Herzlich. Coiffeur Style in Rüthi/Schweiz ist ein internationaler Treffpunkt zum Haareschneiden und sich austauschen. Wie eine kleine Familie beschreiben Kunden ihren Besuch im kleinen Friseurladen von Renata Berkes.
Von Bandi Koeck
Je nachdem, wie man es sieht, befindet sich der kleine, aber feine und recht heimelige Coiffeursalon am Anfang oder eben am Ende des Dorfeingangs von Rüthi. Daneben befindet sich eine Brokistuba, gegenüber ein Tierarzt und Hufschmid und gleich dahinter thront das kolossale Massiv des Hohen Kastens. Genau hier ist die Heimat der Wahlschweizerin Renata Berkes. Wie selbst sagt, ist die Schweiz und insbesondere Rüthi für die Ungaro-Serbin zu ihrer Heimat geworden.
Erfolgreiche Judoka
Ihre Kindheit hat die quirlige 38-Jährige, die viel jünger wirkt, in Serbien verbracht. Dank ihrer ungarischne Wurzeln spricht sie drei Sprachen fliessend. Zur Familie zählen ein älterer Bruder sowie zwei Halbgeschwister. Aufgewachsen sei sie in einer Kleinstadt im damaligen Jugoslawien. „Ich war eine sehr gute Kampfsportlerin“ berichtet die ehemalige Judoka, die sehr viel in der Freizeit trainiert hat. Zu den Erfolgen, auf die sie heute noch recht stolz ist zählen etwa der dritte Platz bei der jugoslawischen Nationalmeisterschaft im Judo und die Belegung des zweiten Platzes bei der serbischen Staatsmeisterschaft. „Durch den Sport bin ich viel umhergekommen. Wir reisten immer mit grossen Bussen.“
Kindheitstraum erfüllt
Seit Renatas frühester Kindheit hegte sie den Traum, als Coiffeuse zu arbeiten. „Schon als junges Mädchen ging ich immer gerne zum Frisör und habe es genossen, dass man mir die schönsten Frisuren gemacht hat.“ Heute ist sie es, die Kundenwünsche in die Realität umsetzt. Dabei kommt sie selbst auch nicht zu kurz, denn sie beeindruckt ihre Kundschaft mit stets neuen, eigenen Haarstilen. Renata ist jemand, der gerne lacht und Spass hat. Sie ist quirlig und lebensfroh, temperamentvoll und leidenschaftlich. „Diese Eigenschaften sind mir bis heute geblieben“ lacht sie und strahlt über beide Ohren. „So kennt mich ein jeder.“
Gekommen, um zu bleiben
Doch wie war ihre Jugend und wie kam sie schliesslich in die Schweiz? Sie denkt kurz nach und sagt dann: „Nach der Pflichtschule absolvierte ich eine Lehre und begann sofort zu arbeiten“ Es sei mit ihrer damaligen Kindergartenfreundin gewesen, mit der sie gleich nach dem Lehrabschluss einen eigenen Salon eröffnet habe. Dass sie jung geheiratet hat, ist kein Geheimnis. „Mein Mann Csaba kam in den Salon zum Haare schneiden. Er war in die Schweiz gekommen, als er 15 Jahre war und lebte dort, wo auch ich heute lebe, hier in Rüthi“ erzählt sie ganz offenherzig. „In unserem Heimatort war er nur auf Urlaub. Wir kennen uns schon seit wir kleine Kinder sind“ gesteht die charmante Coiffeuse. Sie wären früher mit ihren Freunden – sie mit den Mädels, er mit den Jungs – auf dem gleichen Spielplatz gewesen. Also richtige Sandkastenfreunde, die sich anschliessend aus den Augen verloren hatten. Viele Sommer zogen ins Land, bis sie sich just in Renatas Salon wieder begegneten und es zwischen den beiden sofort zu knistern begann. Doch Csaba musste zurück in die Schweiz. Doch er kam schon bald wieder, um seine Familie – und Renata – zu besuchen. „Er ging zurück nach Rüthi und er kam wieder und hat mich aufgesucht. Wir gingen auf einen Drink und dann ging alles sehr schnell.“ Als sie darüber spricht, funkeln ihre kohlrabenschwarzen Augen und ein schönes Lächeln breitet sich auf ihrem Gesicht aus. Damals habe sie noch bei ihren Eltern gewohnt. Kurze Zeit später hätten sie geheiratet. Es war das Jahr 2006, als Renata schliesslich in die Schweiz kam – und hier Wurzeln geschlagen hat.
Wie hier geboren
Auf die Frage, wie ihr erster Eindruck war, als sie in die Schweiz kam, kommt es wie aus der Pistole geschossen: „Ich fühlte mich wie hier geboren.“ Gerade die Schönheit der Natur und die Stille und Ruhe von Rüthi sei das, was sie sich immer erträumt habe. Allerdings gibt sie ehrlich zu, dass die Sprache anfangs eine grosse Barriere, ja ein Hindernis, gewesen sei. „Wegen der Sprache hatte ich Schwierigkeiten. Nach einem zweimonatigen Sprachkurs begann Renata als Coiffeuse zu arbeiten, ohne viel Deutsch zu sprechen. „Ich dachte mir, mit so wenig Deutschkenntnissen, wie ich besitze, kann ich in keinem Salon arbeiten. Deshalb entschied ich mich, zuhause anzufangen.“ Da sie mit Kevin auch ein kleines Kind hatte, war es für die Familie die beste Lösung, denn im oberen Stock wohnt sie, im unteren befindet sich das Friseurstudio. Nach anfänglichen Schwierigkeiten seien immer mehr Leute zu ihr gekommen, darunter auffallend viele Schweizer. Durch das Gespräch mit den Kunden habe sie sehr schnell Fortschritte auf Deutsch gemacht. „Ich habe durchs Reden viel gelernt und mich ständig verbessert, weil ich so kommunikativ bin, ging alles schneller“ weiss sie.
