Hans Kammerlander: Tödliche Schicksale am Manaslu

Die Extrembergsteiger-Legende Hans Kammerlander © Bandi Koeck

Schicksalhaft. Die Südtiroler Extrembergsteiger-Legende Hans Kammerlander stattete am Dienstagabend dem TAK in Schaan einen Besuch ab und entführte sein Publikum zum „Geisterberg Manaslu“.

Von Bandi Koeck

Intendant Thomas Spieckermann freute sich, dass die Serie über Alpinismus sehr viel Anklang findet. Erst kürzlich beehrte Reinhold Messner Schaan, Hans Kammerlander war zum letzten Mal vor eineinhalb Jahren hier. „Ich war heuer ganz viel unterwegs, u.a. in meiner neuen Heimat Nepal. Im Dezember fahre ich wieder dorthin“ erzählte Hans Kammerlander über das Land, in dem er sein Herz liegen gelassen, das er 45 mal besucht und dort 28 Schulen gebaut hat. Das erste Mal sei er wegen Reinhold Messner dahin, das Land habe ihn seitdem nicht mehr losgelassen. Nach diesen Worten zeigte er ein spektakuläres Video über Berge. Der Fokus lag auf Manaslu, dem Geisterberg. „Mein grosses Idol, Reinhold Messner, hat mich damals, im Winter 1982, angerufen, und gefragt, ob ich ihn zur Westwand des Chooyu begleiten würde. Ich war sehr überrascht und freute mich sehr darauf.“ Er sei zu dieser Zeit sehr aggressiv geklettert. „Wenn ich eine Fliege geschluckt hätte, hätte ich mehr Hirn im Bauch gehabt als im Kopf. Der Sohn einer kleinen Bergbauernfamilie absolvierte eine Maurerlehre. Es folgten Ausbildungen zum Berg- und Skilehrer, womit er sein Hobby zum Beruf gemacht habe.

Dutzende Grenzerfahrungen

Kammerlander sprach sehr viel über Nepal, über das Land und die Leute. Seine Schilderungen sind voller Faszination, die dazu gezeigten Bilder wunderschön, geheimnisvoll und inspirierend. Er schwelgt sichtlich in Erinnerungen, etwa an seinen damaligen Mentor in den Dolomiten, Friedl Mutschlechner, genauso Reinhold Messner, der ihm den Himalaya näher gebracht habe. Messner, den er als sehr guten Taktiker betitelte, fand er sowohl löbliche als auch kritische Worte. Der damals 26-jährige Kammerlander war der Neuling, als eine Route nach der anderen geplant und begangen wurde. „So einen hohen Gipfel wollte ich mir nicht mehr antun.“ Doch es kam anders, denn die nächsten Sieben- und Achttausender folgten, etwa in Pakistan. Natürlich alles ohne Sauerstoff. „Das war etwas vom Grenzwertigsten, was ich in meinem Leben gemacht habe“ wusste der erfahrene Alpinist über das Gebiet des Karakorum zu berichten. „Beim K2 und anderen hohen Bergen bleibst du schon mit offenem Mund stehen.“

Journalist Bandi Koeck mit Hans Kammerlander

Die Skier auf dem Buckel

Gezeigt wurden auch Bilder von und mit dem bekannten Filmemacher Werner Herzog. Das Publikum erfuhr viele Details, die andere Vortragende sonst nie kundtun: „Um Gewicht loszuwerden, haben wir fast schon die Zündhölzer gezählt.“ Kammerlanders Rhetorik ist durchzogen von einer ehrlich-offenen Sprache, er benennt das Erlebte beim Namen: „Du siehst so weit weg den zweiten Gipfel und musst fast kotzen, eine fürchterliche Schinderei.“ Filmsequenzen aus dem Kinofilm „Manaslu“ beeindruckten – dazu erklärte Kammerlander die Details zu den Geschehnissen. 1985 wurde der 8.091 m hohe Annapurna bestiegen, dann der Dhaulaggiri (9.157 m) sowie der 8.485 m hohe Makalu im Jahr 1986. „Bei den letzten zwei der vierzehn Achttausender spürte ich, dass es Messner nur noch ums Abhaken ging, er wollte so schnell wie möglich auf diese Gipfel, denn die Konkurrenz schlief nicht.“ Gemeinsame Pläne mit Messner Ski zu fahren, wären gescheitert, weil er bekanntlich kein Skifahrer sei. Das ist auch ein grosser Unterschied zu Messner. Das Absteigen respektive Abfahren mit Skiern ist etwas, das Kammerlander liebte. Zu seinen damaligen Höhepunkten zählen abenteuerliche Aktionen, Lawinenabgänge und wahre Freundschaft. Alles Dinge, die mit Worten nicht zu erklären seien.

