Sport ist Mord

Die Nachrichten, die der lokale öffentliche Rundfunk sendet, handeln jede halbe Stunde zur Hälfte von Sport. Mit aufgeregt-heiserer Stimme berichtet ein Reporter, welch nationale Heldentaten vor drei Stunden oder gestern ganz aktuell vollbracht wurden. Was für eine Vergeudung von Aufmerksamkeit.

Von Dr. Albert Wittwer

Das Churchill zugeschriebene Diktum ist wohl übertrieben, obwohl die körperlichen Schäden bis zum zarten Alter von vielleicht fünfunddreißig Jahren für einen Spitzenathleten in vielen Disziplinen irreparabel und lebensverkürzend sind. Die American Football League verklagte Ärzte, die bei Spielern nach mehreren Gehirnerschütterungen bleibende negative Persönlichkeitsveränderungen attestierten. Das schadete vermeintlich dem Geschäft. Sie verlor zwar die Prozesse, den Zuschauern ist es egal. Der Kopfball des heimischen Fußball läßt grüßen. In Katar, das heuer die Fußball-WM ausrichtet, sollen bisher 6.500 Arbeiter durch Unfälle zu Tode gekommen sein. Bedauerliche Kollateralschäden.

Brot und Spiele, in die heutige Zeit übertragen: Konsum und Unterhaltung, und wir sind zufrieden und lassen die Regierung in Frieden. Da stören allerdings die Corona-Maßnahmen. Also auf zur Demonstration.

Der polemik-arme öffentliche Schweizer Rundfunk berichtet (vermutlich exklusiv) über einen vor kurzem erschienenen, durchaus öffentlichen UNO-Bericht wie folgt:

Organisiertes VerbrechenSport ist ein kriminelles Geschäft

Der erste globale UNO-Bericht zum Thema Sport und Kriminalität zeichnet ein erschütterndes Bild.

Autor:Fredy Gsteiger

Sport trägt bei zur Völkerverständigung, zur wirtschaftlichen Entwicklung und zur Gesundheit. Soweit die klassische Lesart. Die andere lautet: Sport ist ein Wirtschaftszweig, in dem die Kriminalität blüht. Das zeigt nun ein von fast 200 Fachleuten aus der Wissenschaft und der Praxis erarbeiteter Bericht der UNO-Organisation für Drogen- und Verbrechensbekämpfung UNODC auf. Sie lüftet damit ein bisschen den Schleier, der nach wie vor über den weniger appetitlichen Aspekten des Sports liegt.

Schon in der Antike gab es illegale Machenschaften rund um den Sport. Doch die Dimension des Problems habe in den vergangenen zwei Jahrzehnten gewaltig zugenommen, sagt Ronan O’Laoire von der UNODC dem südafrikanischen Sender ENCA: «Bisher galt das Augenmerk vor allem dem Doping. Mit der Globalisierung, der Professionalisierung und den immer höheren Umsätzen ist der Sport aber inzwischen generell attraktiv geworden für Kriminelle, auch für das organisierte Verbrechen.»

Manipulation, Drohungen, Korruption

Ein Beispiel: Allein mit illegalen Sportwetten werden weltweit jährlich 1.7 Billionen Dollar umgesetzt. Es geht ausserdem um manipulierte Spiele, um Bestechung, um Nötigung, um Bedrohungen. Es geht um korrupte Vergaben internationaler Wettkämpfe. «Und es geht um sexuellen, physischen und psychischen Missbrauch von Menschen. Es gibt erschreckende Fälle in vielen Teilen der Welt», sagt O’Laoire.

Es geht um sexuellen, physischen und psychischen Missbrauch von Menschen.

Autor:Ronan O’LaoireUNO-Organisation für Drogen- und Verbrechensbekämpfung UNODC

Erleichtert wird den Kriminellen im Sport ihr Geschäft, weil der gesetzgeberische Rahmen vielerorts extrem schwach ist, weil Whistleblower, die auspacken, entmutigt oder gar bestraft werden, weil Recherchejournalisten systematisch abgewimmelt werden. Und nicht zuletzt, weil die internationalen Sportverbände, von denen viele in der Schweiz angesiedelt sind, wenig Willen erkennen lassen, die Probleme entschieden anzugehen.

Der UNODC-Mann spricht gar von einer «Omertà» und von ausgeprägter Intransparenz. Es gebe, so die UNO-Behörde, kein Land und keine Sportart, die frei seien von kriminellen Machenschaften.

Ich möchte kein Spielverderber, keine Spaßbremse sein. Churchill wollte sich mit seinem Satz auch nicht mit den Fußballfans anlegen. Deren Stammeszugehörigkeitsgefühl zu ihrer Mannschaft ist legendär und religiös. Statt Fitness-training rauchte er Zigarren und trank Whisky. Er wurde neunzig Jahre alt!

Die Eröffnung eines großen Sport-Events stellt an Feierlichkeit jede anglikanische Krönungsmesse in den Schatten. Wie unpathetisch entspannt war da die Verabschiedung der österreichischen Olympiateilnehmer durch Bundespräsident Van der Bellen. Er wünschte ihnen faire Spiele und daß sie gesund zurückkehren. Kein Wort davon, daß sie in Peking etwa die „Nation“ Österreich verträten.

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