Schreiben als Form der Lebendigkeit
Der Nenzinger Alexander Jehle (51) hat seinen vierten Gedichtband veröffentlicht. Seine tiefgründigen Texte sind nicht nur bei verschiedensten Lesungen im Ländle äußerst willkommen, sondern waren bereits zu Gast auf der Leipziger Buchmesse.
Von Bella Koeck
Der fünffache Familienvater und praktizierende Jurist Alexander Jehle hat beruflich immer viel mit Schreiben zu tun gehabt, die lyrische Art sei ihm dabei völlig fremd gewesen. Dass er ein Faible fürs Schreiben hatte stellte sich schon während seinen Jugendjahren und in der Zeit als Konzipient bei Dr. Gerold Hirn heraus, wo er Erzählungen niedergeschrieben – und dann wieder weggeworfen hat. Es dauerte durchwegs seine Zeit, bis er sein erstes Gedicht schrieb. Jehle hat die meisten Ideen während dem Zugfahren, dem Spazieren oder dem Duschen: „Ich schreibe die Texte bewusst nicht gleich auf, sondern nur, wenn sie immer wieder kommen , sich quasi in mir einnisten“. Er schreibe auch zu Melodien, etwa zu Liedern von Konstantin Wecker oder Andre Heller, aber auch zu eigenen Melodien, die er gerade im Kopf hat. Sein erstes Gedicht kann er noch ganz genau rezipieren: „Nie wollte ich erwachsen werden, wie wehrte ich mich gegen all das Sterben, Augenblicke, Tage, Jahre vergehen, ungelebt im Glauben ewig zu leben“ spricht er die Worte aus, mit denen dieses erste Gedicht beginnt. Diese Worte sind ihm am Pfingstmontag anno 2013 zu Kopf gestiegen. „Sie waren einfach so da“ gibt Jehle zu erklären. „Diese Worte sind sehr biografisch, sie gaben im gewissen Sinne mein damaliges Leben wieder“. Jehle war damals ein Mensch, dessen Leben von der Angst vor dem Tod geprägt war. Seit der Pubertät habe er ein gewisses Naheverhältnis zur Endlichkeit entwickelt, ein besonderes Verhältnis zum Tod. Durch das Schreiben sei es ihm gelungen, diese Angst vor der Unsicherheit zu übertauchen, sich mit der Endlichkeit anzufreunden. Dieses erste Gedicht endet mit den Worten: „Bejahe das Sterben, dann lebst auch du“, später gab er diesem Gedicht den Titel „Leben lernen“. Es sei wie ein gewisser Durchbruch gewesen, eine Versöhnung mit der Endlichkeit, etwas, was er sich nie vorstellen habe können, so der Jura-Poet.
Großer Erfolg
Somit war es nur mehr eine Frage der Zeit, bis es eine Sammlung von Gedichten gab: Innerhalb von nur vier Monaten hat er 2013 die Inhalte für sein Erstlingswerk „und immer wieder leben“ verfasst. Jehle umschreibt sein Debütwerk als melodiös, melancholisch, spirituell und voller Hoffnung. Die Themen Tod und Leben sind in diesem ersten Buch sehr präsent. Viele Gedichte sind persönlich, je eines widmete er seinen fünf Kindern und seiner Frau Tamara. „Die Texte dieses Buches waren für mich wie ein Medikament. Die Angst vor dem Tod ist einer Freude am Leben und einem Urvertrauen gewichen“ blickt er zurück. Das Schreiben habe ihm einen unendlichen Gewinn gegeben. Jehles Texte haben kurz darauf bekannte Persönlichkeiten wie etwa Bestseller-Autor Pierre Stutz oder der Feldkircher Bischof Benno Elbs in ihren Büchern verwendet. Vor allem das „Trotz-Gedicht“ erfreut sich bis zum heutigen Tag großer Beliebtheit. „Es war ein höchst persönliches Buch, der Erfolg hat mich überrascht“ so der Autor ohne Allüren. „Es war damals der richtige Zeitpunkt für mich, die Texte zu veröffentlichen, weil jedes einzelne Wort sehr wohl überlegt und von Erlebtem geprägt war.“ Gleich bei der ersten öffentlichen Lesung nach Erscheinen von „und immer wieder leben“ füllte Alexander Jehle den Ramschwagsaal in Nenzing, was sicher seinem großen lokalen Bekanntheitsgrad zu verdanken ist. Er las nicht allein, sondern erhielt Unterstützung vom Rössle-Wirt Michael Hartmann sowie vom Gitarristen Patrick Honek. Es folgte eine Lesungsreihe durchs ganze Land. Als Hartmann einmal erkrankt war, fragte Jehle seine Gattin Tamara, die zusagte und ihn bis heute bei Lesungen unterstützt. In der Phase, während sich der Autor auf Lesungen vorbereitet, schreibt er. Dabei entstehe willkürlich ein Dilemma: „Ich möchte dann am liebsten die neuen Texte lesen, aber die sind ja noch gar nicht veröffentlicht.“
