Adi der Antikatholik: Katholische Kirche und Geburtenkontrolle

© Bandi Koeck

Die restriktive Einstellung der Kirchenführung zur Geburtenregelung hat dieselben Wurzeln wie die Leibfeindlichkeit und Lustfeindlichkeit, nämlich im Griechischen Idealismus, im Dualismus, Gnostizismus und Manichäismus. Diese Ideologien wurden bereits in Teil 1 „Kirchenkritik“ angeführt.

Von Adi Untermarzoner

In der Antike war die Ansicht des Aristoteles vorherrschend. Die menschliche Beseelung des männlichen Fötus erfolge erst vierzig Tage nach der Empfängnis, die des weiblichen erst neunzig Tage nach der Empfängnis. Vorher habe der Fötus zunächst eine pflanzliche, dann eine tierische Seele. Das entspricht dem aristotelischen Frauenbild. Die Seele, d. h. das Menschsein, ist eher etwas Männliches als etwas Weibliches. Dem Alten Testament liegt wahrscheinlich eine ähnliche Vorstellung über die Minderwertigkeit der Frau zugrunde: Laut Levitikus 12, 1-5 ist die Frau nach der Geburt eines Sohnes vierzig Tage unrein, nach der Geburt einer Tochter achtzig Tage. Selbst Maria war nach der Geburt Jesu vierzig Tage unrein (Lk. 2,  22). Der als Heiliger verehrte Kirchenlehrer Augustinus schreibt der aristotelischen Biologie entsprechend, dass in einem ungeformten Körper keine Seele leben kann. Ebenso vertritt Hieronymus in einem Brief: „Der Same nimmt in einem Uterus allmählich Gestalt an, und es gilt nicht als Tötung, bis die einzelnen Elemente ihre äußere Erscheinung und ihre Glieder erhalten haben.“  Dieser Auffassung von der sukzessiven Beseelung zufolge war die Bezeichnung „Mord“ nicht nur für Verhütung unkorrekt, sondern auch für die Abtreibung im Frühstadium. Trotzdem sprechen Augustinus und Hieronymus inkonsequent von „Mord“ in Bezug auf Verhütung.

Der heilige Hierarch Johannes von Antiochien, mit dem Beinamen Chrysostomos (griech. Goldmund), als einer der größten Prediger gepriesen, setzte gar den Samen mit dem Menschen gleich und nannte dessen Verschleuderung Mord.

Augustinus gehörte vor seiner Bekehrung der gnostischen  Sekte der Manichäer an. Von den gnostischen Ideen betonte der Gründer Mani vor allem das geistige Prinzip. Die materielle Welt inklusive des menschlichen  Körpers sah er als böse an. Entsprechend manichäischer Sicht wurde die Ehe und die Zeugung abgelehnt, denn bei der Zeugung würde die Geistseele  in das Fleisch gesperrt. Die Manichäer empfahlen daher eine ziemlich abstruse Methode der Empfängnisverhütung. Sie praktizierten eine Art Zeitwahl und vermieden den Verkehr in der Zeit nach der monatlichen Reinigung. Für die Oberkategorie der Manichäer war das eigentliche Ideal die Ehelosigkeit. Nur der unteren Schicht wurde die Einsperrung des Geistes in die böse Materie nachgesehen.

Die Bekehrung des Augustinus geschah nach einem sexuell sehr ausschweifenden Leben. Zu seiner Bekehrung führte angeblich ein sonderbares Erlebnis. Er hörte eine Kinderstimme im Garten singen: „Nimm und lies.“ Er nimmt die Bibel, die aufgeschlagen im Garten liegt und liest: „Lasst uns ehrbar wandeln, nicht in Fressen und Saufen, nicht in Wollust und Ausschweifungen, zieht vielmehr den Herrn Jesus Christus an und pflegt das Fleisch nicht so, dass es lüstern wird.“ (Röm. 13, 13 f.) Das Feindbild wird ihm klar: die Lust, das sexuelle Verlangen, das fleischliche Verlangen. Augustinus schreibt: „ Alle Finsternis des Zweifels war geflohen… Du hast mich zu dir bekehrt, so dass ich nun keine Frau mehr begehre noch sonst etwas, worauf die Hoffnung dieser Welt gerichtet ist“. Seine Bekehrung zum Christentum, von der Lust zur Lustfeindlichkeit, vollzog sich in der Form der Einordnung der Frau unter die Genussmittel. Die bei der Zeugung auftretende, durch die Erbsünde verursachte, tierische sündhafte Lust, verteufelte er radikal. Daher meinte er, dass man, so wie manche über den Willen mit den Ohren wackeln können, müsse man auch den Pennis willentlich in Erektion versetzen können und dann, möglichst ohne Lust, der heiligen Mutter Kirche viele Kinder zeugen.

Die empfängnisverhütende Methode, die von den Manichäern benutzt wurde, und über die Augustinus nach seiner Bekehrung seinen ganzen Zorn ergießt, ist die einzige Methode, die heute für Katholiken erlaubt ist. Zwar sind die angeblich unfruchtbaren Tage nicht mehr wissenschaftlich so abstrus festgelegt wie bei den Manichäern, aber die Knaus–Ogino-  und die Rötzer-Methode sind leider kaum praktikabel. Generationen von katholischen Frauen litten monatlich unter der Angst, dass die an sich schon zu große Kinderzahl weiter wachse. In der Enzyklika „Humanae  vitae“, als „Pillen Enzyklika“ bekannt geworden, obwohl darin die Pille nicht erwähnt wird  fand nur diese Methode oberste Billigung. Allerdings wären für Augustinus Ehepaare, die so verhüten, wie er es formulierte, Hurenpaare.

