Ämter mit beschränkter Haftung

Von Albert Wittwer

Der Wiener Hannes Schopf war gesund. Er ging in Ischgl Schifahren. Das „Kitzloch“ frequentierte er nicht. Er reiste ungeschützt und überstürzt nach der öffentlichen Diagnose des Hotspots und Ankündigung des bevorstehenden Lock-Downs durch den damaligen Herrn Bundeskanzler ab. Herr Schopf benützte ungehindert und unkontrolliert überfüllte Verkehrsmittel. Etwas später verstarb er an Corona in seiner Heimstadt Wien.

Mit großer Wahrscheinlichkeit starben zahlreiche Menschen durch den Corona-Cluster im Party-Hotspot Ischgl. Sie hätten gerettet werden können, wären die Behörden richtig und koordiniert vorgegangen, wie es das Epidemiegesetz und seine Vollziehungsvorschriften vorgeben.

Es handelt sich nicht um Kann-Bestimmungen. Die Organwalter, das sind die Menschen, die für die Behörden handeln, sei es „der Bundeskanzler“, „der Landeshauptmann“ oder „der Bürgermeister“ sind zur Ausübung ihrer Ämter auch verpflichtet. Sie müssen den Wecker stellen. Sie müssen sogar die Vorschriften, die sie anzuwenden haben, lesen und verstehen oder sich erklären lassen. Wissen ist für sie eine Holschuld.

Der Tod eines Menschen ist im juristischen Sinne ein Schaden. Wer einen Schaden rechtswidrig und schuldhaft verursacht, muß ihn wieder gutmachen oder wenigstens Genugtuung (Schadenersatz) leisten. Handelt er für einen Rechtsträger, wie im obigen Fall die Republik Österreich, muß diese zahlen. Sie kann allenfalls Regress nehmen.

Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien schmetterte den Amtshaftungsanspruch von u.a. der Witwe des verstorbenen Herrn Schopf ab, ohne irgendeinen Beweis aufzunehmen. Das Epidemiegesetz schütze nur die allgemeine Volksgesundheit, nicht aber auch konkrete Personen. Daher könnten einzelne Betroffene aus einer Verletzung dieser Rechtsvorschriften keine Schadenersatzansprüche ableiten, so die schlichte Begründung. Da stellt sich die Frage, waren die Verstorbenen nicht Mitglieder der Allgemeinheit? Müßte zuerst die Allgemeinheit sterben, damit Fehler des Staates rechtlich schlagend werden? Soll das Epidemiegesetz und die zahlreichen Einschränkungen, die es uns Unterlingen auferlegt, die unsere Rechtssphäre und Freiheit und körperliche Unversehrtheit berühren, nur uns belasten, aber nicht auch berechtigen?

Es ist in Lehre und Rechtsprechung unbestritten, daß die Menschenrechte zuerst gegenüber dem Staat gelten, der sie auch zu garantieren hat. Ich hoffe, das Urteil wird weitergezogen, notfalls bis zum Europäischen Gerichtshof. In anderen europäischen Ländern waren die Gerichte in entfernt vergleichbaren Fällen weniger zimperlich.

Von Privatpersonen, sagen wir dem Geschäftsführer einer Gesellschaft, verlangen die Gerichte stets, daß er sich auskennt. Einem öffentlichen Amtsträger aber glauben sie blind, wenn er einen Stacheldrahtzaun zum Einsperren von Jugendlichen anordnet und sich rechtfertigt, er habe nicht gewußt, daß das illegale (ein Lieblingswort der österreichisch-erzkonservativen Nomenklatura) Freiheitsberaubung ist.

Die Zivilgerichtsbarkeit mag dennoch einen berechtigt guten Ruf genießen. Trotzdem muß sie daran arbeiten, zu entkräften:

„Österreichische Politik ist ein System organisierter Unverantwortlichkeit“

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