Internationale Kundschaft
Der kleine Salon lebt durch Mundpropaganda, denn ein Inserat hat sie bis dato noch nie gemacht. Alle Altersschichten, von jungen Kindern über Jugendlichen bis zu Erwachsenen im Rentenalter, zählen zur Kundschaft von „Coiffeur Style“. Neben zahlreichen Kunden aus der näheren Umgebung, also aus Oberriet, Rüthi und Altstätten, kommen auch Männer und Frauen aus Buchs und Chur oder sogar aus Zürich zu Renata. Eines ist gewiss: Sie kommen wegen Renata und ihrer herzlichen Art. Werfen wir einen Blick auf die verschiedenen Nationalitäten, so ist das in etwa wie beim Eurovision-Songcontest: Schweizer, Portugiesen, Ungarn, Serben, Kroaten, Bosnier, Albaner, Kosovaren, Österreicher oder Liechtensteiner. Renata ist sehr international. Die Leute schätzen die guten Gespräche mit ihrer Haarstylistin und die offene und ehrliche Art. Renata behandelt die Kunden sehr liebevoll und es fühlt sich an wie eine kleine Familie, da sie sich sehr viel Zeit für jeden einzelnen nimmt und Vertrauen schenkt.
Man kann nicht nicht kommunizieren
Daher kann der kleine Coiffeursalon als beliebter Treffpunkt bei der Rüthner Bevölkerung gesehen werden. Man kommt hierher, um abzuschalten, zu entspannen und frisch gestylt wieder in den Alltag zurückzukehren. Die Themen beim Friseurbesuch seien sehr unterschiedlich. „Ein Coiffeur muss etwas psychologisch denken, denn wenn mal jemand kommt und nicht reden möchte, kann ich nicht damit anfangen“ weiss die erfahrene Coiffeuse. Es gebe so viele unterschiedliche Menschen. „Es ist wichtig, mit all den verschiedenen Charakteren umgehen zu können. Mit der einen Kundin kann ich über Gott und die Welt palavern, mit anderen zu einem Sachthema“ sagt sie. „Mit jedem Menschen finden wir zusammen ein Gespräch, denn ich spreche mit allen.“
Regenbogenfarbige Frisur
Als Frisörin wisse man so ziemlich alles, was im Dorf geschehe, sei es neben Klatsch und Tratsch das tagespolitische oder Neuigkeiten aus den sozialen Netzwerken. „Ich bin immer informiert, was läuft und passiert“ lacht sie. Zu ihren Haupttätigkeiten gehört das klassische Haare waschen, fönen und legen, das schneiden und färben – auch Dauerwellen macht sie. Haare zu glätten würde ihr auch Spass bereiten, allerdings würden das die Frauen zuhause selbst machen. Auf die Frage, was denn der verrückteste Kundenwunsch gewesen sei, sagt sie: „Einmal wollte ein Kundin die Haare in Regenbogenfarbe, das war dann eine ziemlich bunte Angelegenheit.“ Sie überlegt kurz, dann fällt ihr noch etwas ein: „Eine Frau, die schulterlange Haare hatte, wollte einen sehr kurzen Schnitt. Zum Schluss ging sie mit ihrer 3 mm Wunschfrisur nach Hause.“ Um so verrückter, um so besser sei es für sie, denn sie liebt ausgefallene Haarschnitte und informiert sich ständig über die neuesten Friseurentrends.
Leidenschaft Tanzen
In ihrer Freizeit geht die Mutter mit ihrem Hund Paco spazieren, mit ihrem Mann wellnessen und sehr gerne auf Partys. „Ich liebe es zu tanzen und fühle mich auf jedem Fest wohl, sei es mit 20- oder 80-jährigen, sei es zu Techno oder Schlagermusik“. Hauptsache, sie befände sich in guter Gesellschaft, dann werde jeder Abend zu einem gelungenen Abend. Auf die Frage, ob sie noch Wünsche habe, betont sie, dass sie zufrieden sei. „Meine Familie und meine geliebten Menschen gesund und glücklich zu sehen, das erfüllt mich.“ Gerade in der heute schwierigen Zeit sei es wichtig, stets positiv zu bleiben. Das sind nicht nur leere Worthülsen, denn wer Renata kennt, weiss, dass sie das lebt. Einen unerfüllten Traum habe sie schon noch: „In einem schönen Abendkleid klassischen Paartanz zu machen und an einem Tanzwettbewerb teilzunehmen.“ Dann wünschen wir Renata, die eine echte Bereicherung für Rüthi ist, dass dieser Wunsch bald in Erfüllung gehen wird.
Zur Person
- Renata Berkes
- Geboren 1984 in Serbien
- Beruf: Coiffeuse
- Wohnort: Rüthi
- Hobbys: Sport, mit Hund Paco spazieren, Wellness
- An Rüthi gefällt mir: die Ruhe
- Kontakt: Staatsstrasse 50 in 9464 Rüthi
- Tel. 0041 789233317 (Termine per WhatsApp)