Von Thomas Bertram
Die Lemminge
1998 drehte Michael Bay den Film Armageddon mit Bruce Willis in der Hauptrolle. 2021 kontert Adam McKay mit „Don’t look up“. Was 1998 noch ein echter Katastrophenfilm war (der Film war ebenfalls eine Katastrophe) wird in diesem Film gnadenlos veralbert.
Mit ungeheurer Spielfreude und einer Selbstironie die an Selbstkasteiung der Hauptdarsteller grenzt wird die Geschichte des herannahenden Planetenkillers erzählt. Von der Entdeckung bis zu den Versuchen, ihn abzulenken oder ebenfalls in kleinere Trümmer zu zerlegen (Bruce Willis lässt grüßen, s.o.). Doch diese Geschichte läuft anders, weil die Präsidentin der USA (Meryl Streep als weiblicher Donald Trump) ausschließlich an sich und die nächsten Wahlen denkt. Die sind nämlich in drei Wochen und der Kometeneinschlag erst in 6 Monaten. Leonardo DiCaprio als Professor Mindy wird vom leicht verwirrten Wissenschaftler zum medialen Aushängeschild der Regierungskampagne um am Ende reumütig zurückzukehren. Jennifer Lawrence als Studentin Dibiasky, die den Kometen entdeckt, ist die erste, die aus der Reihe tanzt, konsequent bis zum Schluss. Ihre Szene als Supermarktkassiererin mit den Ladendieben ist einfach der Hammer. Doch den Vogel in den wesentlichen Rollen schießt eindeutig Jonah Hill ab. Er spielt den grenzdebilen Sohn der Präsidentin, der aber dennoch ihr Stabschef ist. Dass er schlussendlich vergessen wird, ins rettenden Raumschiff evakuiert zu werden, ist typisch. Bei den kleinen Nebenrollen ist Ron Perlman als Veteran, der die erste Rettungsmission anführen soll, ebenfalls fast unschlagbar. Am Ende ballert er mit dem Sturmgewehr auf den Kometen. Ariana Grande als gefeierte Sängerin Riley Bina hat zwei bärenstarke Auftritte. Und was sagen wir zu Mark Rylance, als Peter Isherwill, so eine Art Steve Jobs / Elon Musk / Marc Zuckerberg usw. aber mit ausgeprägter Persönlichkeitsstörung? Seine Mission, mit eigener Raumflotte den Kometen zunächst zu zerteilen, um dann die Bruchstücke kommerziell auszubeuten, scheitert so kläglich, doch er bleibt mehr oder weniger eine Frohnatur. Er hat ja sein Evakuierungsraumschiff. Der bekommt nach diesem Film bestimmt keine Einladung von Jeff Bezos oder Elon Musk zu einem privaten Raumflug.
Die Filmkritik hat den Film ziemlich kritisiert, doch insbesondere die Klimabewegung feiert ihn. Denn seine Botschaft: Schaut hin! Das Klima ändert sich, das kann man nicht wegleugnen. Tut etwas! Tut es jetzt! ist natürlich genau darauf gemünzt. Als der Komet am Himmel sichtbar wird und die „Schaut in den Himmel“-Bewegung sich gründet, kontert die Präsidentin mit „Don’t look up“. Schaut auf eure Füße, immer einen Schritt vor dem anderen. Am Ende steht sie nackt da, buchstäblich, aber dazu muss man den Film bis ganz zum Schluss schauen, Marvel lässt grüßen. Meine Meinung ist eindeutig: Ich wurde fast zweieinhalb Stunden lang bestens unterhalten. Absolut sehenswert. Also wer einen Netflix-Account hat, sollte sich die Zeit nehmen. Es ist kein Popcorn-Kino, aber gepoppt wird trotzdem, um diese Rezension im Stil dieses Filmes zu beenden.