Stefan Vögel und Anna Gross: Gsiberger-Kabarett der Extraklasse

© Bandi Koeck

In ihrem aktuellen Kabarett „Wo simmr stohblieba“ behandelt der Onkel und die Nichte – so die Relation der beiden im wahren Leben – wie es vor dem 16. März 2020 war, als Covid-19 und damit die Coronakrise ausbrach und eine Welle der nächsten folgte und ein Lockdown den anderen ablöste. Stefan Vögel und Anna Gross brillieren wie wohl niemand sonst in der Ländle-Kabarett-Szene.

Von Bandi Koeck

In kleinen Episoden werden die Lachmuskeln des Publikums getestet und es wird von der ersten bis zur letzten Minute alles andere als langweilig, denn Abwechslung (Ablenkung?) vom oft so tristen coronaverseuchten Alltag ist bei Vögel und Gross garantiert. Das ganze kann als „Kurs für das Leben davor“ (und danach?) verstanden werden. Es ist ein Lichtblick, dass es wieder so wird, wie es war, wie wir es kannten und geliebt (aber wohl kaum geschätzt) haben – unser Leben vor Corona mit all den unverständlichen Facetten und Einschränkungen.

Doktortitel für Vögel

Es ist schwer zu sagen, welche „Kurzgeschichte“ im anderthalbstündigen Bühnenstück die Beste ist. Die beiden Schauspieltalente Vögel und Gross (vormals Neuschmid – Tochter von Vögels Schwester Maria) brillieren durch perfekt in Szene gesetzte Mimik und Gestik, durch ihr Talent, mit Sprache, Sprachmelodien und veränderten Stimmen zu spielen und in andere Rollen zu schlüpfen. Stefan Vögel ist schließlich jemand, dem man den Doktortitel verleihen sollte, für etwas, was keiner im deutschsprachigen Raum derart gut beherrscht wie der Gurtiser: Er kennt die alemannische Seele mit all ihren Facetten und Schattenseiten, er vermag es durch Wortwitz mit Dialektausdrücken zu spielen und weiß, wo er diese einzusetzen hat (wann haben wir Gsiberger etwa das letzte Mal „Bodasura“ oder ähnliche Dialektwörter in den Mund genommen?).

Was bleibt bei „wo simmr stohlbliba“ beim Publikum in Erinnerung?

Dass es etwa nur zwei Stühlen, einem schlecht lackierten Holztisch (aus dem elterlichen Gasthaus in Gurtis?) und einem Gardarobenständer bedarf, denn alles andere würde vom großen Schauspiel unnötig ablenken?

Dass das über vierminütige Dialektlied „Dr Gucci Mantel“ leicht zu einem Ohrwurm mutieren kann?

Dass bei der Einlage des alten Bergbauernehepaares (bei dem Anna unglaublich authentisch rüberkommt), das über ihre Vergangenheit philosophiert, ein so mancher sich in Erzählungen der eigenen Eltern, Großeltern oder gar Urgroßeltern zurückversetzt fühlte?

Dass – als Stefan die vielen Akzente bei der vermeintlichen Prüfung der VHS Götzis über die Sage der „Drei Schwestern“ mimte – kein Auge trocken blieb, vor allem der „Steirer Leopold“ oder der Ungare, Franzose, Holländer – nein, es war der Lustenauer, der für die wahren Kalauer sorgte.

Dass während der Coronazeit das Sexleben so mancher Gsiberger etwas außer Kontrolle geriet.

Dass ein Hells Angel nicht zwingend männlich sein muss, da er sonst schnell mal dem Hells unwürdig – unglaubwürdig wird.

Fazit

Ein äußerst gelungenes Stück, das Seinesgleichen suchen kann. Inhaltlich Herrn und Frau Vorarlberger auf Leib und Seele geschrieben. Ohne Zweifel muss man es mindestens dreimal gesehen haben, denn es ist sehr facettenreich und wohl das Beste, was die Kabarettszene in den letzten Jahren (ich spreche jetzt nicht von Stefan Vögel in seiner Solo-Rolle als „Boxer“) gesehen hat. Kurzum: CHAPEAU dem Großmeister aus zwei Ländles!

Weitere Aufführungen: Am 29. und 30. 12. im Spannrahmen in Hard und am 2./4./5.1.22 in der Kulturbühne AmBach in Götzis. Alle Termine auf www.vovo.at.

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