Nabelbeschau im Regierungs-Bunker

Von Albert Wittwer

Sie igeln sich ein. Die Bilder aus dem parlamentarischen Untersuchungsausschuß sehen aus, als stammten sie aus einem Bunker im umkämpften Cherson. Die Beratenden und unter unparteiischem, unbeteiligtem Vorsitz Fragenden erörtern nicht Verkehr und Industrieproduktion, Landwirtschaft und Bodenversiegelung, Windräder und Sonnenkraft, Pädagogik, Allgemeinmedizin und Pflege oder wenigstens die (bei uns!) bedrohte Pressefreiheit, die (fehlende) Auskunftspflicht der Behörden, die (ewig aufgeschobene) Weisungsfreiheit der Generalstaatsanwältin.

Nein, sie beschäftigen sich mit ihren freundschaftlich-dienstlichen Chats der Vorjahre. Die sind freilich Indizien für die vorsätzliche Verletzung von Sorgfaltspflichten gegenüber dem Souverän, dem Volk, unserem Gemeinwesen, von dem sie glauben, daß es ihnen gehört. Also durften sie auch Schreddern und Verteilen – nach Gutdünken gezielt und auch mit der Gießkanne.

Es gibt im Staat eine Arbeitsteilung, Gewaltenteilung genannt, die uns Untertanen schützt. Die Justiz ist ja erfreulicherweise mit den korruptiven Chats befasst. Jetzt könnte die Legislative sie arbeiten lassen und sich ihren dringenden Aufgaben widmen.

Die Regierung ist voll ausgelastet. Oberirdisch muß sie – ohne die Bewilligung der Gemeindebauämter – Zelte aufstellen. Als Behelfswohnung im Winter für abgehärtete Flüchtende! Unterirdisch plant sie einen Bunker. Für die künftigen Krisen. Soll bloß fünfzig Millionen Euro kosten. Ein Bunker für Krisen aller Art. Der (schon wieder) Generalkrisensekretär, sicher ein Mann, beherrscht dann jede Sorte von Krise, von Hochwasser bis Waldbrand, von Pandemie bis Mißernte, von Atomunfall bis Blackout. Aber, nach US-Vorbild, mit medialer Anbindung. Wir wissen aus den Filmen: Bei drohendem Unheil sitzen die Bosse im Bunker, neben dem roten Knopf, und beraten.

Die Vorarlberger Gemeinden haben seit etwa dreißig Jahren Katastrophenpläne. Es sind mehrere, je nach Vorkommnis. Einen Bunker und eine eigene Presseabteilung brauchen sie nicht. Aber vielleicht gibt es österreichische Krisen, die sich gemeinde-exterritorial ereignen? Daran hat bisher niemand gedacht! Niemand wäre zuständig! Wahrscheinlich aber stellen die Bundes-Krisenmanager im Bunker unter dem Innenministerium dann hochbezahlt fest, daß sie Katastrophenpläne brauchen. Ob sie finden heraus, daß es die schon gibt?

In der Alpenfestung Schweiz wären im zweiten Weltkrieg, im Falle eines militärischen Angriffes, Rückzugsorte bereitgestanden. In den vielgepriesenen Bunkern in den Bergen hätten alle Kantons-, Bundes- und Gemeindeväter und wohl auch bis zu drei Prozent der Schweizer Untertanen Platz bekommen. Die Bevölkerung hatte außerdem im Grenzgebiet zum deutschen Reich ein par Luftschutzkeller. Na ja. Legenden sterben nie.

Unsere  auserwählten Gewählten wissen, wir sind kein kriegerisches, aber wehrhaftes Volk. Davon zeugen die Polizeipferde (halt, schon wieder auf der Koppel) und die Panzersperren vor dem Bundeskanzleramt. Fehlte noch der Bunker.

Dabei haben einzelne Minister in der Coronakrise – bisher aus ihren üblichen Amtsräumen – von Anschober bis Rauch sehr gute Arbeit geleistet. Vielleicht aber muß man die Guten aus der Regierung verstecken. Dazu ist ja auch ein immerwährend neutraler Bunker geeignet.

Anmerkung:

„Wenn wir das Ziel aus den Augen verloren haben, verdoppeln wir unsere Anstrengungen.“ Mark Twain

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