Fulminant. Eine der wohl legendärsten Schweizer Mundartbands gastierte vergangenen Freitagabend im TAK und verzauberte das Publikum, das eigens von vielen Ecken angereist war.
Von Bandi Koeck
Eine in sattes grünes Licht getauchte Bühne, auf der sich ein ganzer Haufen Instrumente türmen. Auffallend sind die vielen Gitarren – von Akustik über E- bis Banjo, Mandoline und Ukulele. Als die vier Barden aus Bern die Bretter, die die Welt bedeuten betreten, wird es sogleich laut und lässig. Denn eines steht fest: Stiller Has wurde noch vor dem Fall der Berliner Mauer 1989 in Bern gegründet. Die Gründerväter Balts Nill und Endo Anaconda – letzterer ist Frontmann der Band und kann als die Seele dieser verstanden werden – haben zuvor bereits in mehreren Formationen gespielt. Nill schied 2005 aus, seitdem tritt die Band in neuer Besetzung mit Gitarrist und Langbartträger Boris Klecic, Roman Wyss an der Orgel und dem Schlagzeuger und Multi-Instrumentalisten Bruno Dietrich auf. Bei der über zweistündigen Show in Liechtenstein spielte das Quartett einen bunten Mix aus der neuesten Veröffentlichung „Pfadfinder“ (2020) und Altbekanntem (immerhin kann in der langen Bandgeschichte auf 15 Alben zurückgegriffen werden). Vom ersten bis zum letzten Klang schien das Publikum wie hypnotisiert und regelrecht in den Bann gezogen.
Poesie gegen Coronakrise
Stiller Has sind Legende – zumindest für all jene, die gerne aus dem bunten Potpourri aus Rock, Blues und Crossover naschen und ihrem Hör- und Sehsinn etwas Gutes tun möchten. Es ist wohl dieser unverkennbare Mix von drei Instrumenten (Drums, Gitarre und Piano), die perfekt miteinander harmonisieren und welche die eingängige Stimme von Endo Anaconda in seinem ganz eigenen Storyteller-Modus hervorragend zu ergänzen weiss. In seinen Geschichten, die allesamt aus dem Leben stammen, befindet sich sehr viel Wortwitz, Dialekt-Kalauer und noch mehr Poesie: „I han nur na gfressa, dass i ha könne schiessa“ spricht er zum Publikum über die Coronakrise, ohne sich ein Blatt vor den Mund zu nehmen. „Ich bin zum Antikörper worda“ und fantasiert von einer „Omichronspritze, die mit Gin Tonic und Seltzer gefüllt ist“, damit die Tour im Herbst 2022 stattfinden kann. „Hütsa Tag ka jeds Konzert s`letschte si!“ Durch bittersüsse und absolut aufrichtige Mundart-Verse spricht Anaconda uns aus der Seele und hält der selbstverliebten Selfie-Gesellschaft einen Spiegel vors Gesicht. Er nimmt Schwurbler genauso in den Schwitzkasten wie Klimasünder.
Befreiende Jazzklänge
Im TAK bewiesen Stiller Has, dass sie nicht nur ohrenbetäubende Magier von reizenden Klängen sind, sondern auch markante Individuen, vor allem optisch: Ein Gitarrist, der aussieht, als wäre er frisch von ZZ Top abgehaut, ein Panzerknacker mit Ukulele, Harmonica oder Drumstick bewaffnet, ein glatzköpfiger Pianist mit Brille und Lederschuhen und natürlich Anaconda, der Mann mit Hut, der Cocker-Zucchero-Verschnitt der Schweizer Alpen, dem zwei Herzen in der Brust wohnen, schließlich hat er eine österreichische Mutter. So oder ähnlich stellte Letzterer auch die Band vor. Aber nicht nur das Publikum, sondern auch die vier Vollblutmusiker hatten merklich viel Spass und kamen nach jeder Nummer noch mehr in Fahrt: Zusehends wurde es bluesiger – etwa bei „Nachtzug“ – und auch das muntere Jammen kam nicht zu kurz: „Der Begriff Freiheit isch überstrapaziert. Den gits hüt nur meh im Free Jazz!“ Gesagt – getan: Bei „Chräie“ ging es voll zur Sache. Nach der zweiten Nummer der Zugabe hatte Anaconda dann sichtlich genug: Er habe sich gut amüsiert, zückte den Hut und meinte, jetzt sei er müde. Bühnenlicht aus – Saallicht an!