Nachrichten für den Präsidenten

Albert Wittwer im Weihertal

Von Albert Wittwer

Stellen wir uns vor, der Diktator kann uns, die wir im nächsten Winter nicht frieren wollen, das Gas abdrehen. Also schickt er manchmal mehr, dann wieder weniger Gas durch die Leitungen. Und was machen wir?

Ganz aufgeregt berichten wir täglich mehrmals darüber. Alle Experten wundern sich, warum wir nicht vor – sagen wir schon drei Jahren – aus dem Gas „ausgestiegen“ sind. Die Experten sind überzeugt, man hätte es wissen müssen, daß der Diktator heuer ein Nachbarland mit seinem Militär überfallen wird. 

Warum haben sie es nicht früher gesagt? Die Experten für Warnungen warnen vor allem Möglichen. Das Schlimmste ist immer gewiß, vor allem der Tod. Da liegt man ja immer richtig.

Jetzt liest der Präsident vergnügt mehrmals täglich unsere Zeitungen und hört unser Radio. Er unterhält sich blendend. Als wären wir in ihn verliebt, denken wir an ihn jede Stunde. Was für ein Vergnügen für ihn!

Sein bewährtes Rezept für maximale Aufmerksamkeit, warum soll er es abändern? Never change a running system!

Ich weiß, die Medien haben ja eine Informationsaufgabe. Aber ist das Lesen von Kaffeesud, das Brambarasieren über mögliches Desaster, informativ?

Vielleicht können wir den Präsidenten mit den Nachrichten bedienen, die er nicht lesen will, die ihm vorenthalten werden. In seinen Kreisen wird der Überbringer schlechter Nachrichten üblicherweise geköpft. Als da wären: Unsere doch eintretenden Erfolge bei nachhaltiger Energie. Wie souverän unsere Wirtschaft und unsere Bevölkerung alle Umstellungen bewältigt. Wie ungern die asiatischen Ex-Soviet-Republiken ihre jungen Männer in einer für sie unverständlichen „Militäroperation“ im fernen Europa verheizen lassen. Wieviele Menschen Bauchkrämpfe bekamen, nachdem sie die Produkte des russischen MacDonalds-Nachfolgers in Moskau gegessen haben. Daß die Ersatzteile für die angeblich aus russischer Eigenproduktion stammenden Luxus-Autos, mit denen die Politbüromitglieder fahren müssen, ausgehen. Welche schönen Jachten in europäischen und anderen Häfen beschlagnahmt festsitzen und demnächst versteigert werden. Wie hingebungsvoll die Europäer in diesem Sommer reisen und ihren Urlaub genießen. Mit welcher Freundlichkeit die ukrainischen Flüchtenden aufgenommen wurden und immer noch werden. Wie erfolgreich man den Schulbesuch der Kinder organisiert.

„Veni, vidi, vici.“ Julius Cäsar. Ich kam, ich sah, ich siegte?

Weder noch.

Der Diktator sollte die russische Enklave Königsberg besuchen, die Heimat von Immanuel Kant: „Der Friede ist das Meisterwerk der Vernunft.“

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