Fulminant. Der Ersatztermin vom Ersatztermin vom Ersatztermin im SAL in Schaan mit der Südtiroler Bergsteigerlegende Reinhold Messner faszinierte ein Publikum von jung bis alt.
Von Bandi Koeck
Reinhold Messner ist der berühmteste Bergsteiger unserer Zeit und kann auf eine Vielzahl an Leistungen zurückblicken. Seine Erfolge begannen als Felskletterer, setzten sich als Höhenbergsteiger und Grenzgänger, aber auch Forscher fort. Immer dann, wenn etwas für ihn zu selbstverständlich respektive zu langweilig wurde, hat er sich wieder neu erfungen: Als Bergbauer, Buchautor, Filmemacher, Politiker und Museumsgestalter. Seine Erfahrung Mensch-Berg stand stets im Fokus. Heute sei er ein leidenschaftlicher Sonntagsbergsteiger, der immer horizontsüchtig wäre.
Heilige Berge
„Ich führe Sie heute dorthin, wo die Gefahren am Grössten sind. Wir Menschen generieren seit zehntausend Jahren Sicherheiten“ so die Eröffnungsworte des Südtiroler Extrembergsteigers. Zusammen mit dem Schaaner Publikum suchte er absichtlich eine gefährliche Welt auf. „Das Nicht-Umkommen ist die Kunst beim Bergsteigen und das war mein Lebensziel“. Gleich zu Beginn stellte Messner klar, dass Klettern in der Halle ein grossartiger Sport sei, allerdings nichts mit Alpinismus gemein hat. Dreidimensionale Bilder des verschneiten Gipfelgrads des 6.638 m hohen Kailash in Tibet, mit meditativer Musik untermalt, nahmen die Gäste aus Nah und Fern mit auf eine spektakuläre Reise. Messner erklärte, dass der heute heiligste Berg der Welt, der Kailash, von zigtausenden von Einheimischen über die vergangenen Jahre umrundet wurde. Seine unendliche Leidenschaft für das Thema Berge und Alpinismus war sehr gut spürbar, er sprudelte förmlich und steckte durch seinen in Worte gefassten Enthusiasmus seine Zuhörer förmlich an. „Ich habe das Glück gehabt, diesen Berg mehrmals zu umrunden.“ Laut Messner sollten wir dem Berg mit grossem Respekt und ohne viel technische Hilfsmittel begegnen. Im Bildervortrag zeigte er Aufnahmen von kolossalen Stupas und buddhistischen Tempelanlagen. 1986 erhielt Messner eine Option von der chinesischen Regierung, den Berg zu besteigen. „Ich habe verzichtet, weil ich der Meinung bin, wir dürfen den Einheimischen nicht etwas wegnehmen, das ihnen heilig ist.“ Auch wenn der rote Faden und die oft willkürlich erscheinende Bergauswahl nicht auf den ersten Blick zu erkennen waren, so war die Intention, die 200-jährige Geschichte des Alpinismus darzulegen, eindeutig.
Gefährliche Berge
Als nächstes veranlassten imposante Aufnahmen des Mont Blanc, dem höchsten Berg der Alpen, gespickt mit interessantem Hintergrundwissen, zum Staunen. Dass der Alpinismus aus England stammt, dass die Romantik die Berge verklärt hat und durch den Beginn der Industrialisierung alles veränderte, waren lehrreiche Inhalte des ersten Teils. Das Matterhorn durfte da natürlich nicht fehlen. 4.478 m ragt es wie eine verdrehte Pyramide Richtung Himmel. 1865 erfolgte die Erstbesteigung, die Eroberung des Matterhorns auf Schweizer Seite durch den Hörnligrad. Messner, der als begnadeter Geschichtenerzähler gilt, schilderte das fürchterliche Ereignis beim Abstieg des meistfotografiertesten Schweizer Berges. „Heute noch ist das Matterhorn ein grosser Berg und es gibt dort schwierige Routen.“ Messner habe ich den letzten drei Jahrzehnten in einer Serie von musealen Einrichtungen versucht, das traditionelle Bergsteigen darzustellen. Es gibt insgesamt sechs Museen, welche er inhaltlich befüllt und gestaltet hat. „Meine schwierigste Tour habe ich am Heiligkreuzkofel 1967 zusammen mit meinem Bruder gemacht. Was heute geklettert wird, lässt auch mir die Haare aufstellen“ gab er frisch von der Leber. Er zeigte dazu ein Bild von Free-Solo-Legende Alexander Huber, der ein horizontales Dach weiter in die Vertikale kletterte. Oder von Hansjörg Auer, der in den Rocky Mountains verunglückte. Die Reise ging weiter in den Kaukasus zum Berg Ushba. 1977 bestieg er diesen wie auch den Mount McKinley, zahlreiche Berge aus den Anden Südamerikas oder die Nanda Deli. Die Annapurna, (übersetzt „die Göttin der Erde“), war der erste Achttausender, der nach dem Zweiten Weltkrieg von Franzosen bestiegen werden konnte.
