Interview mit einer ehemaligen Prostituierten

Von Heike Lampert

Wir von Gsi.News durften Franziska kennen lernen. Franziska ist 72 Jahre alt und hat ihr ganzes Leben als Prostituierte gearbeitet. Im Interview dürfen wir sie Franzie nennen.

Gsi-news: Franzie, du warst jahrelang im Rotlichtmilieu. Wie kam es dazu?

Franzie: Meine Mutter war schon eine Prostituierte und mein Vater war Alkoholiker. Ich haute damals mit 13 ab und landete in Berlin. Dort ging ich auf den Babystrich. Ich kam schnell auf die schiefe Bahn und nahm Drogen und Alkohol zu mir. In meinem Rausch war mir alles egal. So schlief ich unter der Brücke oder im Wald. Mich vermisste niemand. Dann starb mein bester Kumpel. Ich wusste, ich muss weg vom Strassenstrich. Also tingelte ich durch die Lande. War eine Zeit in Holland und dann wieder eine Zeit lang in Deutschland. Irgendwann landete ich in der Schweiz. In all den Jahren verdiente ich mir mein Geld durch verschiedenste Männer. Da war alles dabei. Vom feinen Banker bis hin zum Alkoholiker. Ich wurde auch oft verprügelt oder bekam kein Geld, aber wenn du auf Drogen bist, ist dir alles egal. Meine Welt bestand daraus, immer so schnell wie möglich Kohle zu machen, um Geld für Drogen zu haben. Mit 23 wurde ich schwanger. Bei der Geburt nahmen sie mir das Baby weg. Es kam in eine Pflegefamilie. In der Schweiz arbeitete ich dann legal in einem Club. Das war die schönste Zeit meines Lebens. Klingt schräg, aber ich hatte ein Dach über dem Kopf und zu essen.

Gsi-news: Wollten die Freier immer nur das eine?

Franzie: Nein. Viele kamen nur zum Kuscheln oder zum Reden. Dann gabs aber auch die ganz harten Kerle, die eine Familie zu Hause hatten und zu uns kamen, um die Sau raus zu lassen. Einmal hatte ich sogar einen Pfarrer, der war versaut ohne Ende. Aber damals war das alles noch anders. Da gab es kein Internet. Da lief das Geschäft und die Konkurrenz war nicht so gross wie heute.

Gsi-news: Hattest du nie das Gefühl, wieder nach Hause zu wollen?

Franzie: Nein, denn ein zuhause gab es nie. Ich hatte einen Hund namens Heino, der war meine Familie.

Gsi-news: Wann kamst du von den Drogen weg?

Franzie: 1987. Da wurde ich wieder schwanger und in Deutschland konnte ich zu einem Arzt gehen. Der sagte, wenn du so weiter säufst und Drogen nimmst, stirbt dein Kind im Bauch. Das war der Wendepunkt. Ich versuchte los zu kommen, was mir auch teilweise gelang. Dann bekam ich mein Mädchen, gab es zur Adoption frei und ging wieder in die Schweiz.

Gsi-news: Wolltest du nie wissen, was aus deinen Kindern wurde?

Franzie: Nein, ich wäre keine gute Mutter gewesen. Alles andere ist besser. Heute bin ich zu alt. Ich bete jeden Tag, dass es den Beiden gut geht.

Gsi-news: Konntest du deine Vergangenheit je verarbeiten?

Franzie: Nein, das werde ich auch nie. All die Drogen und Schläge und Männer, das Betteln, zu wenig zu essen machen es unmöglich.

Gsi-news: Würdest du mit deinem heutigen Wissen anders reagieren?

Franzie: Ja, ich denke schon. Ich habe seit drei Jahren Krebs und einen Mann an meiner Seite, der gut zu mir schaut.

Gsi-news: Kann man nach so einem Leben eine normale Beziehung haben?

Franzie (lacht): Er war mein letzter Kunde damals, wir sind beide gleich alt und er kam aus Einsamkeit. Somit verstehen wir uns.

Gsi-news: Was wurde aus Heino?

Franzie: Der starb irgendwann den natürlichen Hundetod, aber er war mein Ein und Alles. Er hat mich oft beschützt. Ganz egal wie hart dein Leben ist, es ist niemals so schlimm, dass man seinen Körper verkaufen sollte. Vielleicht wäre ich nie so krank geworden, wenn ich normal gelebt hätte.

Gsi-news: Vielen lieben Dank Franzi für dein bewegendes Interview und von Herzen alles Gute.

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