Von Albert Wittwer
Vor Ibiza glaubte ich, wir könnten auf das Amt des Bundespräsidenten überhaupt verzichten. Aus Sparsamkeit nach Schweizer Vorbild könnten die Minister das Amt abwechselnd bekleiden. Als der Amtierende gemeinsam mit dem damaligen Kanzler im Ausland Österreich vertrat, schrieben auch die kritischen Medien, daß sie gemeinsam perfekt abgestimmt auftraten, „zwischen die beiden passte kein Blatt Papier“.
Gut, das mit dem Oberbefehl über das Bundesheer und der Entlassung der Regierung müßte dann sonst jemand übernehmen. Auch die Exekutionen von Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofes können sich durchaus gegen Regierungsmitglieder richten, darüber ist seit etwa hundert Jahren erstmals in letzter Zeit die Rede. Freiwillige, die nicht zimperlich sind, gibt es, wie wir bei den Kandidaten schon gelernt haben.
Die Queen, Verzeihung der King, dürfen sowas nicht. Gut, die sind zwar teuer, aber sie haben einen höheren Unterhaltungswert und bringen angeblich mehr an Erträgen im Tourismus, als sie kosten. Das erinnert an die Bundestheater und die Festspiele. Die sind aber nicht so gefühlig.
Auch der Job des Präsidenten ist ein Mandat. Das kam den Journalisten skurril vor, als der Amtierende erklärte, er bewerbe sich um dieses ein weiteres mal. Sogar er ist unser Angestellter, von uns beauftragt. Mandate können ja durch Wahl oder Ernennung oder – im Privaten – Vertrag begründet werden.
Zu einem Fernsehduell mit seinen sechs Mitbewerbern wollte der amtierende Präsident – wie schon seine Vorgänger – nicht antreten. Das ist ihm auch als träge Abgehobenheit vorgeworfen worden. Ich habe dafür Verständnis. Es ist besser, die Inhaber hoher politischer Ämter sind nicht in Kampfrhetorik geschult. Wir sollten von ihnen keinen Unterhaltungswert verlangen. Dafür können wir streamen oder ins Kino gehen.
Die Aufklärung durch die Ibiza-Papers, zeitgemäßer Ibiza-Videos, haben drastisch bewiesen, daß der Bundespräsidenten im Notfall, in der Krise, so wichtig ist wie der Notarzt beim Herzstillstand. Plötzlich – abseits des politischen Tagesgeschehens – stellt das Amt extreme Anforderungen an die Person, die das Mandat ausübt. Jetzt sind die Integrität und Klugheit und das Wissen gefragt, deren Fehlen auch ein Team von Beraterinnen nicht kompensieren könnte.
„Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann. Das ist das große Wagnis, das er, um der Freiheit willen, eingegangen ist.“ (Böckenförde).
Unser Österreich lebt davon, daß wir klug wählen.