kamen bei der Dornbirner Messe unter (Natalie Beer, Plankensteiner), denn diese wurde als Refugium für ehemalige Nazis gegründet.
Rudolf Hämmerle, Ariseur, wurde in Ländle ÖVP Vorsitzender.
Natalie Beer war die einzige Vorarlberger Schriftstellerin, die ein Landesgehalt bezogen hat. 1981 lehnte sie eine Resolution der Vorarlberger Autoren ab, die sich gegen die Bücherverbrennung der Nazis aussprachen! Sie sympathisierte mit den Neonazis. Erst 1983 durch ein Interview mit Michael Köhlmeier, das im ORF ausgestrahlt wurde, begann die Auseinandersetzung mit ihrer Person!
Twist tanzen war in Vorarlberg verboten und wurde nur auf einem Bodenseeschiff gemacht
Vorarlberger Filmzensur war österreichweit am krassesten (z.B. „Flash“ von Andy Warhol etc.) bis diese verfassungswidrige Praxis eingestellt wurde!
Auch der Bikini war verboten!
August Weiß, Desserteur aus Bregenz, kam in ein Soldaten-KZ und als er nach 1945 zurück kam und aqm Bahnhof Bregenz ankam wurde er sofort bespuckt. Seine Inhaftierungszeit wurde nicht an die Sozialversicherung und Pension angerechnet, die Zeit der Aufseher in KZs für diese hingegen schon!
Dornbirn war ein braunes Nest auch dank der Unterstützung der Industrieller
„In Dornbirn gab es zum Höhepunkt der Terrorwelle bis zu 25 Anschläge täglich respektive nächtens durch Papierböller, um Türen auszuhebeln oder in Aktentaschen versteckt. Es gab Ausgangssperren ab 20 Uhr, welche dann auf 18 Uhr beschränkt wurden.
Alfons Mäser, Chef der Dornbirner SS brachte Hugo Lungadon (1893 – 1940) in der Nacht vom Anschluss 1938 nach Dachau und dann Mauthausen. Seine Frau mit zwei kleinen Töchtern (die jüngste war erst fünf) wurde in derselben Nacht aus der Wohnung geschmissen und öffentlich diffamiert.
Tobias Feurstein (1893 – 1944), Wirt des GH Hohe Kugel in Götzis, war bereits in den 30er Jahren Kämpfer für den spanischen Bürgerkrieg und half später Juden über die Grenze. Er konnte im letzten Moment flüchten, ist angeblich am Rhein umgekommen. Seine Leiche wurde in Hard „gefunden“. Seine Familie durfte den Sarg nicht öffnen. Dieser wurde von zwei SS Männern bewacht. 1960, als seine Frau gestorben ist und Feursteins Sarg geöffnet wurde, fand man darin nur Steine.
Meinrad Juen (1893 – 1940) aus Sankt Gallenkirch rettete Juden übers Jöchle, nahm dafür Geld an. „Heute wäre er ein Schlepper“ so Harald Walser.
Der Altacher Historiker schloss mit seiner Buchneuerscheinung über Maria Stromberger aus Bregenz, dem „Engel von Auschwitz“ und wird am 2. Februar 2022 seine neue Publikation, für die er über 30 Jahre geforscht hatte, im Alten Kino vorstellen.