Höchste Berge
Nachdem Reinhold Messner im Foyer des SALs während der Pause unzählige Autogramme gab, ging es im zweiten Teil zum Mount Everest (8.848 m) und zur Entwicklung des Alpinismus bis heute. „Der Mount Everest ist ein grossartiger Berg.“ Messner erklärte die Anfänge der Besteigung durch Engländer im Jahr 1953. „Es gibt keine plausible Erklärung, warum wir Bergsteigen gehen. Wir gehen freiwillig, um diese gefährliche Erfahrung zu machen“ sagte er unverblümt. Der Berg sei unendlich viel grösser als wir. „Wir Menschen machen Fehler, ein Berg nicht.“ 1978 war der Messner mit Peter Haberl zum ersten Mal am Everest. Ohne Sauerstoff und Maske wären Bergsteiger immer langsamer geworden. „Wir haben hyperventiliert wie die Hunde. Damit ist der Berg in unserem Bewusstsein gewachsen und der Gipfel immer weiter in die Ferne gerückt.“ Das Zurückkommen fühle sich an wie ein Wiedergeborensein. Zwei Jahre später ging er im Alleingang erneut auf den Everest. Auch der K2 (8.611 m), der zweithöchste Berg und für Messner der schönste Berg der vierzehn Achttausender, wurde detailliert erklärt. Was schliesslich ein schöner Berg sei, das sei schwierig zu beurteilen – ähnlich wie bei den Frauen. Nur mit Egoismus wären solche Touren möglich, aber ob man seinen Angehörigen das antun könne, lautete die offene Frage. „Es ist im Grund nicht verantwortbar, aber ich habe es getan.“
Lebendiger Freiheitsdrang
Gegen Schluss behandelte er den „deutschen Schicksalsberg“, den Nanga Parbat (8.126 m), dem „nackten Berg“ (Urdu). Auch über den schweren Verlust seines Bruders Günther sprach er offen. „Jung wie wir waren, wollten wir selber den höchsten Punkt erreichen. Die Erkenntnis, dass wir verwundbar sind, kam leider zu spät.“ Kurz vor Ende, nachdem er über seine Nahtoderlebnisse und davon sprach, dass er nichts mit Religionen anfangen könne („Als Mose auf den Berg Sinai ging und vom Brennenden Dornbusch die Zehn Gebote erhielt, um sie den unten meuternden Israeliten zu sagen, verbot er allen anderen, diesen Berg zu besteigen, weil sie dort nichts vorgefunden hätten!“) und sich selbst den Sinn des Lebens gesucht habe, wurde er tiefgründig und philosophisch. „In meiner Alterssituation ist es nicht mehr möglich, Träume zu realisieren. Ich bin mehr als zufrieden, was ich erreicht habe, denn es ging mir immer mehr um den Stil als um den Gipfel, und um die Fähigkeit, den Gefahren auszuweichen“ Sein Freiheitsdrang sei ihm bis zum heutigen Tag lebendig geblieben. „Ich freue mich auch auf diesen letzten Schritt, über das Irdische ins Jenseits hinaus.“ Gerade die inhaltliche Vielfalt an Informationen, seien es geografische, geologische, historische, gewürzt mit sehr persönlichen Erlebnissen und Erinnerungen, machten den Besuch von der ersten bis zur letzten Minute zu einem grandiosen Erlebnis.