Unsere Gsibergerin der Woche ist Eva Rosino-Dür, eine weitgereiste und erfahrene Frau und leidenschaftliche Lehrerin am Gymnasium Schillerstraße in Feldkirch. Im Gespräch mit Bandi Koeck verriet sie, woher diese intrinsische Motivation kommt und was ihr am Erasmus+ Programm besonders gefällt
Gsi. News: Was war für dich damals Motivation, Lehrerin zu werden und was motiviert dich heute noch in diesem Beruf?
Eva Rosino-Dür: Ich teile gern meine Leidenschaften (Sprachen und Sport) mit anderen, die Zusammenarbeit mit Menschen ist faszinierend, herausfordernd und immer wieder bereichernd.
Heute ist es, denke ich, unsere Aufgabe als ältere Generation, den jungen Menschen das Handwerkzeug mitzugeben, dass sie die immens großen Herausforderungen, die auf sie in den kommenden Jahren und Jahrzehnten zukommen werden, meistern und neue Lösungsansätze finden können. Die Zusammenarbeit mit den Schülern ist immer wieder spannend, freudvoll und für viele Überraschungen gut.
Gsi.News: Du unterrichtest am GyS, wo du dich auch um die Akkreditierung fürs Programm von Erasmus+ bemüht hast. Wie kam es dazu?
Bereits 2015/16 haben wir, mein Mann, Martin Dür und ich ein großes Projekt mit einer Schule aus Nordindien, in der ich viele Jahre gearbeitet habe, und einer Klasse des Gys zum Thema Lebensqualitätsvorstellungen durchgeführt. Dieses Projekt war sehr eindrücklich.
Im Sommer 2019 suchten wir, Martin und ich, um unser erstes Erasmus+ Projekt an. Mich reizte es damals auszuprobieren, ob wir nicht auch ein Projekt mit Französisch als Arbeitssprache machen könnten. Französisch nicht (nur) der Sprache willen unterrichten bzw. lernen, sondern um sich über diverse Themen austauschen zu können. Lebensqualitätsvorstellungen war wieder der Ausgangspunkt, ein Land außerhalb Europas und doch Europa reizte uns sehr, da wir uns interessante Themenschwerpunkte und Diskussionen erhofften. Wir haben unzählige Schulen in den frz. Überseegebieten angeschrieben und haben so unsere jetzigen Projektpartner*innen aus La Réunion gewonnen. Das ursprünglich angedachte dreimonatige Projekt hat sich zu einem drei- Jahresprojekt entwickelt.
Der Erfolg war aber bereits nach dem ersten Jahr so gut, dass wir einen zweiten Sommer in den Antrag der Erasmus+ Akkreditierung investiert haben und erfreulicherweise bewilligt bekommen haben.
Gsi.News: Wie verlief die Zusammenarbeit und wie sahen die einzelnen Projektphasen aus?
Wie gesagt, hat die Zusammenarbeit mit La Réunion bereits im Schuljahr 2020/21 begonnen. In einer ersten Phase liefen verschieden Projekte online und es war eigentlich vorgesehen, im Schuljahr 2020/21 vor Ort in La Réunion eine Woche lang zu diversen Themen der Lebensqualität und Nachhaltigkeit zusammenzuarbeiten. Corona machte diese Pläne allerdings zunichte. Irgendwie schafften wir es aber doch, im Herbst 2021 die geplante Zusammenarbeit durchzuführen. Für uns und unsere Klasse, ein Maturajahrgang, die letzte Möglichkeit.
Gsi.News: Wie haben deine Schüler, wie deren Eltern und auch Lehrerkollegen auf das Projekt reagiert?
Die Schüler haben sich von Anfang an auf dieses Projekt eingelassen und bereits die ersten Arbeiten haben Spaß gemacht. Mir war bewusst, dass Französisch als Arbeitssprache nicht selbstverständlich ist (im Gegensatz zu Englisch) und Hut ab, wie die Schüler das gemeistert haben. Als es sich dann abzeichnete, dass aus der digitalen Zusammenarbeit sogar eine Zusammenarbeit vor Ort werden wird, wich der anfängliche Unglaube einer immer größer werdenden Begeisterung und ich bin wirklich froh, dass wir diesen Austausch in Corona Zeiten zustande gebracht haben.
