Datenschutz für Oligarchen – Geld will´s dunkel

Albert Wittwer

Von Albert Wittwer

Vom Datenschutz für Oligarchen.

Die neue Transformation der Wirtschaftsordnung hat schon – mit Corona – begonnen. Sie wird notwendigerweise wegen der Trockenheit, dem Dauerregen, dem Artensterben und dem, in diesem Jahrhundert ersten und hoffentlich letzten, Krieg auf europäischem Boden fortgesetzt. Zahlreiche, vorher undenkbare Staatseingriffe und staatliche Finanzierungen sind schon in Gang gesetzt. Aber das muß auch administriert und bezahlt werden. Von wem?

Die neue Wirtschaftsordnung kann in gesellschaftlicher Akzeptanz nur gelingen, wenn die Abgabenlast, die der Staat uns zur Finanzierung der neuen Ziele aufbürdet, wesentlich gerechter verteilt wird.

Mehrere Grundpfeiler der aktuellen Besteuerung sind absurd: Angefangen von der Privilegierung von (arbeitslosem) Dividenden-Einkommen gegenüber der Lohnsteuer der Werktätigen, fortgesetzt mit der trotz aktuell hoher Inflation kalten Progression bis zur völlig steuerfreien Übertragung auch größter Erbschaften – ein fast weltweites Unikum. Wir Unterlinge sind, wenn wir uns lassen, mit der Geringschätzung für vermeintlich Arbeitsunwillige und für Wirtschafts- und Klimaflüchtlinge gut ausgelastet und ignorieren, während wir brav Steuern zahlen, die international organisierte Steuerflucht unserer und der russischen Oligarchen.

Die Staaten tappen vergnügt im Dunkeln. Es interessiert sie nicht. Das wird gerade bei den Rußland-Sanktionen überdeutlich. Niemand bei den Steuerbehörden oder der Finanzaufsicht weiß, wem – im Sinne von welcher natürlichen Person – was gehört. Natürlich sind die Besteuerung einerseits und das Einfrieren von Vermögen andererseits zwei Paar Schuhe. Beide sind bequem und passend zum Smoking oder auf der 100 Millionen Dollar-Jacht zu tragen.

Ohne Panama-Papers und Paradise-Papers wären die Demokratien noch um etliche Dutzend Milliarden Franken und Euro ärmer. Den Dollar erwähne ich nicht – wegen der Briefkasten-Steueroase Delaware. Und anders als etwa eine europäische Zwergpudelrepublik können die USA ihre Steuerpolitik allein weltweit durchsetzen – wenn sie denn politisch wollen.

Die Steueranwälte, die die genannten Papers unter großen persönlichen Risiken „geleakt“, also veröffentlicht haben, blieben anonym. Sie handelten gegen geltende Tarn-Gesetze. Sie riskierten Gefängnis. Sie veröffentlichten zeitgleich über mehrere europäische Qualitätsmedien, ohne Honorar. In der Schweiz ist die Verletzung des Bankgeheimnisses ein Straftatbestand. Einer der Insider, ein Österreicher, der die „gestohlenen“, tatsächlich bloß kopierten Bankdaten der damaligen Bank in Liechtenstein an das Finanzamt des deutschen Bundeslandes NRW verkauft hat, beging in der Schweizer Untersuchungshaft Selbstmord. Die Republik Österreich verbot seinen Erben den Zugriff auf den von Nordrheinwestfahlen gezahlten Kaufpreis, weil der aus einem Straftatbestand stamme. Er verschaffte der Republik Millionennachzahlungen, weil die Deutschen die Daten nach Österreich lieferten. Im Schweizer Gefängnis saß bis vor kurzem auch ein Bankier, der maßgeblich zur Enttarnung des Milliardenbetruges Cum-Ex beigetragen hat. Im Jänner hat das Zürcher Obergericht das Straferkenntnis gegen ihn allerdings aufgehoben. Interessieren sich die österreichischen Finanzämter unter Führung des türkis eingefärbten Ministeriums für Cum-Ex-Betrug am Steuerzahler? Keine Zeit, sie müssen kontrollieren, ob die Biogemüsestände in der Marktgasse brav die Kassenzettel für ihre Minimalverkäufe ausdrucken.

Luxushotel in Lech, Schloß am Attersee? Sie gehören namenlosen ausländischen Gesellschaften mit Phantasienamen bzw. einer liechtensteinischen Stiftung. Manchmal kommt ein Oligarch oder seine Nichte auf Besuch, wenn sie sich nicht gerade in Ibiza aufhält. Die Schweizer Behörden haben sich zwar den Sanktionen gegen Rußland auch noch angeschlossen, aber weniger als sechs Milliarden Franken, hauptsächlich ausnahmsweise deklarierter Immobilienbesitz, eingefroren. Über die Schweiz wird ein Großteil der russischen Rohstoffexporte, allein Öl macht in der Schweiz laut SRF2 neunzig Milliarden Dollar aus, abgewickelt. Aber wo das Geld der Oligarchen veranlagt ist, wissen die Schweizer und die Österreicher nicht, weil das Stiftungsrecht kein Register der tatsächlich Begünstigten vorschreibt. Geld will es dunkel. Bloß die USA haben eine Task-Force eingerichtet, die immerhin über die letzten zwölf Monate Geldtransaktionen analysiert und zuordnet. Die riesigen Beträge, die kurz vor dem Überfall auf die Ukraine in die Schweiz geflossen sind, bleiben, weil drei Wochen vor den Sanktionen, anonym.

Es galoppiert der Datenschutz. Angeblich schützt er dich und mich vor den hungrigen Augen des Staates. Aber über meine Konten weiß das Finanzamt alles. Den Rest weiß Amazon, Google, Facebook und der US-Inlandsgeheimdienst. Bei uns fürchten sich Länder und Gemeinden mehr noch als der Bund vor verbesserter, langeversprochener Transparenz. Als langgedienter, ehemaliger Kommunalsekretär ist mir schleierhaft, was es in Angelegenheiten der Kommunen zu verheimlichen gibt.

Ich möchte ja nicht Oligarch sein. Aber wäre ich es, fühlte ich mich in Österreich sicher. Ich könnte die Segnungen des demokratischen Rechtsstaates, die funktionierende Verwaltung, die persönliche Sicherheit, die heitere Geselligkeit in Kaffees und Restaurants in vollen Zügen genießen, ins Konzert gehen, anonym am Bodenseeufer spazieren und unzensuriert alle Print- und Onlinemedien lesen. Und abends verschlüsselt die Entwicklung meiner Wertpapierdepots auf Zürcher Banken studieren. Was für ein herrliches Leben!

„Geld will’s dunkel.“ Vorarlberger Sprichwort

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