Sie macht Expertinnenkompetenz sichtbar – Angelika Martin

gsi-news interviewte diese Woche die Initiatorin der Xipertinnen, Angelika Martin.

Gsi.News: Was sind Xipertinnen und was ist die Idee dahinter?

Die Initiative Xipertinnen setzt sich zum Ziel, Expertinnen jeglicher Bereiche in und aus Vorarlberg vorzustellen und somit vor den Vorhang zu holen. „Frauen sind das größte nicht angezapfte Reservoir an Talenten in der Welt,“ sagte bereits Hillary Clinton und genau hier will ich anknüpfen und sensibilisieren, welches Potential in und aus Vorarlberg vorhanden ist. Es soll andere Frauen ermutigen in dem sie Rolemodels entdecken, eine Möglichkeit bieten zu Netzwerken und aufzeigen, dass Frauen, welche die Hälfte der Bevölkerung ausmachen in allen Lebensbereichen mitreden, mitentscheiden, mitkreieren und mitentwerfen dürfen und sollen.  Die Initiative erhielt 2021 den „Female Futur Award“ im Bereich Empowerment und es freut mich mit der Initiative einen Teil zum Thema Female Empowerment beizutragen und somit einen kleinen Schritt zu dem Ziel einer gleichberechtigten Gesellschaft.

Gsi.News: Wie entstand die Idee?

Schon in meinen jungen Jahren hatte ich die Idee einer Vernetzung und Stärkung von Frauen. Ich bin in Thüringen mit 3 Brüdern aufgewachsen. Nie hatte ich den Eindruck bekommen, dass ich etwas nicht kann oder nicht schaffe, weil ich eine Frau bin. Doch das änderte sich rasch als mein Arbeitsleben begann. In den bisher 13 Jahren als Frau in führenden Positionen habe ich mehrmals selbst erfahren und gespürt, was es heißt, sich als Frau durchsetzen und behaupten zu müssen.

Der letzte Stein des Anstoßes war im Februar 2021, als sich über 30 inspirierende Frauen online zu einem Austausch trafen mit dem Ziel Expertinnenkompetenz sichtbar(er) zu machen. In mir wirkte dieser Termin lange nach. „Wieso gibt es so viele fachkompetente Frauen in Vorarlberg, die zu wenig gesehen werden?“ Dieser Gedanke ließ mich nicht los und die Idee des Formates #Xipertinnen auf Instagram und Facebook war geboren. Im März stellte ich die erste Xipertin vor und durfte seither Postings über 124 Frauen verfassen und veröffentlichen. Hinzu kommt die Rubrik „Xipertinnen-Inspiration“. Zitate großer Frauen sollen uns bewusst machen, was Frauen erreichen können.

Gsi.News: Was heißt es sich als Frau in einer führenden Position durchzusetzen?


Die größte Herausforderung war und ist für mich das Aufbrechen von Stereotypen und somit das Durchbrechen der Einteilung und der Zuordnung der Rollenbilder und Funktionen nach „typisch männlich“ oder „typisch weiblich. Auch gibt es noch oft das Veraltete Denken, dass Frauen automatisch zu Hause bleiben und Kinder erziehen und Männer das Geld verdienen sollten. Berufstätige Mütter ernten oft negative Kritik aus dem sozialen Umfeld, erhalten bei der Kindererziehung, auch aufgrund des mangelnden Angebotes an Teilzeitmodellen sowie regional unterschiedlich Öffnungszeiten der Kinderbetreuung, wenig bis keine Unterstützung und haben somit eine Doppelbelastung.


Gsi.News: Warum sind Frauen in Führungspositionen in Vorarlberg noch eine kleine Minderheit? Würde eine Frauenquote helfen bzw. wäre dies der richtige Weg?

Die Frauenquote ist und bleibt ein viel diskutiertes politisches Werkzeug für welches es überzeugende pro und contra Argumente gibt. Fakt ist, dass sich die Möglichkeit für Frauen Karriere zu machen und Führungspositionen zu bekleiden in den letzten Jahren zwar, auch aufgrund der Quote, verbessert hat, jedoch wird die anfängliche Euphorie junger Berufseinsteigerinnen „alles erreichen zu können“ immer noch schnell gedämpft. Ein Grund dafür ist sicher eines der Pro „Frauenquote Argumente“ – die fehlende Gleichberechtigung bei der Stellenbesetzung auch aufgrund des Kooptation Prinzips. Darunter versteht man einfach gesagt das Prinzip, eine Stellenbesetzung nach der größten Gleichheit auszuwählen. Diese Gleichheit ist jedoch alleine schon aufgrund biologischer Voraussetzungen nicht möglich und Karrierebiografien werden immer geschlechterspezifische Unterschiede aufweisen. Solange wir eine Schwangerschaft und die Gründung einer Familie als negative Belastung der Arbeitsleistung oder als Makel in der Vita beurteilen, ist eine Gleichberechtigung nicht existent. Mithilfe der Frauenquote wird es Frauen erleichtert, in Führungspositionen vorzudringen und sie erhalten eine Chance zu beweisen und zu zeigen, dass sich Familie und Karriere vereinbaren lassen.

