Lehrreich. Seit 15 Jahren wird an der Oberschule Eschen (OSE) jährlich der Holocaust-Gedenktag veranstaltet. Dieses Jahr – auch pandemiebedingt – wurde daraus eine ganze Gedenkwoche.
Von Bandi Koeck
Am heutigen Tag, dem 27. Januar im Jahr 1945 wurde das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau befreit. Seitdem steht Auschwitz als trauriges Symbol für alle anderen Lager, in denen Menschen zu Tode kamen. Der Holocaust bzw. die Shoa und die damit zusammenhängenden Verbrechen und Gräueltaten der Nazis ist nicht nur fest im Curriculum der Schulen verankert, sondern ein Thema, das stets in Erinnerung gerufen werden sollte, damit so etwas Schreckliches nie wieder passiert. Die Oberschule Eschen hat dieses Gedenken fest in die Jahresplanung aufgenommen. Vergangenes Jahr konnten die Schülerinnen und Schüler des SZU durch die Ausstellung „Darüber sprechen“, einer Wanderausstellung, welche die Einzelschicksale von 14 Menschen thematisiert, mehr über diese Zeit erfahren. Dieses Jahr gelang es, genügend Zeitzeugen und Überlebende der Shoah (es gibt leider nur mehr sehr wenige) zu gewinnen, welche sich der Herausforderung stellten, über Zoom den Schülern ihre (Über)Lebensgeschichte zu erzählen und sich den Fragen der Lernenden zu stellen.
Sieben Jahre im Versteck
Auch für das Team von erinnern.at aus Österreich ist die Durchführung einer ganzen Gedenkwoche etwas Besonderes. Ziel war auch, dass es pandemiebedingt einerseits zu keiner zu grossen Durchmischung kommt, andererseits alle Schülerinnen und Schüler aller Stufen die Möglichkeit hatten, daran teilzunehmen. So fanden sich am Montag die vierten Stufen in der Aula ein, um der 93-jährigen Lucia Heilman zuzuhören, die sehr schülergerecht und einfühlsam über die langen sieben Jahre im Versteck berichtete und wie es für sie als kleines Mädchen war, von einem Tag auf den anderen nicht mehr in die Schule gehen zu dürfen, von ihren Mitschülern geschlagen und verstossen zu werden, all ihre Spielsachen zurücklassen und sich permanent verstecken zu müssen. Eine Frage der Schüler war, ob die Zeitzeugin Hass verspürt habe. „Als ich nach dem Krieg auf die Strasse ging, sah ich nur noch Nazis und Juden, später habe ich gelernt, dass nicht alle Österreicher Nazis waren, schliesslich hat uns auch ein Christ versteckt.“
Nazis waren Bestien
Am Dienstag sprach Ludwig „Lutz“ Popper zu den ersten Stufen (schön war auch, dass per Zoom auch die gesamte erste Stufe der Realschule Eschen teilnahm). Nachdem sein Vater, ein jüdischer Arzt, nach dem Anschluss 1938 in die Schweiz floh, konnte die Familie während des Krieges nach Bolivien emigrieren. Dort lebte sie in ärmlichen Verhältnissen und kehrte 1947 nach Wien zurück, da dort noch eine Verwandte lebte. „Alle anderen waren verstorben, hatten Selbstmord begangen oder waren ermordet worden.“ Lutz Popper erklärte wie ein Lehrer den sehr interessierten Schülern über das NS-Regime, die jüdische Religion und auch die politischen Umstände in Südamerika und während der Nachkriegszeit bis zur Ära Jörg Haider. Eine Frage der Schüler war, was ihm Sorgen und Angst machen würde? Das seien Menschen, die falsche Haltungen haben, die an Nazis glauben und von ihnen sprächen, dass sie so stark und heldenhaft seien, dass ihnen nicht mal die Coronaviren etwas anhaben könnten, war seine Antwort. „Nazis waren nicht Unmenschen, sie waren Bestien. Sie hatten Freude daran, Menschen zu ermorden, sie haben es genossen. Etwa SS-Leute, die Säuglinge in die Luft schmissen, und andere darauf geschossen haben. Sie haben das sogar gefilmt.“ Popper zeigte auch viele Privatbilder aus seiner Kindheit und Jugend, darunter auch den Pass mit dem „J“. Auch Bezüge zur Gegenwart durften nicht fehlen: „Wenn heute Schüler oder Eltern davon sprechen, dass sie aufgrund der Pandemie Schulstoff verlernen und dies im Leben nicht mehr aufgeholt werden kann, dann stehe ich dem sehr skeptisch gegenüber, denn ich habe ja alles nach dem Krieg nachgelernt, maturiert und studiert“ betonte Popper, der ab 1973 als Facharzt in Oberwart/Burgenland tätig war.
Grosses Interesse
Der Journalist Karl Pfeifer, der 1928 in Baden bei Wien geboren wurde, sprach zu den zweiten Stufen am Mittwoch dieser Woche über sein bewegtes Leben, das ihn nach Ungarn, ins damalige Palästina und bis nach Argentinien geführt hat. Er ist ein sehr aktiver Zeitzeuge der schon in vielen Schulen war und auch ein ewig Mahnender. Die zahlreichen Fragen der Schüler beantwortete er sehr sachlich und klar. Heute Donnerstag sprach die 86-jährige Katja Sturm-Schnabl, deren Familie zur Volksgruppe der Kärntner Slowenen gehörte. Sturm-Schnabl wurde mit zahlreichen anderen slowenischen Familien ins Lager Ebenthal deportiert und mehrere Jahre in Lagern in Polen und Bayern inhaftiert. Ihre Schwester starb während der Haft an einem nationalsozialistischen Krankenmord (Giftspritze durch „Lagerarzt“). Nach dem Krieg studierte sie Slawistik und wurde Universitätsprofessorin. 2015 erhielt sie das Goldene Verdienstzeichen der Republik Österreich für ihre Tätigkeit als Zeitzeugin. Vielen Schülern war bislang unbekannt, dass auch Slowenen vertrieben und deportiert wurden und die Nationalsozialisten planten, im Osten Europas 30 Millionen slawische Zwangsarbeiter für die „Herrenrasse“ einzusetzen.
Die Gedenkwoche an der OSE kann als grosser Erfolg bezeichnet werden, da die Rückmeldung aller Teilnehmenden durchwegs positiv ist. Oder um es mit den Worten eines Schülers auszudrücken: „Es war so interessant, dass ich am liebsten alle Vorträge mit allen Zeitzeugen gehört hätte!“
An dieser Stelle vielen Dank an erinnern.at, welche diese Kontakte ermöglicht haben und für die gute Zusammenarbeit.