Für viele war es wie eine Zeitreise, ein Erwachen aus dem Dornröschenschlaf, als sie gestern im Freigelände Süd in Dornbirn nicht nur die Hits der 90er Jahre, sondern auch die dazugehörigen Interpreten live auf der Bühne hautnah erleben konnten.
Sind wir ganz ehrlich: Die Dance-Musik der 90er Jahre kann beim besten Willen nicht als Höhepunkte der Musikgeschichte bezeichnet werden. Der Übername „Dance-Trash“ (also Tanz-Müll) ist sehr treffend. Nichtsdestotrotz verbinden viele mit der Musik von damals starke Emotionen wie erste Diskobesuche, der erste Kuss und die ersten Frühlingsgefühle. So ist es nur verständlich, dass die Stars von damals heute wieder auf großen Bühnen stehen und ein tausendfaches Publikum begeistern. Das Line-Up, welches die Stargarage auf die Füße gestellt hat und jedem Künstler ein Zeitfenster von ca. 30 Minuten im Dornbirner Messegelände einräumte, ist ein sehr gutes Konzept, das funktioniert.
Den Anfang machten die aus London bzw. dem Vereinigten Königreich stammenden EAST 17, die neben dem One-Hit-Wonder „Stay“ noch zwei, drei andere tolle Songs mit im Gepäck hatten und sich sichtlich sportlich betätigt haben über die vergangenen drei Dekaden. Ein Handstand sowie ein vierfach Backflip auf der Bühne war sehr eindrücklich. EAST 17 waren das Gegenstück zu BSB, den Backstreet Boys oder Bands bzw. Boygroups wie Caught in the Act und galten in den 90ern als richtige „bad boys“.
Anschließend kam Eiffel 65 und es wurde zunehmend elektronischer. Viele fragten sich, was ihnen an dieser Musik nur gefallen haben konnte, da die Stimme elektronisch stark verzerrt wurde und kaum Leistung zeigte. Eines ist gewiss: Es sind sehr einfache Texte bzw. Wortfolgen der Babysprache, die jeder mitsingen kann. Die Rede ist von „Blue (Da Ba Dee)“. Viele Konzertbesucher erschienen in typischen Outfits der 90er, was das Ganze noch toppte.
Da keine Zeit für Umbau draufging (bei 90ies Dance braucht es nur ein DJ Pult und große Lautsprecherboxen), moderierten Martin Veithi Veith und Sandra Tasek von Antenne Vorarlberg in stets wechselnden Outfits, welche die 90er wiederspiegelten, und kündigten jeweils die nächsten Acts an.
Mr. President und sein unverkenntlicher „Coco Jambo“ fassten zusammen, was für gute Laune und Summer Vibes steht. m Sommer 1996 gelang es durch den Hit, mehrere Wochen den zweiten Platz der deutschen Charts zu halten, in anderen Ländern errang das Lied den ersten Platz. In Großbritannien erreichte es Platz acht, in Frankreich und den USA die Top 30. Ende des Sommers schaffte es neben Coco Jamboo auch noch I Give You My Heart in die Top 10. Beide wurden in Dornbirn gespielt – Coco Jamboo am Anfang wie am Schluss. Auf 90er-Jahre-Festivals tritt ausschließlich Lazy Dee unter dem Namen LayZee und mit den Liedern von Mr. President auf. Sein Hüftschwung ist legendär und er versteht es nach wie vor, mit dem Publikum zu interagieren und für super Stimmung zu sorgen.
© Bandi Koeck
Haddaway sprang fröhlich auf die Bühne und sang „What Is Love (Lady Don`t Hurt Me)“. Die Stimmung nahm einen weiteren Höhenflug und auch die Lautstärke wurde raufgedreht. Der 1965 in Port of Spain/Trinidad geborene Nestor Alexander Haddaway unterhielt sich auf Deutsch mit dem Meer aus Fans, die alle mitsangen. Ab 1989 lebte er mit Unterbrechungen in Köln. Dort spielte er bis 1993 American Football bei den Cologne Crocodiles.
Seinen Durchbruch als Musiker schaffte er 1992, als das Produzenten-Paar Karin Hartmann und Tony Hendrik auf ihn aufmerksam wurde und für ihn die Eurodance-Single „What Is Love“ schrieb und produzierte. Sie erreichte Anfang 1993 sowohl in Deutschland als auch mit etwas Verzögerung in Großbritannien Platz 2 der Singlecharts und in Österreich sogar Platz 1. Auch in den US-amerikanischen Billboard-Charts stieg er mit der Single bis auf Platz 11. Gesanglich unterstützt wurde er von einer aus Schweden stammenden Sängerin. Auch sein Folgehit „Life“ durfte nicht fehlen. Haddaway wohnt heute in Kitzbühel in Tirol.
Für die beste Stimmung sorgten am gestrigen Abend das 1992 in Stockholm/Schweden gegründete Musikprojekt Rednex. Energiegeladen stürmten die vier Musiker auf die Bühne und machten eine Riesenshow. Frontfrau Mary Joe, aber auch Billy Ray und Bobby Sue sowie B.B. Stiff zeigten in klassischem Cowboy-Outfit dem Ländle-Publikum, was Sache ist. Lasziv bis pervers (Billy Ray zeigte Mitten auf der Bühne seinen Allerwärtesten) gab es nicht nur den Megahit „Cotton Eye Joe“ sondern auch die Hymne „Wish You Were Here“, bei dem das durch Handytaschenlampen eingeforderte Lichtermeer den Nachthimmel über Dornbirn erleuchtete. Ebenfalls wurde „The Spirit of The Hawk“ mit Bad in der Menge von B.B. Stiff und „The Chase“ zum Besten gegeben. Unbestritten war der Auftritt der vier Schweden der Höhepunkt des Abends.
Oli P. enttäuschte
Enttäuschend kann der Auftritt von Oli P. bezeichnet werden. Vom damaligen Mädchenschwarm ist optisch rein gar nichts mehr übrig geblieben (er trägt Glatze und Oberlippenschnauzer sowie Pyjama-Shorts und Kaputzenpulli) und sein Herbert-Grönemeyer-Cover „Flugzeuge im Bauch“ war noch ganz okay, aber als der 1978 in Berlin geborene Oliver Alexander Reinhard Petszokat wie er mit vollständigem Namen heißt Robbie Williams „Angels“ coverte, war allen klar, dass er nur Playback sang und die Originalstimme von Williams laufen gelassen wurde. Oli P. sagte auch, dass er textunsicher wäre und der DJ einen Coversong (Liquidos Narcotic, erschienen 1999) rechtzeitig abdrehen solle. Damit bekam er einige Buh-Rufe und enttäuschte Gesichter.
Sonnenklar war auch, dass viele Fans einfach nur die alte Musik hören wollten, ganz egal ob live oder Playback, was wohl aber auch auf den erhöhten Alkoholspiegel zurückzuführen war. Dem Team vom Sicherheitsdienst Marent gilt an dieser Stelle ein großes Dankeschön, da sie sehr zurückhaltend und verständnisvoll eingeschritten sind, sei dies bei Schlägereien als auch bei fliegenden Gegenständen auf Oli P. und die Bühne. Kuscheltiere waren gestern!
Die gute Nachricht für die nächste 90er Party: Es gibt noch viele andere (bessere) Acts wie Dr. Alban, 2Unlimited, Snap, Culture Beat, LaBouche oder auch die Backstreet Boys – auf einen Oli P. sollte besser verzichtet werden.