Jedoch ist die moderne Arbeitswelt immer noch sehr kritisch gegenüber Teilzeitarbeit und flexibler Arbeitszeiteinteilung. Genau die Dinge, die neben einer nicht nur Flächen-, sondern auch zeitlich gut abdeckenden Kinderbetreuung, für junge Eltern wichtig ist, wenn sie trotz Familiengründung weiterarbeiten möchte. Solange Mutterschaft und Teilzeitarbeit als negative Auswirkung auf Leistung und Karrierewillen gesehen werden, haben Frauen somit immer schlechtere Karten. Hier braucht es meiner Meinung nach mehr familienfreundliche Unternehmen und zwar auch in der Praxis und nicht nur auf dem Papier.

Gleichzeitig sollten wir aber auch bedenken, dass nicht jede*r eine Führungsposition bekleiden möchte und hier macht dann auch eine Quote wenig Sinn. Vielmehr würde es hier helfen die Care Arbeit, welche zu drei Viertel weltweit von Frauen geleistet wird und die hiermit entstehenden Unterschieden im Einkommen, Vermögen und dem Einfluss von Männern und Frauen signifikant beeinflusst, als das anzusehen und zu honorieren was sie ist – eine wichtige Arbeit.

Gsi.News: Wie aber könnte die Politik das Ansehen von Care-Arbeit fördern?

Ich denke es ist nicht alleine die Aufgabe der Politik. Es gibt das alte Sprichwort „A woman’s work is never done“ welches die endlose Arbeit der Frauen beschreibt. Auch wenn die Sorge- und Betreuungsarbeit noch heute sehr oft von Frauen erbracht wird sollte es heute heißen „A carer’s work is never done“, denn losgelöst vom Geschlecht fehlt es an Anerkennung, wie viel Zeit für die „Sorgearbeit“ benötigt wird und es wird selten die Frage gestellt „Wann hat diese Person Zeit für sich?“.

In der derzeitigen Pandemie hat sich gezeigt, dass manchen Branchen stillstehen können aber ohne, dass Menschen sich umeinander kümmern, funktioniert der Alltag nicht. Ich denke alleine diese Erkenntnis sollte das Ansehen steigern.


Gsi.News: Welche Tipps würden Sie Frauen am Beginn Ihrer Karriere mitgeben?


Dieselben Tipps wie jeder anderen Person am Beginn der Karriere, losgelöst vom Geschlecht. Erfolg fällt nicht vom Himmel und habe Geduld mit dir selber. Sei offen, interessiert und kommunikativ, stehe zu deinen Schwächen aber zeige auch ganz klar deine Stärken und Kompetenzen. Übernimm Verantwortung und baue ein gutes Netzwerk auf.  Der Aufbau und die Pflege von genau einem solchen Netzwerk braucht Zeit und heißt erstmal investieren indem man zum Beispiel Wissen teilt, Präsenz auf relevanten Veranstaltungen zeigt sich auf Social Media bei gängigen Portalen anmeldet und das eigene Profil pflegt und aktuell hält.  Auch permanentes Lernen und Weiterbilden ist notwendig und wichtig.

Gsi.News: Laut einer Studie der Psychologie Fakultät der Universität Wien sind weibliche Führungskräfte erfolgreicher in der sozialen Interaktion.
Sie können empathisch auf Andere reagieren und das kommt ihnen gerade in Stresssituationen zugute, wo männliche Führungskräfte eher zu egozentrischen Reaktionen neigen.
Dennoch wird diese Stärke selten erwähnt. Was können Frauen Ihrer Ansicht nach noch besser als Männer?

Ich denke das Wichtigste hier, ist die entstehende Chancengleichheit und die damit verbundene Diversität in einem Unternehmen, welche Firmen strukturell flexibler macht, neue Ideen und Zukunftschancen mit sich bringt und zugleich auch das Unternehmensimage verbessert. Frauen sind aus meinen Erfahrungen heraus oft offener für Innovationen und haben einen anderen Blickwinkel hinsichtlich flexibler Arbeitszeit und einer guten Vereinbarkeit von Familie und Beruf.  Dieser Blickwinkel und die Offenheit gegenüber Diversität eines Unternehmens, sichert die Gewinnung und Bindung von qualifiziertem Personal auch in Zeiten des Fachkräftemangels.


Gsi.News: Macht ein Mann Karriere, findet das sein Umfeld meist erfreulich. Steigt hingegen eine Frau auf, meinen viele, sie sei unsympathisch oder gar zu männlich. Wie könnten wir dies ändern?


Frauen sollten sich auch in Führungspositionen selber treu bleiben, dürfen trotzdem weiblich sein und müssen nicht die vermeintlich geforderten harten Züge annehmen.


Gsi.News: Mit welchen dummen Sprüchen waren Sie selbst schon konfrontiert?


