Leider noch immer viel zu wenig bekannt und beachtet ist das sog. „PAS – Pariental Alienation Syndrome“, das Kindentfremdungssyndrom, welches in vielen getrennt lebenden oder geschiedenen Familien noch als Machtmissbrauchsinstrument verwendet wird. Wir machten ein Gespräch mit einem direkt betroffenen Paar aus Vorarlberg: Beate Reutz-Lemmerer und Martin Lemmerer aus Satteins.
Gsi.News: Ihr habt eine klassische Patchwork-Familie. Wie sieht diese konkret aus?
Beate Reutz-Lemmerer: Ich habe zwei Kinder aus erster Ehe, die bei uns im Haushalt leben. Die beiden sind mittlerweile schon Erwachsen und auf direktem Weg dazu, wohnen jedoch noch immer bei uns. Die beiden hatten von Grund auf immer die Möglichkeit, ihren Vater zu kontaktieren, zu besuchen, mit ihm und seiner neuen Familie Urlaub zu verbringen. Wir haben immer offen kommuniziert bzw. versucht, aufkeimende Themen und Herausforderungen miteinander zu lösen. Es gibt Gründe, warum man als Paar nicht mehr zusammen sein kann/möchte, aber es gibt keinen Grund dazu, dass erwachsene Menschen ihre persönliche Schwierigkeiten auf dem Rücken der Kinder austragen.
Mein Mann hat einen Sohn, der vom Alter her genau zwischen meinen beiden Kindern ist. Als alle noch recht „klein“ waren, wäre das eine ideale Möglichkeit gewesen, gemeinsam Zeit mit ähnlichen Programm miteinander zu verbringen. Schifahren, Urlaub im Nenzinger Himmel, Radfahren – es wäre grundsätzlich einfach gewesen, da man keinen „Alters-Spagat“ machen hätte müssen (wenn denn der Sohn meines Mannes auch tatsächlich kommen hätte dürfen).
Gsi.News: Wie habt ihr zum ersten Mal vom „PAS“ gehört?
Beate: Ich kann mich gar nicht mehr so genau erinnern, irgendwann vermutlich im Zuge der vielen Monate der Warterei auf den nächsten Gerichtstermin, in denen man unendlich viel Zeit hat zu grübeln, nachzuforschen, im Netz zu suchen nach Gleichgesinnten, etc. Irgendwann sind dann diese drei Buchstaben aufgetaucht, die bestätigt haben, was aktuell um uns und um meinen Partner bzw. seinem Sohn herum geschieht.
Gsi.News: Welche Herausforderungen ergeben sich in einer Patchwork-Familie, ohne vom PAS betroffen zu sein?
Beate: Wie vorhin bereits erwähnt, ergeben sich altersbedingt verschiedene Schwierigkeiten. Unser Glück wäre gewesen, dass alle Kinder im mehr oder weniger gleichem Alter waren. Schwierig wird es, wenn die Kinder mit dem Partner des jeweiligen Elternteils nicht „warm“ werden. Oder aber, wenn sich die Kinder untereinander schwer verstehen. Hier spielt natürlich Eifersucht, das Gefühl zu kurz zu kommen, eine massive Rolle.
Wenn ein Paar zusammenzieht, dann wird es halt auch insofern eine Herausforderung, wenn – wie in unserem Fall – das Kind meines Mannes sozusagen „bei uns einziehen“ sollte. Ihm wurde massivst eingeredet, dass er sein geliebtes Zuhause verliert, er jedoch freute sich, dass das Hin und Her zwischen den zwei Wohnorten nun endlich beendet war. Im emotionalen Streitfall kann auch immer wieder die Herausforderung sein, dass der „dazugewonnene“ Elternteil mit der Aussage „du hast mir nichts zu sagen“ konfrontiert wird.
Martin Lemmerer: Patchwork-Familien zu managen ist prinzipiell nicht schwieriger – unter der Voraussetzung, dass ALLE Erwachsenen sich in dieses System konstruktiv einbringen (bei den Kindern sollte dies dann automatisch funktionieren).
Gsi.News: Und welche Herausforderungen bringt das PAS noch zusätzlich mit?
Beate: Vertrauen, das zum Kind aufgebaut wurde, wird komplett zerstört.
Es ist eine ewige Warterei auf das Kind, da wieder Termine nicht eingehalten, „vergessen“ wurden oder wie üblich: „Kind ist krank“…. Möglicherweise beginnt das Paar tatsächlich aneinander zu zweifeln. Missbrauchsvorwürfe sind keine Seltenheit. Als Paar hier zusammenzuhalten ist schon mit ganz viel Liebe verbunden.