Das stockkonservative Minderheitsgutachten, das die Enzyklika „Humanae vitae“ weitgehend bestimmt, spricht von der „Bösartigkeit der Empfängnisverhütung“, nennt sie eine schwere und unnatürliche Sünde, ein verdammenswertes Laster, sie ist ein „vorweggenommener Mord“. In diesen Gutachten wird argumentiert, eine Änderung der traditionellen Lehre (Enzyklika Casti connubii, Pius XI, 1930; Ansprache an die Hebammen, Pius XII, 1951; Ansprache an die Hämatologen, Pius XII, 1958) brächte erhebliche Zweifel gegenüber der Autorität des Lehramtes in moralischen Dingen und der des Heiligen Geistes selbst, denn dieser hätte die Hierarchie nicht gegen einen Irrtum geschützt. Die Folgen einer Änderung der bisherigen kirchlichen Lehre, wäre für di Glaubwürdigkeit der Religion  wirklich fatal gewesen: Da ein Katholik eine Todsünde nicht nur begeht, wenn er in der vollen Erkenntnis sündigt, dass es sich um eine schwere Verfehlung, eine materia gravis, handelt, sondern auch dann, wenn er etwas für eine Todsünde hält, was überhaupt keine ist, hätte sich die Kirche am Heil ungezählter Gläubigen vergangen, sie hätte abertausende menschlicher Akte, die jetzt gebilligt würden, mit der Pein ewiger Höllenstrafen verdammt.

Vor allem die vom Opus Dei unterwanderte reaktionäre Kirchenführung von Ratzinger, Küng, Laun, Fischer und Co. leidet darunter, dass sich in unseren Breiten selbst brave Mitglieder nicht mehr im Geringsten um kirchliche Lehre zur Geburtenkontrolle kümmern. Positiv zu sehen ist die von Laun und Fischer in Auftrag gegebene Studie über die negativen Wirkungen der Pille, weil es nun wieder Vielen gelingen wird, die Kirche zu verlassen. Im 20. Jahrhundert hat sich die Aufklärung wenigstens in diesem Bereich durchgesetzt. Die von der Kirche erlaubten sogenannten natürlichen Methoden  wie Zeitenwahl nach  Knaus–Ogino  und die symptothermale Methode von Rötzer werden unter den Frommen als „Vatikanisches Roulett“ belächelt. Die Masse der Taufscheinkatholiken weiß erst gar nichts von solchen Normen, denn sie ist nur bei Taufe, Hochzeit und Beerdigung in der Kirche. Selbst ein Großteil der Kleriker und Religionslehrer hat sich von dieser kirchlichen Doktrin verabschiedet und setzt sich nicht der Lächerlichkeit aus, indem er heute noch die offizielle Lehre verkündet.

Bis in die 60er Jahre des letzten Jahrhunderts haben die Gläubigen vor allem auf dem Lande unter den mit der Androhung ewiger Höllenstrafen indoktrinierten Vorschriften schwer gelitten. Frauen mit 12 bis 16 und mehr Geburten waren nicht selten. Oft starb dann die Mutter von so vielen Kindern weg und der Mann musste notwendigerweise wieder heiraten. Kindersegen ist Gottessegen und „Gibt Gott ein Häslein, gibt er auch ein Gräslein“  wurde von der Kanzel verkündet. Bittere Armut, Elend und eine sehr hohe Kindersterblichkeit waren die Folge. Arme Eltern mussten noch im zwanzigsten Jahrhundert ihre Kinder ins Ausland als Arbeitssklaven ziehen lassen. Im Buch „Die Schwabenkinder“ ist das entsetzliche Elend der allzu vielen, durch kirchliche Doktrin gezeugten Kinder geschildert. Den älteren Menschen sind  bei uns auch heute noch genug Beispiele bekannt von der existenziellen Armut und dem erbärmlichen Dasein ihrer Vorfahren.

Das dauernde Suggerieren sexueller Schuldgefühle, die vor allem gegenüber Frauen betriebene Tabuisierung der Sexualität, die zeitweise sogar von religiös inspirierten Ärzten vertretene  Behauptung, dass die Frau weder geschlechtliche Befriedigung haben könne noch solle, dass man sie beschmutze, mute man ihr entsprechende Empfindungen zu, musste das psychische Gleichgewicht der Ehepartner stören.  Das Geschlechtsleben der Frauen verkümmerte, die weibliche Sexualität wurde deformiert und geschwächt. Die Europäerin erlitt eine Art physiologischer Atrophie, den Verlust von Fähigkeiten, die es in anderen Kulturkreisen noch gibt. In vielen Studien ist nachgewiesen, dass viele Frauen in ihrer Ehe keinen Orgasmus erlebten. Wilhelm Reich und Erich Fromm stellten fest, dass 90 % der Arbeiterfrauen sexuell gestört und neurotisch waren. Noch in den 60er Jahren waren nach sorgfältigen Schätzungen 40 % der Frauen frigid. Heute wird von klerikaler Seite immer noch die totale Sexualisierung der Gesellschaft beklagt, obwohl die Realität völlig anders ist.

In den höher entwickelten Staaten verlieren die Kirchen immer mehr an Einfluss. Im Gegensatz dazu wirkt sich die repressive-kirchliche Doktrin in den Schwellenländern immer noch verheerend aus.Diese Problematik und die Aussage von Ratzinger über den Gebrauch von Kondomen ist ein eigenes Thema.

Verwendete Literatur:

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