Es sind nicht immer Sprüche mit denen Frauen konfrontiert werden. Vielmehr sind es kleine Gesten und alltägliche Handlungen. Das „Guten Morgen Schätzchen“ mit dem Augenzwinkern und dem gewissen Unterton, die Vermutung das eine Frau „ihre Tage hat“ nur weil einmal eine kritische Äußerung getätigt wird und die Aufforderung sich „etwas nettes anzuziehen“ vor dem nächsten Meeting um den Kunden zu beeindrucken.


Gsi.News: Gibt es Gemeinsamkeiten die erfolgreiche Frauen haben?


Ich denke hier muss erst definiert werden, was genau erfolgreich bedeutet. Für mich ist eine “erfolgreiche” Frau eine Frau, die das erreicht hat, was sie erreichen wollte. Das bedeutet nicht immer eine Führungsposition, Geld und Karriere. Somit sind für mich erfolgreiche Frauen nicht nur Frauen die selbstständig sind, ein Unternehmen leiten oder viel verdienen. Auch Frauen und Mütter die zu Hause ihr „Business“ rocken oder sich bewusst für einen sinnstiftenden aber wenig bezahlten Job entscheiden sind für mich erfolgreich.  Alle diese haben meiner Meinung nach die inspirierende und motivierende Gemeinsamkeiten, dass sie selbstbewusst sind, an sich und ihre Entscheidungen glauben und ihren Weg gehen, auch wenn dieser nicht immer leicht ist. Sie sind offen für Neues, mutig, scheuen sich nicht ihre eigene Komfortzone zu verlassen und vor allem erkennen sie den Sinn in ihrer Tätigkeit. Erfolgreiche Frauen tun das, was sie tun, mit Leidenschaft und aus und mit Überzeugung – egal ob dies eine Unternehmensleitung ist, die wertvolle Aufgabe Kinder großzuziehen, Kleidung zu verkaufen oder für einen wohltätigen Zweck zu arbeiten.

Und auch wenn es scheint, dass erfolgreiche Frauen gleichzusetzten sind mit „Superwoman“ ist eine weitere wichtige Gemeinsamkeit das Delegieren und sich auch einmal einzugestehen, dass nicht immer alles einen Perfektionismus verlangt.


Gsi.News: Welche Werte möchten Sie Ihren Kindern im Leben mitgeben?


Ich möchte meinen Kindern mitgeben, dass sie immer ehrlich und sich selber treu sein sollen. Ganz nach Dr. Eckart von Hirschhausen „Wenn ihr ein Pinguin seid, verrenkt euch nicht den Hals, um eine Giraffe zu werden. Springt lieber ins Wasser und bewegt euch in eurem Element!“ Niemand sollte sich ändern, um anderen Menschen zu gefallen, denn man kann es so oder so nie allen recht machen. Wichtig ist seine eigenen Stärken zu kennen und sich darauf zu fokussieren anstelle sich über die eigenen Schwächen zu ärgern.  Sie sollen sich mit Menschen umgeben, die ähnliche Träume und Visionen haben und sie so mögen und schätzen, wie sie sind.  Ich finde es auch wichtig keine Angst davor zu haben, etwas falsch zu machen. Macht Fehler und lernt daraus, denn Fehler sind der beste Beweis dafür, dass ihr mutig wart etwas Neues auszuprobieren. Last but not least – „Nein“ ist ein ganzer Satz und es braucht keine weitere Begründung.

Gsi.News: Was sind Ihre weiteren Ziele und wie soll es mit den Xipertinnen weitergehen?

Ich werde an der Idee Expertinnen aus allen Bereichen vorzustellen festhalten. Es gibt, wie in der Vergangenheit auch, keine festgelegten Kriterien. Alle bisher vorgestellten Frauen sind auf ihre Art besonders. Lehrerinnen, Autorinnen, Künstlerinnen, Technikerinnen, Politikerinnen – alle eint, dass sie einen wichtigen Beitrag in diesem Land und darüber hinaus leisten.

Ziel ist auch, dass über die Xipertinnen ein enges Netzwerk entsteht, in dem untereinander und miteinander inspiriert und empowert wird. In welchem Format das passieren wird und was noch alles mit den Xipertinnen passieren kann wird sich zeigen.


Zur Person
Angelika Martin
Geboren am 15.04.1988 in Bludenz
Familie: Lebensgefährte, zwei Jungs und gesamt eine bunte Patchwork Familie mit 4 Kindern
Beruf: Wirtschaftsingenieurin im Bereich Bekleidungstechnik, Bildungsorganisatorin bei connexia und Initiatorin der Xipertinnen
An Vorarlberg schätze ich: die vielfältige Natur die einem das Erholen erleichtert
Lieblingsreiseland: Vorarlberg – nach meinen Jahren im Ausland gibt es hier für mich noch viel zu entdecken.
Lebensmotto: Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg und in dem Sinne sollten wir immer stärker sein als unsere stärkste und größte Ausrede.
Kontakt (Tel/E-Mail): 0660 2515603 / xipertinnen@gmail.com


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