Covid – Warum sind wir so nervös?

Von Albert Wittwer

Vielerorts wird die gesellschaftliche Spaltung beschworen oder beschrieben. Der Bundespräsident appelliert an Zusammenhalt und Solidarität. Die überaus bewährte Konsenspolitik der früheren Regierungen mit Sozialpartnerschaft und starker sozialer Absicherung der Schwächeren hat uns zu einem der lebenswertesten Länder weltweit gemacht.

Ich habe nahe Verwandte, die von ihrem sozialen und wirtschaftlichen Status her nach langem Auslandsaufenthalt überall in der Welt leben könnten. Sie wählten Österreich. Das verwundert mich nicht.

Die Schuldzuweisungen sind fruchtlos. Schmerzlich und unerträglich sind die Vergleiche der durch die Maßnahmen Benachteiligten mit den Opfern des Faschismus oder der jahrhundertealten rassischen Diskriminierungen.

Ich maße mir kein Urteil zu, welche der Coronamaßnahmen zu spät oder überschießend sind. Ich denke, noch nie in der Geschichte der Menschheit hat der Staat so gut funktioniert, versucht auf unsicherem Terrain niemand zurückzulassen, alle aufzufangen, zu versorgen. Nicht nur die Nomenklatura, die nicht mit dem Pöbel reist, auch Sie und mich. Das ist ausschließlich der demokratischen, gewaltenteilenden Staatsform und ihren stabilen Institutionen zuzuschreiben. Warum blicken wir nicht auf das Viele, das weiterhin gut funktioniert?

Das Benzin kostete in der Ölkrise 1973 nominal gleich viel wie heute, mit Wertsicherung war es damals um mehr als den Faktor zehn teurer. Die Schulen und Kindergärten bleiben offen. Die Betriebe arbeiten, produzieren weiter. Die Hotels, Restaurants, die Händler und die persönlichen Dienstleister werden, so hoffe ich, wie früher entschädigt und können sich auf den Ansturm nach Aufhebung vorbereiten.

Warum also sind wir so nervös? Warum können wir es nicht erwarten, daß alles wie vorher oder noch besser sein wird? „I want it all and I want it now!“ Bereits den Kindern wird ein Machbarkeitsdenken eingetrichtert, daß es für alles eine schnelle Lösung, ja eine App gibt.“.

Leider und dennoch: Unsere Regierungsform ist hoch obsolet.

Meine Lieblingsutopie: Wir ändern die Verfassung. Regierende müssen, wie heute Marion Draghi, der eine noch nie dagewesene Zustimmung im als unregierbar geltenden Italien hat, wie weiland Frau Doktor Bierlein und Ihre Regierung, kompetent sein. Etwas Ähnliches wollte schon, vermutlich aus guten Gründen, Platon mit seiner Herrschaft der Philosophen, die damals auch für die Naturwissenschaft standen.

Da die Wahlwerber immer schwarz malen, es gäbe nämlich entsetzlich viel zu tun, alles was ohnehin funktioniert, müsse drastisch verbessert werden, nur sie selber können dafür Urteilsfähigkeit und Entscheidungsstärke aufbringen, wird den stilleren Experten mangelnde Legitimität unterstellt. Eine Zwischenlösung hat die Schweiz. Im dortigen Bundesrat sind alle Parteien vertreten und die Entscheidungen müssen einstimmig sein. Das ergibt ein gutes Bild in der Öffentlichkeit und ist wenig abenteuerlich, aber überlegt und ausgewogen. Für uns Österreicher möchte ich gerne zusätzlich aus dem Konklave im Vatikan die Geschäftsordnung übernehmen. Der Ministerrat wird bis zur Erledigung seiner jeweiligen Agenda eingesperrt, die Mitglieder dürfen nicht chatten oder telefonieren und werden mit Bioprodukten verpflegt. Das wird den Kompromiss und den Konsens begünstigen und uns Unterlingen dienlich sein.

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