Von Albert Wittwer
Unser Herr Präsident des Nationalrates hat in eigener Machtvollkommenheit auf unsere Kosten ein Klavier für das Foyer des Parlamentes gemietet. Um monatlich Euro dreitausend, vermutlich zuzüglich Mehrwertsteuer. Das wird den immer notleidenden sterblichen Kunstschaffenden mächtig Auftrieb verschaffen.
Dafür könnte man eine große Wohnung am Pfänderhang mit Blick auf den Bodensee mieten. Oder den Lebensunterhalt von drei Konservatoriums-Studentinnen finanzieren.
Die sterblichen Kunstschaffenden leben so knapp oberhalb der Armutsgrenze. Von diesen sind die Unsterblichen ganz leicht zu unterscheiden: André Heller, eigentlich Dichter, Musiker, Gärtner, fälscht einen Bilderrahmen im Stil von Basquiat. Die Werke des 1980 verstorbenen Jean-Michel gelten als die teuersten des späten zwanzigsten Jahrhunderts. Prompt erzielte der durchaus unspektakuläre, gelungene Bilderrahmen in einer Londoner Galerie einen Preis von 800.000 Euro. Der sympathische André Heller hat den Rahmen zurückgekauft – und uns die Geschichte erzählt.
Er habe damit dem Kunstmarkt einen riesigen Schaden zugefügt, sagen die Kuratoren. Ich meine, er hat uns einen großen Gefallen getan.
Der Kunstmarkt lebt ja vielfach von unmoralischem Luxus. Die Oligarchen, sie haben ja sonst schon alles, horten die teuersten Tafelbilder in Tresoren oder hängen sie in ihre Jachten. Mit redlich verdientem Geld, inzwischen nachzulesen bei der Elite der Ökonomen von Piketty, Winters bis Martin Schürz, kann man die Werke nicht bezahlen. Dann schon eher aus unserem Steuergeld.
In den Museen der Welt hängen noch immer etwa zweihundert Bilder, die der deutsche Maler Wolfgang Beltracchi, oft im Stil des frühen 20. Jahrhunderts, etwa Max Ernst, Campendonk, Fernand Leger, gefälscht hat. Die deutsche Justiz hatte keine Lust, nachdem sie Beltracchi einiger Fälschungen überführt und er etliche Millionen Euro Diversion bezahlt hatte, weitere Nachforschungen anzustellen.
Wozu auch? Die Bilder sind gekonnt, ähnlich wie der Rahmen von André Heller. Der Schaden am „Kunstmarkt“ möge uns die Freude beim Betrachten schöner Bilder nicht rauben.
Es ist ja nicht so, daß der Markt auf dem Gebiet der Kunst oder Literatur Qualität spontan erkennt und kauft. Ohne Mäzenatentum durch Fürsten und Kirche wären wir um viele Schönheit ärmer. Heute muß durchaus der Staat, das Land, die Gemeinde als Mäzen auftreten, die Szene beobachten und systematisch kaufen. Welch ein Vergnügen ist etwa der Besuch des Vorarlberg Museums, in dem ein kompetent kuratierter Querschnitt neuen und älteren Kunstschaffens präsentiert wird. Die Republik möge das Klavier zurückgeben und mit den dreitausend Euro im Monat aktuelle Werke direkt bei den Künstlern kaufen.
Foto: Feldgrille mit Frucht der Unsterblichkeit 2022, Steinzeug, Glasur und Farbkörper, Amrei Wittwer;
Vergoldetes Klavier, sh.
https://orf.at/stories/3294386/?fbclid=IwAR2BRd-BPiF59FzMzkQP6QPcBFD6i4hgZN5NCj4-3_tp0pMRM5TvPrZTC_8