Von Seiten der Eltern gab es zu jeder Zeit große Unterstützung. Selbst in den Sommerferien, als es zu entscheiden galt, ob wir das Risiko auf uns nehmen wollen und trotz der damaligen Covid Situation in Europa und La Réunion, die Reise nach La Reunion fixieren, waren ALLE Eltern und Schüler bei der Entscheidungsfindung dabei.
Gsi.News: Welche besonderen Herausforderungen (etwa aufgrund Covid, Sprach- oder Kulturbarrieren) haben sich dabei für euch ergeben?
Covid war sicherlich die größte Herausforderung. Wir haben unsere Reise einmal verschieben müssen. Die Partner aus La Réunion schafften es im dritten Anlauf, der zugleich die letzte Möglichkeit war, den Gegenbesuch durchzuführen. Sprachlich war dieses Projekt aus meiner Sicht als Französisch Lehrerin ein voller Erfolg.
Es hilft, nicht allein als F-Lehrerin die Schüler über die Jahre zu begleiten, sondern auf die grandiose Unterstützung aller Korrespondentinnen und Korrespondenten und des mitarbeitenden Kollegen zählen zu können. So gesehen hatte die Klasse zahlreiche F-Lehrer. Kulturell gab es interessante Diskussionen und Beiträge und Entdeckungen vor Ort. Stolz bin auf die Schüler, dass sie sich auf dieses Abenteuer eingelassen haben, ein für uns alle unbekanntes Land, eine neue Kultur und Gleichaltrige im indischen Ozean kennenzulernen.
Gsi.News: Drei deiner Schüler waren über mehrere Monate auf der Insel und sind auch dort zur Schule gegangen. Was ist ihr Resumée und wie gefiel es dem Austauschschüler von Übersee, der in Feldkirch zur Schule ging?
Drei Schüler „meiner“ Klasse machten einen Langzeitaustausch, ebenfalls im Rahmen des Erasmus+ Programms. Sie waren 9 Wochen vor Ort, lebten in Gastfamilien, besuchten die Schule und haben ihren Aufenthalt unter anderem auch dazu genutzt, Recherchen für ihre VWA zu sammeln. Hier ein Auszug der Reflexionen zu diesem Projekt von Carmen Redl.
« … La découverte d’une nouvelle culture, d’une nouvelle langue, d’une nouvelle mentalité et d’un nouveau paysage a été extrêmement instructive pour les participants au projet Erasmus+. Maintenant que notre échange se poursuit seulement dans nos souvenirs et nos pensées et non pas dans la réalité, on sent à quel point cette expérience nous a changés et nous a, dans une certaine mesure, transformés. Nous sommes tous devenus des personnes curieuses, ouvertes à l’inconnu, et cela changera probablement notre comportement vis-à-vis du monde en tant qu’adultes… »
„… Die Entdeckung einer neuen Kultur, einer neuen Sprache (Französisch und Kreolisch), einer neuen Mentalität und einer neuen Landschaft war außerordentlich lehrreich für die Teilnehmer*innen des Erasmus+ Programm. Jetzt, wo unser Austausch nur noch in der Erinnerung weiterlebt und nicht in der Realität, spüren wir, in welchem Ausmaß diese Erfahrung uns verändert hat. Wir sind neugierige Personen geworden, offen für Unbekanntes und dies wird wahrscheinlich auch unser Verhalten als Erwachsene der Welt gegenüber verändern…“
Auch in diesem Sommer – das neue Schuljahr beginnt in der Réunion bereits im August – werden wieder zwei Schüler aus dem GYS einen Langzeitaufenthalt in La Réunion machen. Und wir haben bereits Anfragen für den Sommer 2023!
Von Dezember 21 bis Jänner 22 war Matthis, ein Austauschschüler aus La Réunion bei uns am GYS. Er hat die Zeit mit seiner Gastfamilie, an unserer Schule und auch auf den diversen Skipisten sehr genossen. Hier ein Auszug aus seinem Erfahrungsbericht.