Ich muss gestehen, im September 2012 stand abends die Polizei vor unserer Tür, da eine Anzeige gegen mich erstellt wurde wegen Kindesmisshandlung. Für mich war das der Gipfel eines jahrelangen Kampfes, der von der Kindesmutter instruiert wurde.
Sie hatte in den Jahren davor vorgegeben, wann mein Mann seinen Sohn sehen durfte, wann nicht, Urlaube abgesagt, Vorgaben bzgl. Abendessen, Fernsehprogramm, Schlafenszeiten, Temperatur im Haus (das Kind ist immer krank, wenn es bei dir war…), einfach alles, wo man sich einmischen möchte, damit trotz des Wochenendes des Kindes beim Papa die Mutter noch immer omnipräsent ist.
Ich kann mich erinnern, der Sohn, damals 7 Jahre alt, bereits mit Telefon ausgestattet (bei dem Wochenende für Wochenende die Nummern von Papa, Oma und Tante rausgelöscht wurden), war bei uns und wir hatten so einen ruhigen, lustigen Nachmittag wie schon lange nicht mehr. Nachdem dann irgendwann ein bitterböser Anruf der Mutter kam, warum das Kind nicht erreichbar ist, sie will Gute-Nacht-Bussi geben, etc. stellte mein Mann fest, dass sein Sohn das Telefon im Auto vergessen hatte. Darauf waren 17 vergangene Anrufe. Das macht die Situation natürlich schon sehr schwer, wenn kein Besuch beim Papa unkontrolliert stattfinden kann, die Anrufe zum Tagesprofil gehören, bereits beim Frühstück anfangen und abends aufhören. Ich weiß nur, dass immer wieder Sätze vom Kind kamen wie „nein, das darf ich nicht (einfach nur barfuß über die Wiese laufen), „Mami hat es verboten“ oder eines der traurigsten Momente war jener, als wir einen richtig feinen Tag hatten, die Kinder waren noch sehr jung (zwischen 6 und 8 Jahren) und mein Mann wohnte zu diesem Zeitpunkt noch nicht bei uns. Irgendwann kam dann der Moment, wo er überlegte, zu übernachten, er wäre natürlich gerne bei uns geblieben. E. hatte natürlich auch bei uns eine Schlafmöglichkeit, also von daher überhaupt kein Thema. Plötzlich brach der Sohn jedoch in Tränen aus und sagte, dass seine „Mami böse, böse, böse werden würde“, wenn er hier übernachten würde. Das Kind war so programmiert, alles zu tun, was die Mutter ihm in einem sozusagen „Aufgabenkatalog“ mitgegeben hatte. Er war zu diesem Zeitpunkt 6 Jahre alt. Es bricht mir heute noch das Herz.
Martin: Faktum ist, dass das Kind damit in eine Lebenslüge höchstens Grades hineinmanövriert wird, und sich diese nachhaltig festsetzt. Es wird ein schwerwiegender Loyalitätskonflikt im Kind installiert.
Gsi.News: Was konntet ihr dagegen tun?
Beate: De facto nix, denn die Mutter ist allmächtig, die Mutter kann das Kind instruieren, die Mutter hat das alleinige Sorgerecht, die Mutter bestimmt, die Mutter muss sich nicht an Regeln halten (stellen Sie sich mal vor, ein Vater kommt dreimal nicht zum vereinbarten Zeitpunkt das Kind abzuholen, dann wird das Besuchsrecht ganz bestimmt verändert. Steht ein Vater dreimal zum vereinbarten Zeitpunkt vor verschlossener Tür, dann passiert einfach NIX. Er kann zur Bezirkshauptmannschaft gehen, zum Gericht, Besuchrechtsvereinbarungen wieder einfordern, aber erfahrungsgemäß dauert das Monate), denn die Mutter bestimmt den Alltag beim Vater, die Mutter entscheidet, ob der Vater eine neue Beziehung haben darf, die Mutter ist Tag und Nacht präsent.
Beate: Schade, dass mein Mann irgendwann aufgegeben hat.
Martin: Heute treffe ich meinen Sohn (18 Jahre) ganz sporadisch, die Mutter darf es nicht wissen…..
Gsi.News: Welche Möglichkeiten gäbe es, um dieser Problematik Herr zu werden?
Beate: Ganz klare Spielregeln, an die sich ALLE (Vater UND Mutter) halten müssen. Schnellere Reaktion von BH bzw. Gericht, wenn ein Vater vergebens um das Sorgerecht bzw. Besuchsrecht kämpft. Spannenderweise wird den Müttern immer mehr Glauben geschenkt als den Vätern! Schade…
Gsi.News: Was müssen va. Mütter anders machen, um nicht in diesen teuflischen Sog zu geraten?