Schmerzhafte Verluste

Für die Zuschauer waren die zahlreichen Eindrücke im ersten Teil teils wilde Sprünge von einem Berg zum nächsten, bis es dann aber wirklich zum Manaslu ging. Die Besteigung fand während dem Irakkrieg statt. Die brennenden Ölquellen hätten das schlechte Wetter am Himalaya verursacht. „Als wir Schnee schmolzen, um Tee zu machen, war ein schwarzer, öliger Film in den Tassen.“ Als Blindflug und unmögliche Orientierung betitelte der charmante Südtiroler Nebel am Manaslu. Der Verlust seines Freundes Karl sei ein Riesenschock gewesen. Das Unglück ging weiter. Ein Sturm, ein Blitzschlag, der Kammerland die Hand verbrennt und seinem Freund Friedl den sofortigen Tot gebracht habe. „Schlimmer, als ich es da oben erlebt habe, kann man es nicht nachdrehen“ so Kammerlander, der an diesem Berg seine dunkelsten Stunden erlebt und einen weiteren verloren hatte. „In dieser Stunde bin ich um zehn Jahre gealtert.“ Die Tragik dieser Augenblicke hielt er fotografisch fest, etwa die vom Blitz durchlöcherte Mütze, die als Beweis für die Versicherung gebraucht wurde. Man schrieb den 10. Mai 1991 und es sei Kammerlandes Aufgabe gewesen, die traurige Nachricht an die Angehörigen nach Hause zu schicken. „Die Medien bohrten in die Wunden rein, Schuldfragen kamen auf.“ Daraufhin habe er sich in die Einsamkeit zurückgezogen, in die Bergbauernwelt des Bruders. „Der Berg ist einfach zum Feind   geworden.“

Bergverliebte Legende

Nach dieser Auszeit habe ihn ein Junge aus dem schwarzen Loch geholt. „Den Rest meiner Kindheit habe ich am Manaslu zurückgelassen“ so der ehem. Bergläufer, der auch Wettkämpfe machte und an den Drei Zinnen wieder begann, bevor es auf einer Solo-Tour mit Skiern auf den höchsten Berg der Erde ging, den Mount Everest – ohne Steigeisen, mit den Skiern auf dem Buckel, die mitsamt Rucksack nur 5 kg wogen. „Die Wand wird nie flach, die wird immer steiler. Ein Fehler, und du hast nie mehr Zahnschmerzen.“ Die Abfahrt vom Everest habe satte sechs Stunden gedauert. Für Kammerlander war sein grösster Traum erfüllt. Jedoch entging er nur knapp einer Amputation, da sein linker Fuss teilweise abgefroren war. Sein letztes grosses Abenteuer führte Kammerlander auf den K2. Die folgenden Jahre kam er zurück zum Klettern – noch unbestiegene nepalesische Berge standen auf dem Programm. Auch über den Dalai Lama verlor er nur löbliche Worte. „Dieser Mensch beeindruckt mich unbeschreiblich.“ Als sein Freund Brugger Alois plötzlich mitsamt Seil abgestürzt war, wagte er den unglaublich schwierigen Abstieg. „Sowas würde man freiwillig nie machen.“ Gegen Ende wurden viele lachende Kinder gezeigt. „Das Gefühl, etwas für die Kinder in Nepal zu tun, löst in mir Glückgefühle aus und gibt mir mehr als alle Achttausender zusammen.“ Hans Kammerlander, ein bergverliebter Mensch, ein legendäre Alpinist mit Herz und Seele. Zum Schluss spielte er ein Lied seines Freundes Hubert von Goisern, passend dazu der Text, der ihm auf dem Manaslu vor zwei Jahren in den Sinn gekommen sei: „Heast es net, wia die Zeit vergeht…“.

Die mobile Version verlassen