„… seit über einem Monat bin ich in diesem wunderschönen Land, das Österreich ist. Ich hatte die Gelegenheit, mich mit Ihrer Kultur vertraut zu machen, wie z.B. den Weihnachtsfeiern, den typischen Gerichten und der wunderschönen Landschaft. Außerdem habe ich eine Vielzahl an Unterschieden festgestellt, von denen einige offensichtlich sind, wie das Wetter oder die Berge rundherum, aber andere überraschendere, wie die typischen Gerichte, die oft süß und salzig mit Apfelmus sind, was für einen Franzosen sehr lustig ist.“
Gsi.News: Sprechen wir über Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden Schulen und Schulsysteme: Welche konntet ihr feststellen?
Mathis hat folgendes festgestellt:
Natürlich unterscheidet sich das Gymnasium in Österreich von dem in Frankreich. Zuerst der größte Unterschied: In Frankreich gibt es zwei verschiedene Schulen für das Gymnasium, das Collège von 12 bis 15 Jahren und das Lycée von 16 bis 18 Jahren, so dass es eine echte Veränderung war, mich mit Leuten auf den Fluren wiederzufinden, die viel jünger waren als ich. Die Beziehung zwischen den Schülern und den Lehrern ist viel freundlicher als die in Frankreich, und ich habe den Eindruck, dass die Leute aus derselben Klasse sehr gute Beziehungen haben, weil sie sich gut kennen, denn eine Klasse bleibt während der gesamten Schulzeit zusammen, während man in Frankreich jedes Jahr seine Klassenkameraden wechselt.
Unsere ersten Eindrücke in La Réunion betreffend Schule waren die Buntheit des Gebäudes, die vielen offenen Innenräume und die Möglichkeit, die Pausen dort zu verbringen, die fremdartige Vegetation und der Blick aufs Meer 😊
Die Zusammenarbeit online, über Zoom oder vor Ort war interessant, die Themen z.T. sehr anspruchsvoll (Migration, Klimaerwärmung, Gleichheit…) und auch wenn es Unterschiede im Schulsystem gibt und in den Lehrplänen, haben wir Möglichkeiten und Formen gefunden, zusammenzuarbeiten und uns auszutauschen.
Gsi.News: Was fasziniert dich an Erasmus+ und welche weiteren Aktivitäten sind in der nahen Zukunft geplant?
Erasmus+ bietet einmalige Möglichkeiten, den Unterricht attraktiv zu gestalten und aus dem Klassenraum nach Europa und in die Überseegebiete hinauszutragen. Der Unterricht wird international, Sprachen sind Mittel zum Zweck.
Neben den zahlreichen Aktivitäten für Schüler gibt es auch für uns Lehrer*innen die Möglichkeit, an anderen Schulen dem Unterricht beizuwohnen, über den Tellerrand hinauszuschauen und Erfahrungen zu sammeln. Ganz Europa öffnet uns, Schülerinnen und Schülern, Lehrerinnen und Lehrern die Tür.
Nur durch die Fähigkeit auch über geographische und kulturelle Grenzen hinweg zusammenzuarbeiten, können wie die großen aktuellen Herausforderungen bewältigen und friedvoll zusammenleben.
Zur Person:
- Eva Rosino-Dür
- Geboren am 13.10.1966 in Bludenz
- Familie: verheiratet mit Martin Dür
- Beruf: AHS – Lehrerin, Gymnasium Schillerstraße Feldkirch
- Hobbys: Yoga, Skitouren, Bergsteigen, Radfahren, Fotografieren, Reisen …
- An Vorarlberg schätze ich: das Gefühl zu haben in einem Naturpark wohnen zu dürfen
- Lieblingsreiseland: viele, Japan, wo ich studiert und gearbeitet habe, Indien, wo ich mehrere Jahre viele Projekte im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit ins Leben gerufen und betreut habe. In den letzten Jahren unternahm ich zusammen mit meinem Mann viele Radreisen, z.B. durch und rund um Island, Norwegen Neuseeland. Das letzte große Abenteuer war die Durchquerung von Nordamerika mit dem Rad (Great Divide)
- Kontakt: eva.rosino1@gmail.com