Beate: Eine Trennung ist immer eine tiefgreifende Entscheidung und Veränderung im Leben eines Menschen, es kann auch eine ganz tiefgreifende Kränkung sein. Es erfordert von allen Fairness, Toleranz und den Fokus auf das Kind/die Kinder.
Gsi.News: Und was sollte seitens von Politik/Judikative dringend geändert werden?
Beate: Lasst die Väter endlich Väter sein – wenn die Mütter es nicht schaffen, die Spielregel einzuhalten, dann muss die Judikative das tatsächlich auch klar einfordern.
HÖRT DEN VÄTERN ENDLICH EINFACH OHNE VERBLENDUNG DURCH DIE MÜTTER ZU!!!!
Martin: Die Judikative soll auch nicht vor konkreten Bestrafungen zurückschrecken, egal gegenüber welchem Elternteil. Aktuell müssen wir die Judikative als zahnlos betrachten.
Gsi.News: Ihr habt den Film „Weil du mir gehörst“ gesehen. Wie sehr konntet ihr euch damit identifizieren, welche Parallelen konntet ihr zu eurer eigenen Familiengeschichte feststellen?
Beate: Selbe Geschichte, andere Personen. Mir ging es hier direkt schlecht während des Filmes, da ich „dank“ unserer Leidensgeschichte im Prinzip sowohl Textstellen als auch Handlungen bereits im Vorfeld sehen und hören konnte. Es war so klar erkennbar, was sich in der Geschichte entwickelt- und es war einfach nur ein Déjà-vu...
Martin: Der Ablauf ist – abgesehen von unterschiedlichen Vorzeichen – 1:1 derselbe.
Gsi.News: Und was würdet ihr heute anders machen?
Beate: Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Vielleicht von Grund auf bei der BH die Besuchszeiten regeln, da dies bei meinem Mann nicht gemacht wurde (Er hatte eine Trennung und keine Scheidung, von daher hat hier keiner eine Vorgabe gemacht).
Die Ex-Partnerin meines Mannes hat uns das Leben zur Hölle gemacht, ich wurde telefonisch gestalkt, ich hatte die Anzeige am Hals, es war einfach ein jahrelanger Alptraum unter dem Deckmantel der Justiz, weil diese Frau nie Rechenschaft ablegen musste, wie sie ihr Kind psychisch misshandelte.
Im Film hat man den Zerfall des Kindes sehr deutlich gesehen – wie gesagt, ich hatte ein Déjà-vu – im wahren Leben ist das ausserordentlich vertraute Verhältnis zwischen einem Vater und seinem Sohn systematisch kaputt gemacht worden – unwiderruflich. Es begegnen sich nun immer wieder (heimlich) zwei zerfallene Personen – verursacht durch eine Mutter, die eine Trennung nicht verkraftete.
Martin: Aufgrund der aktuellen Schieflage ist diese Frage sehr schwer beantwortbar. Es gibt mehrere Möglichkeiten: Totales Appeasement. Tipp an viele Väter: Nur keinen Fehler machen. Oder die Suche nach der Konfrontation. Am Ende des Tages ist das Resultat höchstwahrscheinlich dasselbe.
Factbox: Zur Person
- Martin Lemmerer
- Geboren am 2. 10. 1971 in Bludenz
- Familie: wir alle
- Beruf: Produktmanager
- Hobbys: Bergsport, Volleyball, Lesen, Radfahren/MTB
- Lieblingsgetränk/-speise: Vorarlberger Leitungswasser und Spinatknödel
- An Vorarlberg schätze ich: die Lebensqualität
- Beate Reutz-Lemmerer
- Geboren am 3. 5. 1975 in Feldkirch
- Familie: wir alle
- Beruf: Planning Assistent bei IKEA
- Hobbys: radeln, organisieren, lesen
- Lieblingsgetränk/-speise: Quer durch das Getränke-und Gemüsebeet
- An Vorarlberg schätze ich: ebenfalls die ganz besondere Lebensqualität
In anderen Ländern gibt es die rechtliche Lösung solcher Probleme: Es gilt immer die Doppelresidenz, sofern nicht konkrete Gefährdungen für das Kind vorliegen.
Dadurch sind von vornherein beide Eltern in der Verantwortung, die Streitereien nehmen dadurch nachgewiesener Maßen ab, und die Machtspielchen laufen ins Leere….