Von Albert Wittwer
Man liebt den Verrat, nicht den Verräter. Auch wenn er nichts Neues verrät.
Der Ex-Generalsekretär des BMfF, der früher bekannte, „ich liebe meinen Kanzler“, ist jetzt eine Art Aufdecker geworden. Es geht um Klüngelei und Korruption auf unsere Kosten, die erst wenige Jahre zurückliegt. Seine Motive sind zwar eigennützig, aber verständlich. Vermutlich wollte er nicht für den Rest seines Lebens in Holland bleiben und befürchten, er werde bei der nächsten Ausreise doch ausgeliefert. Glaubwürdig erscheint mir, daß seine Mutter ihn aufforderte, reinen Tisch zu machen. Wenn er in Österreich, seiner Heimat, irgendwann in Frieden leben will, führt daran nichts vorbei. Der Umweg über den Versuch, den Kronzeugenstatus zu bekommen, ist konsequent.
Unverständlich ist mir die allgemeine Aufregung. Die Chats sind ja seit Jahren bekannt und sogar von Schauspielern des Burgtheaters – ohne die Genehmigung der Autoren einzuholen – nachgespielt worden. Wie in aller Welt könnte es sich anders verhalten haben, als daß der Profiteur des „Beinschab-Tools“, man beachte die Wortschöpfung, dieses auch bestellt, angenommen und jedenfalls nicht korrigiert hat?
Dazu ein kleines Gedankenspiel. Der Prokurist eines Olivenölunternehmers veranlaßt, daß dem Extravergine durch Erhitzen gewonnenes Billigöl zugemischt wird. Die Gewinne sprudeln doppelt. Das fällt dem Unternehmer, der täglich seine Ertragstatistik bewundert und der die Kalkulation genau kennt, sofort auf. Er ist begeistert. Hat er jetzt etwas mit dem Betrug zu tun oder doch nicht?
Der Bundespräsident hat angeregt, die Politik möge sich vielleicht hinsichtlich der Compliance ein Beispiel an Konzernen nehmen. Mag sein, daß für viele große Unternehmen dieses Thema mehr als nur Greenwashing bedeutet. Zu Recht hat er die österreichische Justiz, bevorzugtes Feindbild der jugendlichen Politaufsteiger die Wirtschaftsstaatsanwaltschaft, als Säule des Rechtsstaates gelobt. Leider können die Justiz und auch die weisungsfreien Rechnungshöfe zwar abschreckend wirken, aber nur im Nachhinein strafen und rügen.
Für ähnlich wichtig wie die der Justizbeamten halte ich die Integrität der Beamten der allgemeinen staatlichen Verwaltung, von der Gemeinde bis in die Bundesministerien. Sie sind in der Regel hervorragend ausgebildet und motiviert. Sie sind verpflichtet, ggf. auf die Gesetzwidrigkeit einer Weisung hinzuweisen. Eine Weisung, die gegen das Strafgesetz verstößt, dürfen sie nicht befolgen.
Nach meiner Beobachtung sind das Hauptübel die sogenannten Kabinette und die sogenannten Generalsekretäre, die den hervorragend qualifizierten Sektionschefinnen und -Chefs und sonstigen Spitzenbeamten vor die Nase gesetzt, von denen ausgetrickst werden. Die Spitzenbeamten haben nichts zu gewinnen und viel zu verlieren, wenn sie dulden und ihre Behörde anweisen, daß „das Recht der Politik zu folgen“ hat.
Die Parvenues hingegen sind Überflieger, ihre Loyalität gilt nicht dem Staat und seinen Einwohnern, die ihr Gehalt und die Inserate bezahlen. Sie „lieben ihren Kanzler“. Warum es der Wirtschaftlichkeit, Zweckmäßigkeit und Sparsamkeit enstspricht, wenn jeder NeoMinister seine Clique ins Ministerium mitbringt (Art. 51 A Bundesverfassungsgesetz), wird mir immer ein Rätsel bleiben.