Aus dem Arbeitsleben einer Wegbegleiterin: Hebamme Agnes Meyer im Museum des Wandels

Im Erdgeschoss der Schaffarei findet vom 24. März bis 24. Juni 2022 die zweite Ausstellung im Rahmen des Museums des Wandels statt. Im Mittelpunkt steht die Hebamme Agnes Meyer. In mehr als drei Jahrzehnten hat die heute 73-Jährige über 13.000 Frauen auf die Geburt vorbereitet und rund 6.000 Geburten begleitet. Das Museum des Wandels zeigt am Beispiel von Agnes Meyer, wie sich der Hebammen-Beruf in den letzten Jahrzehnten verändert hat.

Man kennt Agnes Meyer in Vorarlberg. Rund 24 Jahre war sie im Krankenhaus in Bregenz tätig. Ab 1983 bis zu ihrer Pensionierung im Jahr 2005 als Chefhebamme. Während ihres langen Berufslebens hat sich in der Geburtshilfe viel verändert. „Jeder technische Fortschritt war Segen und Fluch zugleich“, bringt es die Kuratorin des Museums des Wandels, Michaela Feurstein-Prasser, auf den Punkt.

Das zeigt zum Beispiel die Geschichte des Kardiotokogramms. 1971 löste es das Stethoskop ab. Damit ließen sich die Herztöne des Kindes nicht nur abhören, sondern wie ein EKG aufzeichnen. Doch die Interpretation der Daten war schwierig. Man wurde übervorsichtig, es gab viele Kaiserschnitte. „Die Hebammen haben oft nicht mehr so an sich geglaubt“, beschreibt Agnes Meyer die anfängliche Verunsicherung.

Die Hebamme als Wegbegleiterin

Die technischen Geräte sind heute hoch entwickelt und lassen wenig Raum für Spekulation. Dennoch – oder gerade deswegen – spielen Unsicherheiten im Kreißsaal laut Agnes Meyer immer noch eine große Rolle: „Die Frauen sind selbstständiger geworden. Sie haben einen Beruf, bekommen später Kinder und werden dadurch sehr ängstlich. Sie wollen alles abgeklärt haben. Sie haben kein Vertrauen mehr in sich.“

Um das Vertrauen der Frauen in sich zu stärken, war Agnes Meyer die Geburtsvorbereitung immer ein großes Anliegen. Sie sieht die Hebamme als Wegbegleiterin, als Bergführerin: „Die Frau aber muss den Weg selber gehen.“ Inwiefern Technik die Geburtshilfe in Zukunft weiter formen wird, werden die kommenden Jahre zeigen. Der Trend geht zurück zu einer möglichst „natürlichen“ Geburt in einem entsprechenden Ambiente. Mitunter ist das ein Verdienst von Hebammen wie Agnes Meyer, die mit ihrem Schaffen am Krankenhaus in Bregenz einen großen Einfluss auf die Geburtskultur in Vorarlberg hatte.

Über das Museum des Wandels

In den letzten 150 Jahren hat sich die Arbeitswelt stark verändert. Unser Arbeitsalltag ist wesentlich schneller geworden. Technische Errungenschaften haben viele Arbeitsschritte erleichtert, jedoch auch zahlreiche Berufe überflüssig gemacht. Wer kennt sie heute noch, die Blaudrucker oder Weißnäherinnen, die Buchstabengießer oder Laternenanzünder, die Weichensteller oder Aufzugführer?

Im Erdgeschoss der Schaffarei zeigt das Museum des Wandels, wie sich diese Veränderungen auf einzelne Menschen ausgewirkt haben. Zweimal im Jahr porträtiert die Schaffarei anhand zweier Objekte und eines Interviews ein individuelles Arbeitsleben. Mit der Zeit werden diese Geschichten ein digitales Museum des Wandels bilden.

Über die Schaffarei

Die Schaffarei in Feldkirch ist ein Projekt der AK Vorarlberg. Sie ist ein Treffpunkt für alle, die sich mit der Arbeitskultur von gestern, heute und morgen auseinandersetzen wollen. In Events, Konzerten, Vorträgen und Diskussionen sowie Aus- und Weiterbildungsangeboten bietet die Schaffarei Raum, Zeit und Formate zum Austausch, für persönliche Erfahrungen und gesellschaftliche Betrachtungen zum Thema Arbeit.

Die Kuratorin: Dr. Michaela Feurstein-Prasser

Michaela Feurstein-Prasser lebt und arbeitet in Wien. Sie studierte Romanistik und Geschichte und promovierte über französische Besatzungspolitik in Österreich nach 1945. Von 1993 bis 2010 arbeitete sie im Jüdischen Museum Wien in verschiedenen Funktionen, zunächst als Leiterin der Vermittlungsabteilung, dann als Kuratorin.

Seit 2011 ist sie freie Kuratorin und Kulturvermittlerin, teilweise in der Arbeitsgemeinschaft xhibit.at gemeinsam mit Felicitas Heimann-Jelinek. Sie ist Programmkoordinatorin des Curatorial Education Programme der Association of European Jewish Museums, hat zahlreiche Ausstellungen kuratiert, etwa für das Jüdische Museum Hohenems, für das Jüdische Museum Frankfurt und das Wien Museum. Publikationen veröffentlichte sie unter anderem zur französischen Besatzungspolitik und jüdischen Geschichte Österreichs.

Museum des Wandels

Vernissage

Die mobile Version verlassen