Vor Flüchtlingswelle
Ein Jahr später erschien „TrotzDem“. Der Autor bezeichnet es als etwas weniger persönlich, aber etwas philosophischer. Besonders ein Text, den er für jemanden schrieb, dessen Sohn Suizid begann, berührt ihn noch heute. Er habe aus dem Gefühl der Unfassbarkeit heraus geschrieben. Nach dem zweiten Buch folgte wieder eine Lesungsreihe, die von einem Neuzugang besonders geprägt war: Chorleiterin und Sängerin Petra Tschabrun. Mit der Musikerin hat Jehle auch acht Lieder aus dem Gedichtband „und immer wieder leben“ vertont, welche auf einer CD erschienen sind. Im Studio in Rankweil lernte er auch Ekkehart Breuss kennen. Zwischen den beiden Künstlern entstand nicht nur eine längere bis heute anhaltende Kreativphase sondern auch eine Freundschaft. Wieder ein Jahr später erschien „wie tausend neue Morgen“, ein Buch, das er als eine Spur moderner als die Vorgängerbücher, mehr als „rhythmisches Buch“, umschreibt. Es war Anfang 2015, noch vor der großen Flüchtlingswelle, als Jehle den Text „Am Ende – der Hoffnung gewidmet“ veröffentlichte und in der darauf folgenden Lesungsreihe mit Petra Tschabrun, Robert Bernhard am Saxofon und Gattin Tamara nicht nur von Bludenz bis Bregenz und Bezau, sondern auch im deutschen Leutkirch öffentlich präsentierte. Der Zuspruch war groß, das erwähnte Gedicht – es handelt von den Eindrücken eines afrikanischen Flüchtlings – war wie eine Art „Vorbote“ auf das Kommende. Nach diesem Buch schrieb Jehle weniger Lyrik, mehr Liedtexte. Somit dauerte es diesmal drei Jahre, bis das jüngste Buch erschien: 2018 erschien wieder im Hohenemser Bucher-Verlag „schnee fällt aufs Fenster“. In dieser Phase seines Schaffens verbrachte Jehle viel Zeit mit Ekki Breuss. Es entstanden viele Liedtexte, denn Jehle liebt Musik. Somit trägt das Buch für ihn den Untertitel „Liederbuch“, da es viele für ihn musikalischen Texte beinhaltet. Natürlich folgte wieder eine Lesungsreihe, bei der hauptsächlich die Gedichte des jüngst erschienenen Buches, aber auch ältere Texte vorgetragen werden. „Bei einer Zusammenstellung für eine Lesung ist es mir wichtig, dass es einen Tiefgang hat und trotzdem nicht zu kopflastig wird. Ich möchte berühren, eine bestimmte Stimmung vermitteln, ich möchte vermitteln, dass die Welt bunt sein darf und Buntheit entsteht, wenn jeder von uns sein ihm Gegebenes zu leben versucht.“ Jeder Mensch sei ein Talent, jeder Mensch sei etwas Besonderes, davon sei er überzeugt. Der passionierte Tennisspieler möchte verständlich bleiben, ihm gefällt der Terminus Poesie besser als Lyrik, denn er würde sich selbst eher als Poeten denn als Lyriker bezeichnen.
Auf dem Boden geblieben
Jehle ist jemand, der trotz seiner Erfolge auf dem Boden geblieben ist und sieht sich nicht als Mittelpunkt der Welt. Leipzig sei für ihn etwas Einmaliges und er sei schon gespannt, aber er sehe es nicht als einmalige Chance, sondern eher als einmaliges Erlebnis. Und was ist der Sinne und Zweck seines Schreibens? „Ich will Menschen berühren, ich habe jetzt irgendwie den Eindruck, dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist, aufzuhören.“ Denn es sei das Gefühl in ihm gewachsen, dass er sich nicht wiederholen möchte. Sein Leben bestünde aus mehreren Phasen, und diese erste Phase des Schreibens ginge langsam aber sicher dem Ende zu. Das sei so ein Gefühl. „ Vielleicht schreibe ich irgendwann meinen ersten Roman – vielleicht aber auch nicht. Jedenfalls freue ich mich auf den Frühling und auf unseren Garten“
Zur Person
- Alexander Jehle
- Geboren am 26. Jänner 1970 in Feldkirch
- Familie: Verheiratet, fünf Kinder
- Hobbys: Tennis, Lesen, Schreiben, Wandern
- Zitat: Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne!
- Lieblingsbuch: Hermann Hesse: Siddharta
- Kontakt: alexander.jehle@amann-jehle-juen.at