Von Thomas Bertram
Der Spielfilm „The witch next door“ aus dem Jahr 2020 stellt sich bewusst in die Tradition der entsprechenden Filme aus den 80er und 90er Jahren. Es sei dabei insbesondere auf „Mein Nachbar, der Vampir“ verwiesen. Wie kann jetzt so ein Oldschool-Film zum Kassenschlager in den USA werden? Vielleicht gerade deshalb? Weil der Ablauf zwar bekannt ist, der Teenager, der das Monster bemerkt, aber keiner glaubt ihm, diese Geschichte aber neu und interessant erzählt wird? Ich gehe einmal von dieser Hypothese aus. Der Film war während der Corona-Pandemie 2020 der Renner in den amerikanischen Autokinos mit dem höchsten Einspielergebnis, den meisten Zuschauern.
Zum Inhalt ist eigentlich eben gerade schon alles gesagt. Die neuen Nachbarn, die sich neben Liam (Jamison Jones) und seinem Sohn Ben (John-Paul Howard) eingemietet haben, verändern sich plötzlich gewaltig. Das Baby verschwindet, der Sohn Dillon hat panische Angst vor seiner Mutter, bis er ebenso plötzlich von der Bildfläche verschwindet und sein Vater leugnet tags darauf ab, je einen Sohn gehabt zu haben. Ein mysteriöses Zeichen vor der Haustür der Nachbarn bringt Ben auf die Spur einer uralten bösen Hexe. 2020 findet das natürlich per Internetrecherche statt und es gibt kein Suchen in den verstaubten Archiven von Bibliotheken oder schrulligen Professoren. Seine Bekannte Mallory (Piper Curda), mit der zusammenarbeitet, glaubt ihm nur ein wenig. Die Hexe sorgt dafür, dass alle anderen die verschwundenen Personen vergessen. Und sie braucht dringend neue weibliche Haut, um nicht sofort als Hexe erkennbar zu sein.
Was macht den Film so besonders? Es sind die kleinen, dafür aber besonders effektvollen Horrorelemente. Hier wird nicht minutenlang gemetzelt, es werden keine Beschwörungen hin und her geworfen. Eine Szene sei hier stellvertretend ausführlich beschrieben: der kleine Sohn der Nachbarn, Dillon (Blane Crockarell) ist mit seiner Mutter im Wald, sie haben sich ein wenig verlaufen und plötzlich ist er auch weg. In der nächsten Einstellung sieht man ihn wieder, wie er um einen Baumstamm lugt. Die Stimme seiner Mutter kommt aus einem großen, tiefen schwarzen Erdloch, das sich unter einem weiteren Baum auftut. Sie lockt ihn, zu ihm zu kommen. Dann wird sie unfreundlich, sie droht und flucht, ihre Stimme wird bedrohlich und man sieht Krallenhände aus dem Loch hervorkommen. In dem Moment erscheint seine Mutter hinter ihm und beim nächsten Umdrehen gibt es da keinen Baum, kein Loch. Richtig creepy! Und noch etwas sei hier positiv erwähnt: der Film nimmt erzählerisch nicht erst in den letzten 5-10 Minuten Fahrt auf. Die ganze letzte halbe Stunde geht es zur Sache.
Negativ bliebe nur eine Sache anzumerken, wobei es im Blickfeld des Betrachters liegt, ob das jetzt tatsächlich „negativ“ ist, oder ob es einfach dieser Erzählform geschuldet werden muss: Die Hexe fängt und frisst kleine Kinder. 2020 zurück ins Mittelalter, muss das sein? Hätte das mit der Haut nicht gereicht plus „Lebensenergie“ aussaugen oder so ähnlich? Andererseits gäbe es dann natürlich auch nichts und niemanden mehr zu retten, da sogar Ben (Spoiler-Spoiler-Spoiler) vergessen hat.
Kurz und knapp: Wer Horror mag und Splatter nicht braucht, der ist hier goldrichtig.